HIBERNATION – WINTERSCHLAF
Hibernation
As we wind our way to winter,
The poet finds life tough,
Summer’s finished,
No more flowers expected.
What’s there to sing about?
Most assets are frozen.
You’ve got to delve deep into your own soul
– But there’s the rub.
You sit on your arse, anxious,
You think and sink through your pants.
– To no avail,
So you’ve got to hibernate
Like frogs, toads and newts.
Winterschlaf
Indem man sich zum Winter wendet,
Hat es der Dichter schwer,
Der Sommer ist geendet,
Und eine Blume wächst nicht mehr.
Was soll man da besingen?
Die meisten Requisiten sind vereist.
Man muss schon in die eigene Seele dringen
– Jedoch, da haperts meist.
Man sitzt besorgt auf seinen Hintern,
Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch.
– Da hilft das eben nichts,
da muss man eben überwintern
Wie Frosch und Lurch.
Klabunt (1890 – 1928)
VVV
SCHNEE FÜR SPÄTER- SNOW FOR LATER
SCHNEE FÜR SPÄTER
Immer habe ich den Schnee
hergeschrieben,
den Schnee von früher,
den maßlosen Schnee
aus der Erinnerung,
als Beispiel für die Kinder:
Ihr müsst wissen, es gab einmal Schnee,
viel mehr als ihr euch ausdenken könnt,
Schnee, der sich türmt,
Wälle aufwirft, Schnee, der blind macht,
der die Flüchter in den endlosen Schlaf bettet.
Jetzt,
jetzt ist er wieder gekommen,
der grosse Schnee,
begräbt das Land,
schliesst das Haus ein,
wühlt sich in mein Gedächtnis,
beschwert meine Brust,
der neue Schnee.
Ich könnte ein Kind sein und
In einer weissen Höhle auf den Frühling warten,
auf das versprochene Leben.
Snow for Later
Until now I always
used to evoke snow,
the snow of yesteryear.
the masses of snow,
from memory,
as evidence for the kids:
you must know, there once was snow,
much more than you can imagine,
snow piling up,
banking up, snow, blinding one.
snow embedding fugitives in endless sleep.
Now,
now it’s come again,
the big snow,
burying the land, en-
closing the house,
burrowing into my memory,
weighing down my breast,
the new snow.
I could be a child
in a snow-white cave
awaiting spring,
waiting for the promised life.
Peter Härtling (1933- 2017)
An den Ufern meiner Stadt, Späte Gedichte (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2023)