26. April 2024
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Inzing ist Klimabilanziert

Foto: Gerd Altmann / Pixabay
Lesedauer ca. 7 Minuten

Wie hoch ist der Energieverbrauch in Inzing? Welche Mengen an Treibhausgasen werden emittiert? Welche Sektoren sind die energieintensivsten und welche hauptverantwortlich für Emissionen? In welchen Bereichen sollten Maßnahmen gesetzt werden? Wo befindet sich Inzing im österreichischen Vergleich?

Diese Fragen kann Inzing nun aufgrund einer im Sommer erstellten Klimabilanz beantworten.

Aber zurück zum Beginn. Im Frühling wurde von der Klimabündnisgruppe vorgeschlagen, dass die Gemeinde eine Klimabilanz berechnen lassen könnte. Ziel sollte es sein, Zahlenmaterial zu bekommen, aus dem sich eben jene Fragen beantworten lassen, die eingangs erwähnt wurden. Letztlich sollte eine Basis für ein zielgerichtetes Maßnahmenpaket entstehen, um die Emissionen im Dorf zu reduzieren.

Noch vor dem Sommer beschloss der Gemeinderat einstimmig, den Prozess gemeinsam mit Klimabündnis Österreich zu starten. Schon bei dieser Gemeinderatssitzung war die Stimmung gut, man wollte jedenfalls keinen Zahlensalat generieren, der in einer Schublade verstaubt. Es wurde also die Berechnung beauftragt und erst im Anschluss sollten die Maßnahmen zur Verbesserung des Energieverbrauchs und der Reduktion von Treibhausgasen überlegt werden.

Über den Sommer spielte Thomas Kautnek vom Klimabündnis Österreich etliche Daten von Statistik Austria, der Landwirtschaftsdatenbank, der Abfallstatistik und anderen Quellen in ein Online-Tool ein. Josef Draxl erhob mit mir gemeinsam noch etliche andere gemeindespezifische Daten, die ebenfalls in das Tool integriert wurden. Jetzt waren alle Grunddaten im System. Es wurde noch einiges diskutiert und an einigen Stellen gefeilt und korrigiert. Manche der eingespielten Daten waren leider nur österreichische Durchschnittswerte, andere Datensätze wiederum waren tatsächliche lokale Werte. Natürlich könnte man nun behaupten, dass diese Ungenauigkeiten keinen reellen Rückschluss auf Inzing zulassen. Ich bin aber der Meinung, dass wir mit einer ausreichenden Genauigkeit arbeiten. Dort, wo es notwendig erscheint, können weitere Detailanalysen erfolgen. Einen guten Trend kann man aus den Ergebnissen wunderbar ableiten.

Die Ergebnisse der Klimabilanz: 

Für die Sektoren Gemeinde (dies sind die gemeindeeigenen Objekte), Wohnen, Verkehr, Betriebe, Abfall und Landwirtschaft wurden sowohl der Energieverbrauch als auch die CO2-Emissionen berechnet.

Das Ergebnis war in vielen Bereichen keine große Überraschung, in manchen Sektoren aber dann doch äußerst spannend. Zum Beispiel liegt Inzing beim Verkehr der Betriebe äußerst schlecht, da bei einigen Betrieben sehr viele LKW’s angemeldet sind, die sich negativ auf die Gemeindebilanz auswirken. Andere Bereiche, wie beim Wohnen oder auch beim privaten Verkehr liegen wir im Vergleich zu anderen Gemeinden recht gut. Dennoch sind es genau diese Bereiche, die die höchsten absoluten Werte aufweisen. Hier wird man aktiv werden müssen.

Die Unterteilung der CO2-Emissionen nach Sektoren sieht man in den beiden folgenden Diagrammen:

Die Anteile der CO2-Emissionen in Inzing nach Sektoren.

CO2-Emissionen in Inzing pro Einwohner nach Sektor. Diagramm: Peter Oberhofer, Datenquelle: Klimabilanz

Die einzelnen Sektoren weisen sehr unterschiedliche Schwerpunkte bei den Emissionen auf. So sind bei der Gemeinde der Strom und die Wärme relevanter als der Verkehr, bei den Haushalten und vor allem Betrieben stellt der Verkehr den größten Teil der Emissionen dar. Bei den Haushalten ist auch das Heizen ein großer Emittent.

Verschiedene Schwerpunkte bei den Sektoren Gemeinde, Betriebe und Haushalte

Wohnen:

Vor allem beim Heizen sind die hohen Emissionen nicht verwunderlich, werden doch noch etwa 70% der Häuser mit Öl oder Gas beheizt. Ein Umstieg von Öl und Gas ist für die Reduktion der Treibhausgase sehr wesentlich. Natürlich ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Heizung man statt einer fossilen Wärmequelle einbaut. Es wird nicht ausreichen, nur eine Wärmepumpe einzubauen, da diese vor allem mit geringen Vorlauftemperaturen effizient arbeiten kann. Also wird es aus energetischer Sicht in vielen Fällen gut sein, auch gleich das Haus zu dämmen und neue Fenster einzubauen. Jedenfalls ist eine Beratung und genaue Analyse sinnvoll, bevor man eine Sanierung und den Umbau der Heizung angeht. Der Bund stellt jedenfalls hohe Fördersummen für Gebäudesanierungen zur Verfügung.

https://www.umweltfoerderung.at/privatpersonen/raus-aus-oel.html

Verkehr:

Wenn wir den betrieblichen LKW-Verkehr hier außer Acht lassen, schneidet Inzing beim Verkehr recht gut ab. Dies ist wohl der ausgezeichneten Bahnanbindung zu verdanken. Der Halbstundentakt der Züge in beide Richtungen ist für viele Berufspendler eine gute Gelegenheit, rasch und stressfrei zur Arbeitsstätte zu kommen. Konkret werden von Inzinger*innen etwa 30 Millionen Kilometer mit dem PKW und etwa 11 Millionen Kilometer mit den „Öffentlichen“ zurückgelegt. Trotzdem entfallen auf den PKW-Verkehr immer noch etwa 93% der Verkehrsemissionen, obwohl es nur gut 70% der Kilometer sind. In Inzing hat jeder Haushalt im Durchschnitt 1,4 Autos. Rechnet man nur die Mehrpersonenhaushalte, sind es sogar ca. 1,65 Autos pro Haushalt. Laut einer Auswertung des VVT besitzen etwa ein Viertel der Inzinger*innen eine Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr in ganz Tirol. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stark steigend und lässt hoffen, dass der Umstieg auf Bahn und Bus tatsächlich voranschreitet.
Dass wir im Bereich Verkehr etwas besser liegen als der Durchschnitt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Sektor in Österreich generell das große Sorgenkind und der Hauptemittent ist. Der notwendige Umbau im Verkehrssektor wird starke Veränderungen bringen. Nicht nur Einschränkungen wird es geben, sondern hier gibt es vor allem auch große Chancen. Immerhin bedeutet weniger Verkehr mit weniger Lärm und Abgasen auch mehr an Lebensqualität.

Gemeindeeigene Objekte:

Die Objekte der Gemeinde spielen insgesamt bei den Emissionen keine entscheidende Rolle. Dennoch finde ich es wichtig, dass die Gemeinde mit gutem Beispiel vorangeht. Die Sanierung der Mittelschule war bereits ein Vorzeigeprojekt. Dort konnte man durch den Umbau auf Passivhausstandard den Heizbedarf auf ein Minimum reduzieren. Beim Neubau des Altersheims gilt es wohl, ähnliches zu erreichen. Für das Gemeindeamt wird momentan ein Klimacheck durchgeführt, um auch hier exemplarisch Potentiale zu erkennen. Dann gibt es noch das 10er-Haus, die Volksschule und den Bauhof. Auch hier kann man sicherlich Einsparungen erreichen.

Interessant finde ich, dass laut Klimabilanztool schon allein durch die Umstellung des Gemeindestroms auf UZ46-zertifizierten Strom eine Reduktion der CO2-Emissionen von 588 Tonnen auf 384 Tonnen geschafft werden kann. Dies gilt natürlich für Privathaushalte und Betriebe gleichermaßen. Global 2000 hat erst vor kurzem einen Stromanbietercheck durchgeführt, der wunderbar Aufschluss über die verschiedenen Stromprodukte in Österreich gibt.

https://www.global2000.at/publikationen/stromanbieter-check

Betriebe:

Bei den Betrieben wird die Gemeinde wohl wenig Einfluss haben. Vermutlich wird sich im betrieblichen Sektor vieles über eine Erhöhung der CO2-Steuer regulieren. Beim betrieblichen Verkehr schneidet Inzing im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt extrem schlecht ab. Fast die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen, die in Inzing entstehen, fallen in diesen Bereich. Dies kommt daher, dass es einige Transport- und Bauunternehmen gibt, die ihre Fahrzeuge in Inzing gemeldet haben und somit hier auch in die Klimabilanz fallen. In Summe sind dies über 550 LKW, die im Jahr etwa 13 Millionen Kilometer zurücklegen.

Energieträger

Eine der aussagekräftigsten Ergebnisse aus der Klimabilanz ist wohl, dass wir in allen Bereichen noch viel zu viele fossile Energieträger verwenden. Hier ein Diagramm, das die Sektoren Wärme, „Strom im eigentlichen Sinne“ und Mobilität darstellt.

In Inzing werden immerhin 18 % des Stroms vor Ort erzeugt. Zwei Wasserkraftwerke und etliche Photovoltaikanlagen sind im Betrieb. Der Anteil könnte mit Photovoltaik-Anlagen vermutlich deutlich gesteigert werden. Dazu gibt es jetzt das neue Konstrukt der Energiegemeinschaften. Ziel der Energiegemeinschaften soll es sein, auch privaten Stromerzeugern einen direkten Verkauf oder zumindest eine gemeinsame Nutzung des erzeugten Stroms zu ermöglichen. Die bisherige Vergütung für eingespeisten PV-Strom ist meist sehr gering dotiert. Vielleicht kann auch die Gemeinde hier eine entscheidende Rolle spielen, um PV-Anlagen noch attraktiver zu machen.

Strom: Anteil des im Dorf erzeugten Stroms liegt bei 18%.


https://energiegemeinschaften.gv.at/

Ein Zahlenspiel

Um die Situation und vor allem die Möglichkeiten noch besser zu verdeutlichen, habe ich zusätzlich zur Klimabilanz noch den österreichischen CO2-Rechner zu Hilfe genommen. Die Bereiche Wohnen/Heizen und Verkehr kommen in beiden Rechnern vor und sind grob vergleichbar. Im CO2-Rechner hat man mit wenigen Eingaben die Möglichkeit ein fiktives Szenario zu rechnen. Ich habe folgende Annahmen getroffen:

Wohnen / Heizen

  • Ein Passivhaus mit Wärmepumpe
  • Ein Haus aus den 1970er-Jahren mit Ölheizung

Verkehr

  • Ein Haushalt mit häufiger Öffinutzung und einem E-Auto
  • Ein Haushalt mit zwei Autos mit Verbrennungsmotor

Beide Szenarien habe ich zur Kontrolle mit den Werten aus der Klimabilanz und den Daten für den durchschnittlichen Österreicher aus dem CO2-Rechner gegenübergestellt. Man kann sehen, dass die Durchschnittswerte annähernd gleich sind, was die Konsistenz der beiden Systeme bestätigt. Die beiden Szenarien (grün und grau) zeigen deutlich, welches Potenzial bei Verkehr und Heizen für Privatpersonen besteht.

Vergleich CO2-Rechner mit Klimabilanz und zwei Simulationen.

https://www.co2-rechner.at/#/start

Ich habe es schon öfters erwähnt, kann mich aber nur wiederholen. Es lohnt sich, mit diesem Rechner die eigenen CO2-Emissionen zu ermitteln und mit den Durchschnittswerten zu vergleichen. In wenigen Minuten hat man einen guten Überblick, wo man Verbesserungsmöglichkeiten hat.

Über Inzing hinaus

Zur Erinnerung: Österreich will bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgase um 55% (seit 1990) erreichen und bis 2040 gar klimaneutral werden. Tirol hat zusätzlich das Ziel bis 2050 energieautomon zu werden. Von allen Zielen sind wir noch sehr, sehr weit entfernt. Interessant ist, dass die EU gesamthaft bereits 25% Reduktion erreicht hat, Österreich hingegen seit 1990 immer noch steigende Treibhausgase aufweist.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass das Pariser 1,5°C-Ziel nur noch zu erreichen ist, wenn die Treibhausgase sehr schnell reduziert werden. Laut momentanen Hochrechnungen steuern wir eher auf +2,7°C zu. Selbst wenn jene Staaten, die bereits einen Zielpfad zur Klimaneutralität definiert haben, diesen auch erreichen, sind wir immer noch auf Kurs +2,2°C. Dass diese Staaten die Ziele erreichen, halte ich allerdings für eher unwahrscheinlich.

https://www.derstandard.at/story/2000130717556/un-organisation-warnt-erderwaermung-befindet-sich-auf-dem-weg-in

Ein Zitat aus dem folgenden derStandard-Artikel von Hans Platzgummer: „Laut Studien werden bereits in drei Jahren klimatische Kipppunkte erreicht sein, die Leid, Krieg, Elend, Massensterben und Migrationswellen in ungekanntem Ausmaß zur Folge haben.

https://www.derstandard.at/story/2000130639611/wenn-wir-wirklich-wollten-ein-aufruf-zum-umdenken

Fazit:

Es liegen nun also die Ergebnisse der Klimabilanz für Inzing vor. In weiterer Folge ist geplant, dass das Klimabündnis Tirol für das Gemeindeamt einen Klimacheck durchführt. Nach der Gemeinderatswahl sollen dann noch zwei Workshops organisiert werden. Hierbei soll einerseits ein Ziel für die weitere Klimastrategie der Gemeinde Inzing definiert werden. Andererseits werden Maßnahmen zur Erreichung des Ziels erarbeitet. Wichtig wird sein, auszuloten, in welchen Bereichen die Gemeinde überhaupt einen Hebel hat, um Verbesserungen zu erreichen.

Die Situation ist sehr ernst und alle Personen und Institutionen sind angehalten in Ihrem Handlungsumfeld das Mögliche beizutragen. Auch die Gemeinde kann sich meiner Meinung nach nicht mehr auf andere Stellen (Bund, EU) ausreden. Viel Geld wird man sowieso in die Hand nehmen müssen. Die „Kosten“ für die gesamten jährlichen CO2-Emissionen in Inzing würden € 1,4 Mio. betragen (bei derzeit € 30/t). Pro Einwohner sind das immerhin € 143,- (nur für den Anteil der Haushalte). Die Auswirkungen des Konsums sind hier noch gar nicht enthalten. Wenn man nichts tut, kommen ziemlich sicher enorme Kosten einerseits für die Klimawandelanpassung und andererseits für Emissionsausgleiche auf uns zu.

Wir haben noch etwa 20 Jahre Zeit, um die Emissionen auf „NULL“ herunterzufahren. Sonst drohen einige Systeme zu kippen und die Erderwärmung wird nicht mehr rückgängig zu machen sein.

Eckart von Hirschhausen sagt es so: „Wir sind die erste Generation, die das so unmittelbar auch spürt – und die letzte, die wirklich darüber entscheidet, ob diese Erde für Menschen bewohnbar ist. Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall.“

Ich bin persönlich schon sehr gespannt, in welche Richtung es gehen wird.

Buchtipp:

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Peter Oberhofer

Peter ist seit Ende 2012 Redaktionsleiter der DZ. In Inzing ist er außerdem bei der Klimabündnisgruppe engagiert. Umwelt- und Klimaschutz, Energiesparen, öffentlicher Verkehr sind ihm ein wichtiges Anliegen.

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