7. Mai 2024
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Was mich bewegt(e)

@pexels.com
Lesedauer ca. 3 Minuten


Text: Manuel Ginzinger

Schade. Schade um die gedruckte Ausgabe der DZ. Ich habe sie geliebt. Wie habe ich mich immer gefreut, wenn ich eine neue Ausgabe auf der Theke beim Schluifer oder in der Trafik entdecken konnte. Wort für Wort fein säuberlich von vorne bis hinten verschlungen, nicht so nebenbei oder zwischendrin, nein, zum ersten Kaffee an sonnigen oder vor dem Kaminfeuer an trüben Sonntagen, die Füße im Sand eingegraben, wenn ich die DZ in den Urlaub mitgenommen, nicht am Stück, nein scheibchenweise damit ich sie lange genießen kann.

Obwohl ich eigentlich keine Zeitungen mag. Meist nur schlechten Nachrichten darin, Werbung und sinnloses und Zeit stehlendes Gelaber. Meinungen von Leuten, die ich nicht kenne und die gar nicht Ihre eigene Meinung vertreten.

Ich schaue mir „Tirol heute“ an, wenn ich kann, selten der Arbeit wegen, der lokalen und meist eher positiven News wegen. Zur ZIB schalte ich aus. Nachrichten liefert das Handy ganz ungefragt und genau die Themen, die mich interessieren.

Aber die DZ.

Wie oft habe ich das Vorwort rausreisen wollen. Vor allem zu Wahlzeiten. Kommunist? Sozialdemokrat? Grüner? Links würde man pauschal annehmen können. Sehr weit links vielleicht? Nehme ich an. Ich fühlte mich durch das niedergeschriebene Gedankengut nicht nur einmal als Mensch 2. Oder 3. Klasse. Denn rechts von der linken Mitte aus ist rechtsradikal. Zu Wahlzeiten verwünschte ich die DZ – wahrscheinlich jedes Mal schwor ich mir sie nicht mehr zu kaufen. Doch der Zorn war meist schon mit umblättern weg. Und die Freude, wenn ich die neue auf der Theke liegen sah. Dann wieder das Vorwort. Nach der Wahl. Ich wünschte Ihr den Untergang. Wie sehr ich diese Gedanken bereue.

Ich lese den Blog. In der Arbeit am PC. Vormittag zum Kaffee. Zu Mittag. Oder am Abend, wenn ich noch auf meine bessere Hälfte warte und nicht mehr arbeiten oder was Neues anfangen mag. So nebenher und zwischendurch. Meist nicht alles, sondern nur was mich interessiert. Sicher nicht am Handy an Sonntagen oder im Urlaub. Drei Handys am Schreibtisch reichen mir. Schade. Schade um was Gutes und Balsam für meinen Kopf und meine Hände. Hände die gerne die mich so ansprechende DZ hielten. Weg, aus und vorbei.

Gut, weil ich mich jetzt nicht mehr über die Diskriminierung andersdenkender und meiner selbst aufregen muss. Demokratie. Ja aber bitte nur Mitte bis links. Bürger Rechts davon – ach was Bürger! Oft sehe ich Autos im Dorf mit Sticker der SPÖ oder der Grünen (wo sind die ÖVP-Sticker?). Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Probleme deswegen haben. Außer zu Wahlzeiten. Aber auch da sehe ich keine zerkratzten Autos mit eingeschlagenen Scheiben und / oder Lichter, platten Reifen, mit Sprüchen verziert. Außer Fahrzeuge mit FPÖ-Sticker.

Ich brauch das Auto zum Arbeiten. Trau ich mich nicht und das ist nicht nur der Materialverschleiß, der wäre wohl schmerzlich, aber ersetzbar. Körperliche Schäden wegen eines FPÖ-Sticker am Auto? Riskier ich nicht.

Keine Positionierung andersdenkender zulassen verringert den Zulauf – ganze Arbeit geleistet, von links, ab der Mitte der Mitte. Von Menschen erster Klasse mit eigener Meinung, der gleichen, im gehobenen Deutsch geschrieben.

Gegen Lebewesen mit lokalen Interessen im Vordergrund, banaler Wortwahl und wer politisiert heute schon mit Herz. Demokratie gelebt und wenn es sein muss, getötet – die Meinung von Schwachen mit Herz und einverleibt in den Sumpf der Macht.

Mir ist der Wandel der Macht schon bekannt. Gut ersichtlich das Macht verdirbt. Alle. Die Rechten, die Linken und die in der Mitte.

Ein Freund erzählt mir eine Geschichte von der Vergangenheit und den sozialen Großtaten der Sozialisten. Mein Vater erzählt mir über die Dankbarkeit der Menschen für die bezahlte Arbeit im Hitler Deutschland. Mutter erzählt mir von den toten Mitschülern auf dem Weg zu den Bunkern. Geschichten, die uns zu dem Machen die wir heute sind?

Ich lebe jetzt. Jetzt gestalten für die kommenden Generationen. Geschichten von gestern gestalte ich nicht mehr mit. Und sie gestalten mich nicht. Geschichten halt. Gute und böse.

Zum Glück haben wir die Jugend von heute. Denen erzählen wir bald nichts mehr. Wir waren nicht im Krieg. Wir bauen Häuser nicht mehr mit den eigenen Händen. Wir haben alles und die Jungen haben alles und das mehrfach. Wollen mehr, und zwar das was es nicht zu kaufen gibt. Einen gesünderen Planeten, Sicherheit, als Frau ohne Pfefferspray am Abend zum Bahnhof in Innsbruck gehen können. Zukunft anstatt Vergangenheit. So denken viele meiner Freunde und Bekannten. Dazu zählen Tiroler und Österreicher. Deutsche. Türken. Taiwanesen. Chinesen. Auch ein Japaner ist dabei. Amis. Juden. Italiener und Südtiroler sind dabei. Schweizer. Franzosen. Griechen. Spanier. Jugos – ah sorry – politisch nicht korrekt. Kroaten – Semi sagt aber immer er ist ein Jugo. Schweizer. Franzosen.

Meinungsfreiheit, ja genau, die darf nicht fehlen. Meinungsfreiheit aber nicht ohne Grenzen. Nicht gesprochen, schon gar nicht schriftlich, und im Kopf, ja wie kommen wir da rein, um diese Freiheit zu begrenzen…

Meinungsfreiheit beginnt Links von der Mitte – diese gibt´s zu lesen. Z.B. in der DZ.

Tatsache ist, dass die Gräben tiefer werden. Tief genug für Schützengräben und wir können wieder Geschichten erzählen. Die Frage nach den Schuldigen wird in der Trauer untergehen und für die nach uns kommenden wieder nur Geschichten sein, die mit der Zeit verblassen, bis sie ganz verschwunden sind. Und sie werden verschwinden. Und dann wieder neue Geschichten. Nicht geloopt. Das gibt’s nur in Hollywood.

Schade. Schade um die Dorfzeitung in gedruckter Form. Und schade um die Demokratie und um die Meinungsfreiheit.

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2 Gedanken zu “Was mich bewegt(e)

  1. Grundsätzlich war die Dorfzeitung, in gedruckter Form wie auch jetzt als Blog, immer bestrebt nach Möglichkeit die Vielfalt im Dorf abzubilden. Es musste auch, meines Wissens, nie ein Artikel “zensuriert” werden, was zeigt, dass die Kriterien für eine Veröffentlichung sehr weit geöffnet sind und wirklich nur schwere persönliche Beleidigungen, Verhetzung oder Aufrufe zu kriminellen Tätigkeiten nicht veröffentlicht werden können.
    Leider hast du sicher recht damit, dass die Mehrheit der Schreiber in ihren Artikeln eher von der politischen Mitte bis links stehen dürften. Das kommt aber nur daher, dass die andere Seite trotz mehrfacher Einladung keine Beiträge sendet. Ob aus Desinteresse oder weil man nicht öffentlich zu seiner Meinung stehen will, beziehungsweise aus anderen Gründen kann ich nicht sagen.
    Jedenfalls freut es mich persönlich, dass du dieses “Tabu” gebrochen hast und so einen wertvollen Beitrag zur Bandbreite unserer Bevölkerung lieferst.

  2. Ich schließe mich den Bemerkungen von Robert Pisch an. Es freut mich immer, wenn ich erfahre, dass die DZ gerne gelesen wurde und auch als Blog gelesen wird. Wir haben ja viele Jahre mit viel Engagement versucht, eine unterhaltsame und informative Zeitschrift herauszubringen.
    Vor jeder Wahl haben wir alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen ersucht, ihre Position darzulegen, damit wir das gesamte Spektrum abbilden können als Informationsangebot an die Wahlberechtigten in Inzing. Leider kam da gerade von der FPÖ oft wenig Reaktion, vielleicht unter der falschen Annahme, die DZ werde nur von Menschen links der Mitte gelesen.

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