25. April 2024
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Stopp(t) (die) Kickl(s)!!!

Flüchtlingslager Moria auf Lesbos (© AP)
Lesedauer ca. 3 Minuten

VORBEMERKUNGEN
Da COVID-19 derzeit jegliche Berichterstattung überschattet, drohen andere wichtige Themen unterzugehen bzw. in Vergessenheit zu geraten. So auch das Flüchtlingselend entlang türkischer Grenzabschnitte. Dort steht womöglich der absolute Super-Gau bevor, sollte es zu einem Ausbruch der Corona-Virus-Erkrankung kommen. Daher empfehlen Vertreter von “Ärzte ohne Grenzen” die präventive Evakuierung der Lager wie beispielsweise Moria (mit über 20.000 “Bewohnern”). Wie sollten sich die Menschen dort unter den vorherrschenden desaströsen hygienischen Bedingungen an gängige Verhaltensregeln wie Abstandhalten oder regelmäßiges Händewaschen halten? Der Migrationsexperte Gerald Knaus beschreibt die Lage folgendermaßen: “Im Lager Moria müssen sich 1.300 Flüchtlinge einen Wasserhahn teilen, die meisten können sich nicht einmal regelmäßig ihre Hände waschen. Viele leben in behelfsmäßigen Zelten und haben keine Chance, sich voneinander zu isolieren, um eine Infektion zu vermeiden”.
(https://www.derstandard.at/story/2000116038946/migrationsexperte-knaus-fordert-inselfluechtlingslager-dringend-zu-raeumen)
Europa pumpt derzeit wohl zurecht Abermillionen in Rettungspakete im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Da sollte wohl auch die Investition von ein paar Millionen Euro für die Rettung der Kinder bzw. für neue, kleinere und insgesamt sicherere Lager möglich sein.

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In Grundzügen habe ich den Artikel bereits vor der durch die Regierungen von Bund und Land erlassenen, einschneidenden Verhaltensregeln zur Eindämmung der Pandemie verfasst und möchte ihn daher auch unverändert hier wiedergeben – auch wenn ich mir der Tatsache bewusst bin, dass derzeit in Europa die unmittelbare Bekämpfung der Coronakrise höchste Priorität hat. Auch die Länder, die sich als “Koalition der Willigen” bereit erklärt hatten, Flüchtende aus den Lagern aufnehmen zu wollen, haben nun Schwierigkeiten, dieses Angebot zu realisieren bzw. vor ihren BürgerInnen zu rechtfertigen. Dennoch oder gerade deswegen bleibt die Brisanz der Problematik nicht weniger evident!

Die (absehbare) Entwicklung an der griechisch-türkischen Grenze und die damit unmittelbar zusammenhängende Situation in der türkisch-syrischen Grenzregion (Idlib) hat zu vielen, sehr unterschiedlichen Reaktionen geführt.

Aber den Vogel abgeschossen hat wieder einmal FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Der stellvertretende Parteivorsitzende der FPÖ schwadroniert frei von der Leber weg angesichts der aktuellen Situation von womöglich Millionen illegalen Einwanderern nach Europa, von denen viele die Grenze Österreichs “attackieren” werden, und schlägt ein “Grenzübertrittsverhinderungspaket” vor, das das Asylrecht aussetzen und den Einsatz von Tränengas und auch scharfen Waffen miteinschließen soll.

Geht’s noch, Herr Kickl? Auf aus Kriegsgebieten und anderen von Gewalt gezeichneten Regionen flüchtende Menschen schießen zu lassen, widerspricht allen humanitären, menschlich-empathischen und nicht zuletzt christlich-abendländischen Wertvorstellungen. Werte, die wir den schon bei uns lebenden AsylwerberInnen zum Gelingen der Integration verpflichtend vorschreiben. Werte, die auf der Basis von mehreren internationalen, europäischen und nationalen Abkommen respektive Gesetzen bindende Vorgaben darstellen. Werte, für die die EU 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde!

Wie verhärtet müssen die Herzen jener Volksvertreter (und der Wähler, die für sie unreflektiert ihre Stimme abgeben) sein, die angesichts der Bilder von Moria auf Lesbos und anderen Lagern in Griechenland oder von den Zuständen in Idlib nicht bereit sein wollen, ein “bestimmtes Kontingent” (wie fürchterlich despektierlich der in diesem Zusammenhang von Offiziellen verwendete Begriff klingt) von Frauen und Kindern (insbesondere auch von unbegleiteten Minderjährigen) im Land aufzunehmen, wie dies von anderen Staaten in Aussicht gestellt wurde?

In dieser Situation hat die FPÖ eine Internetkampagne gestartet, die sich auf Deutsch, Französisch, Englisch und Arabisch an MigrantInnen richtet.

Hier der unkommentierte Wortlaut:

“Europa ist eine Festung!
Ihr braucht es gar nicht erst probieren. Ihr werdet nicht durchkommen – egal, woher ihr kommt!
Keine Ausnahmen! Frauen, Kinder, unbegleitete Minderjährige, Akademiker oder wer auch immer sind keine Ausnahmen! Die Schlepper legen euch rein. Ihr werdet alles verlieren und euer Leben riskieren!”

“NO WAY!”

Wo bleibt der GROSSE Aufschrei unserer Gesellschaft, namentlich der politischen Vertreter, von Institutionen wie Kirchen und Sozialeinrichtungen und nicht zuletzt von der Allgemeinheit?

Es gibt zwar einzelne ermutigende Meldungen von PolitikerInnen wie Bundespräsident Van der Bellen, LR Fischer, BM Willi von Innsbruck sowie grünen, roten und schwarzen Bürgermeistern. Dutzende Gemeindevertreter quer durch Österreich haben sich bereit erklärt, Flüchtlinge aus den betroffenen Gebieten aufzunehmen, da sie den Anblick der leidenden Menschen nicht mehr ertragen können. Beispielhaft sei der ÖVP (sic!)-Bürgermeister Kurt Fischer von Lustenau erwähnt, der die aktuelle Situation sehr treffend als “weiteres Kapitel der europäischen Schande” bezeichnet hat. In Tirol stehen einige ehemalige Flüchtlingsunterkünfte derzeit leer! Welch paradoxe Konstellation!

Auch Vertreter von Kirchen und sozialen Organisationen haben sich zum Teil vehement zu Wort gemeldet.

Aber es wäre noch viel mehr Gegenwind für die in Bezug auf die äußerst missliche Lage der Flüchtlinge an Europas Grenzen menschenverachtende Politik der gegenwärtigen Regierung gefordert, die im Wesentlichen Rhetorik und Aktionsradius von Türkis-Blau fortschreibt. Die mit einem Achselzucken quittierte Hilflosigkeit der Grünen (in einer Koalition müsse man Kompromisse machen) ist in dem Zusammenhang nicht minder befremdlich.

Zu guter Letzt ist die Zivilgesellschaft aufgerufen, sich zu Wort zu melden, um durch Druck auf die politisch Verantwortlichen das Elend der unverschuldet in diese Situation geratenen Menschen zumindest lindern zu helfen. Der “Kicklismus” muss ein Ende haben! Eine heilsame Methode, mit dem Phänomen KICKL umgehen zu können, ohne Gefahr zu laufen, neurotische Störungen davonzutragen, ist die Lektüre des Buches “Lieber Cousin Herbert – Dokumentation eines humorvollen Widerstandes” von Daniela Kickl.

Der Virus, der uns wirklich schadet, ist der Virus aus
Dummheit, Egoismus, Ignoranz und Herzlosigkeit.
Die Angst macht uns alle krank.
Und die meisten Menschen sterben innerlich an fehlender Menschlichkeit.
Liebe ist die einzige Heilung für unseren Planeten.
Lebendige Seelen und mutige Herzen braucht die Welt!

Steve Santana

PS: Eine Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, ist die Unterzeichnung folgender Petition
(bis 8.5.2020):


https://www.openpetition.eu/at/petition/online/freiheit-fuer-unsere-menschlichkeit-offener-brief-an-kurz-nehammer-schallenberg?fbclid=IwAR3aMhVZ1oXvIaHoSQiFaIYFCpnxvJaAjzICwt_SuTzSGYT0_mOwZ6ERNL4

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Luis Strasser

Als begeisterter Leser der Printausgabe der DZ hat sich Luis – zusammen mit einem kleinen Team – nach der drohenden Einstellung der Druckversion 2019 dafür eingesetzt, die DZ in irgendeiner Form zu erhalten. Das Resultat ist der nun vorliegende Blog, an dem als Redaktionsmitglied und Autor mitzuarbeiten ihm viel Freude bereitet. Seine Schwerpunktthemen: Politik, Bildung, gesellschaftlicher Wandel, Zeitgeschichte…

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2 Gedanken zu “Stopp(t) (die) Kickl(s)!!!

  1. Wenn überhaupt für irgendjemanden, dann sollte Kickels Wunschgesetz einer “Vorbeugehaft” dringendst auf ihn selbst und einige seiner fanatischen Anhänger angewandt werden. Wobei ich sagen möchte, dass ich sogar in diesem Falle gegen so ein Gesetz bin!
    Sie sind jedenfalls viel gefährlicher für die Allgemeinheit – und zwar auch die österreichische – als die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge. Es ist schade und im Endeffekt nur noch peinlich, wenn man sieht, dass auch bei uns eine große Anzahl der Mitbürger nichts aus der Geschichte lernen will und beinahe die Hälfte der Wahlberechtigten solche verhetzende Gruppierungen/Personen entweder direkt wählt oder durch Nichtwählen zeigt, dass es ihnen egal ist.
    Robert Pisch

  2. Es trifft immer die, die nichts haben und nicht sein dürfen, weil ihre bloße Existenz uns daran erinnert, dass wir im kapitalistischen Teil der Welt unser System auf Kosten anderer aufrecht erhalten; da ists dann nur noch ein kleiner Schritt zur Rassenhygiene.

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