Heute wurde der Kammi zu Grabe getragen. In meiner aktiven Zeit bei der Inzinger Dorfzeitung versorgte uns Bernhard phasenweise mit seinen eigenwilligen Geschichten. Manchmal brachte er stapelweise Geschichten, alles fein säuberlich mit Schreibmaschine geschrieben. Dann wieder kam längere Zeit nichts – ganz wie es seinem gesundheitlichen Zustand und seinem Willen entsprach. Nicht alles, was er uns vorbeibrachte, konnten wir in der DZ abdrucken – es war meist einfach zu viel und manches war auch unverständlich. Da es Bernhard liebte, seine Gedanken mit anderen zu teilen, und da er dafür in der Dorfzeitung ein für ihn wichtiges Medium fand, finde ich es nur folgerichtig, ihn auch anlässlich seines Weggehens vor allem selbst noch einmal zu Wort kommen zu lassen.
Bernhard Kammerlander: Mein Lebenslauf (DZ 2/2008, anlässlich seines 50. Geburtstages)
Ich wurde am 28. Mai 1958 während der Nacht vom 27. auf den 28.5. in der Innsbrucker Klinik geboren. Jenes heißt, dass ich damals das Licht der Welt erblicken durfte. Bereits während meiner vier Volksschuljahre zeigte es sich immer wieder, dass ich es dem Schicksal überließ, wie ich mich durch mein Leben schlug. Ich nahm beispielsweise an einem Seifenkistenrennen teil, was damals so endete, dass ich in einen Wildbach stürzte.
Es ging mein Leben weiter vom Kindergarten über die Inzinger Volksschule, das Innsbrucker Akademische Gymnasium, weiter in die Pädagogische Akademie in Innsbruck. Die Letztere diente mir dazu, meine vier Semester Studium zum VS-Lehrer zu absolvieren.
Ich durfte im Herbst 1976 mit dem Drachenfliegen beginnen. Mein inzwischen verstorbener Herr Papa, Konrad Kammerlander, erfuhr von meinem Drachenfliegen erst, als die Polizei ihm telefonisch mitteilte, dass ich abgestürzt war und mich im Koma befand.
Es würde zu weit führen, wenn ich alle meine Lebensaktivitäten detailliert explizieren würde. Angefangen von meiner Maturareise, über extrem schwierige Klettereien am Seil eines Heinz Zak, bis hin zu meinem persönlichen Drachenfliegen – ich suchte und fand immer wieder etwas Gefährliches.
Seine humorvollen, manchmal sarkastischen Geschichten und Gedichte kreisten meist um seinen Alltag und seine Vergangenheit und zeigten, dass er sich seiner Beeinträchtigung sehr bewusst, aber trotzdem bestrebt war, am Leben aktiv teilzunehmen. So arbeitete er im Vinzenz-Gasser-Heim mit, sang beim Kirchenchor und bei Inigazingo und war auch sonst sehr aktiv und kommunikativ.
Denn was hätte ich davon, den Rudl zu necken. Ich könnte (bedingt durch mein Schädel-Hirn-Trauma von 1978) mich in haarscharf derselben Situation befinden wie er. Ich danke Gott, dass er mich selber wieder halbwegs normal hat werden lassen.
…. Seit etwa 15 Jahren erfülle ich im Inzinger Vinzenz-Gasser-Heim meine berufliche Funktion als Laufjunge. Neben dem Besorgen von Medikamenten, Blumensträußen und anderen Kleinigkeiten bedeutet es für mich jenes sehr Wichtige, hoffnungsvermittelnd tätig zu sein. Ich arbeite wochentäglich, dafür danke ich Gott,… (DZ 4/2007 anlässlich des Todes von Rudl)
Somit werde ich auch in Zukunft es mir erlauben, mittels meiner vokalen (=stimmlichen) Ambitionen (=Bemühungen) das Meinerseitige dazu beizutragen, die Chorwerke durch die Singenden von „Inigazingo“ zur Aufführung zu bringen. Dazu kommt noch, dass meine persönliche Realisierung durch mein Mitwirken mir das Gefühl verleiht, keineswegs als überflüssig zu gelten. (DZ 2/2006)
Ich schreib‘ Artikel unverdrossen
und suche laufend sehr viel Wahres.
Mich freuen schöne Kommentare,
man kriegt die Zeitung nur für Bares.
…
Ein jeder Tag verstreicht mitnichten,
ich danke Gott, dass ich noch lebe.
Ich muss heut‘ wieder einmal dichten,
ich eigentlich nach Höh’rem strebe. (DZ 4/2019)
Schon vor seinem oben genannten Unfall beim Drachenfliegen war Bernhard eigenwillig und wohl kein „einfacher“ Mensch – das änderte sich auch nach seinem Schädel-Hirn-Trauma keineswegs. Er liebte es, Menschen mit seinen Gedanken zu irritieren und manchmal auch zu provozieren. Dazu gehörte auch die exzessive Verwendung von Fremdwörtern, durchaus auch eigener Kreationen.
Ob ich meinerseitiges Bares im Gasthaus anbaue, oder für meinen geplanten Wien-Flug hernehme, auf alle Fälle bedeutet mein Vorhaben einen offensichtlichen Schachmattzug gegen spießbürgerliche Denk- und Argumentationsweisen. (Mai 2004)
Dortselbst, also in Wörgl, genehmigen wir uns etliches Kaloriöses. Mit anderen Worten essen wir etwas in einem vulgären Würstlstandl. Obwohl sich Reinhards und meine eigene Konsumation promillefrei abwickelt, führt sich Heini etliches Promilliöses zu.
Bernhard liebte auch nach seinem Unfall 1978 noch riskante Unternehmungen und setzte sich daher schon früh mit Tod und Sterben auseinander.
Ich lag in minusgradigem Schneegestöber. So um etwa 18.00 Uhr konstatierte ich (=stellte ich fest), dass die Nacht begann, hereinzubrechen. Ich hatte mit meinem Leben bereits abgeschlossen. Komischerweise erschien mir die Sache des Sterbensmüssens in keiner Weise tragisch.
… Obwohl ich obigen drei Herrn (seinen Rettern, Anmerkung) überaus dankbar bin, mich vor dem Erfrieren gerettet zu haben, wäre ich in seelisch überaus angenehmen Zustand am Faschingssonntag 1984 erfroren. Aus allem oben Geschildertem kann ich nur jene Erkenntnis weiterleiten, dass der Tod keineswegs etwas Schreckliches ist. (DZ 1/2006)
Nun ist er wirklich von uns gegangen – und er wird in seiner unverwechselbaren und eigenwilligen Art, mit seinem Humor, seiner Kontaktfreudigkeit und seiner Hilfsbereitschaft im Dorf fehlen.
Lieber Bernhard – guten Flug!
Ich denk oft nach in meinem Leben,
ich flog sehr gern ohn‘ alles Denken,
gar oft genügt ein wenig Streben,
der Herrgott wird es dann schon lenken. (DZ 2/2019)
Ein jed’s Gedicht hat mal ein Ende,
ich rauch‘ und sitze still im Zimmer
und reibe fleißig meine Hände,
ich spare mir ein doof‘ Gewimmer. (DZ 2/2018)
Vielen Dank für diese Erinnerung an Kammi, lieber Hannes!
Ich habe von seinem Tod erst kurz nach dem Begräbnis erfahren und war traurig, nicht mit anderen an seiner Verabschiedung teilgenommen zu haben.
Die Zitate, die du in deinem Beitrag ausgesucht hast, machen Bernhard sehr lebendig – genau so hab ich ihn in Erinnerung, seine Beiträge für die DZ lieferte er ja meistens bei mir ab oder wenn er mich im Dorf traf.
Er wird wohl vielen als Original im Gedächtnis bleiben, auch in allen Geschäften entlang der Hauptstraße…