19. September 2024
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Interview mit Mathias Gastl – einem exzellenten Musiker, engagierten Katholiken und Pädagogen

© Reinhold Sigl
Lesedauer ca. 8 Minuten

DZ / Dorfzeitung
MG / Mathias Gastl

DZ: Lieber Mathias, vielen Dank für die Bereitschaft zu diesem Interview in der DZ-Reihe „Interessante Menschen aus Inzing“!
Weit über unsere Gemeindegrenzen hinaus bist du bekannt als sehr begabter Musiker. Weiters habe ich dich seit deinen Kindestagen als einen sehr eng mit der katholischen Kirche verbundenen Menschen wahrgenommen.
Lass uns mit Letzterem beginnen. Du hast dir deinen Glauben bis ins Erwachsenenalter unverbrüchlich – so scheint es – erhalten können, was heutzutage bei weitem nicht mehr selbstverständlich ist. Was bedeuten Religion bzw. Glaube in der aktuellen Zeit für dich?

MG: Glaube ist für mich immer etwas, das einerseits mit Heimat zu tun hat, also Heimat im geistlichen Sinn, aber auch ganz konkret Heimat als Gemeinde, als Pfarre Inzing. Mich hat diesbezüglich schon als Kind mein Opa Hans sehr beeinflusst. Als Mesner hat er mich überallhin mitgenommen, mir viel rund um die Kirche gezeigt und mich letztlich auch in die Gemeinschaft eingeführt. Das hat mich geprägt und dazu gebracht, zu machen, was ich heute im kirchlichen Kontext mache.
Ich habe den Glauben auch immer als geistige Stütze erlebt.

DZ: Du scheinst in deinem Glauben sehr gefestigt und überzeugt zu sein. Hast du diesbezüglich nie Zweifel gehabt?

MG: Also das möchte ich so überhaupt nicht sagen. Ich habe mich immer wieder damit beschäftigt, ob unser Glaube wohl der richtige sei oder ob nicht andere Glaubensströmungen recht hätten. Das Studium hat mir dann aber gezeigt, dass da auch eine gewisse Logik dahinter ist. Man kann diesen Glauben begründen – also auch rational. Natürlich nicht alles, gewisse Grundvoraussetzungen braucht es, die muss man einfach glauben. Das ist ja letztlich auch in den Naturwissenschaften nicht ganz anders. Würde man nämlich alle Naturkonstanten ständig infrage stellen, dann könnte man auch nirgends aufbauen. Das Studium hat mir gezeigt, da ist etwas dahinter, es ist also nicht nur eine Art Kaffeesudlesen. Man kann sehr vieles davon rational begründen. Und das alles zusammen macht letztlich für mich Sinn.

DZ: Aktuell bekleidest du im Pfarrkirchenrat (PKR) die Funktion des Obmanns (offiziell des “Stellvertretenden Vorsitzenden”). Erzähl uns ein bisschen etwas über deine Aufgabenbereiche in diesem Zusammenhang.

MG: Ich bin jetzt ca. 20 Jahre Mitglied im PKR. Unsere Hauptaufgabe ist die gesamte Finanzverwaltung. Aktuell spielt dabei die Kirchenrenovierung eine ganz große Rolle. Dieses Projekt ist auch ziemlich zeitaufwendig. Auch die Liegenschaftsverwaltung (konkret das Widum) ist ein Teilbereich, der aber arbeitstechnisch kaum ins Gewicht fällt.  

Foto: Karl Kircher





DZ: Wie lebendig ist deiner Meinung nach der Glaube in dörflichen Gemeinschaften wie Inzing? Oder dominieren großteils Tradition und Brauchtum das religiöse Leben?

MG: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, die mich immer wieder beschäftigt. Was kann der Grund dafür sein, dass immer weniger Menschen zu den kirchlichen Feiern kommen, auch bei besonderen Anlässen wie etwa der Christmette? Teilweise mag das mit einzementierten Standpunkten der katholischen Kirche zusammenhängen. Als ein Beispiel möchte ich das Schreiben vor ein paar Jahren erwähnen, in dem die Segnung Homosexueller strikt abgelehnt wurde. Da fällt es mir oft selber schwer, Katholik zu sein.
Zwar sind bei Sonntagsmessen aktuell ganz wenige Leute, aber bei manchen Gottesdiensten sehr viele. Das muss dann doch den TeilnehmerInnen etwas bedeuten. Es scheinen dies so besondere „Leuchtpunkte“ im Leben dieser Menschen zu sein. Diese Entwicklung hat sich besonders jetzt nach Corona verstärkt.   
Letztlich ist es wohl eine Mischung aus gelebtem Brauchtum und überzeugtem Glauben. Ich beobachte dies im Zusammenhang mit Prozessionen, an denen sehr viele Menschen teilnehmen. Auch bei von mir organisierten Prozessionsführungen ist das Interesse relativ groß. Die Leute wollen wissen, was hinter all diesen Ritualen und Symbolen steckt. Heute sind viele Menschen nicht mehr katholisch sozialisiert, wie das früher sehr oft der Fall war. Daher bieten wir solche Führungen an, um aufzuzeigen, worum es da wirklich geht, um das Ganze nicht in verdichteten Ritualen erstarren zu lassen, in einer Hülse, die den Leuten nichts mehr gibt. Auch die Kirchenführung im Rahmen der heurigen Inzinger Kulturtage wurde mit dieser Intention angeboten. Und so wie bei vielen Vereinen – Musikkapelle, Schützen, Feuerwehr etc. – ist es sehr wichtig, attraktive Informationsveranstaltungen anzubieten, um bei den Menschen Interesse für die Sache zu wecken.

DZ: Nun zum zweiten Themenbereich: Kannst du bitte deinen Werdegang als Musiker skizzieren?

Mathias an der Festorgel in der Stiftskirche in Wilten (Foto: Willim Boog)

MG: Es gibt zwei Momente, an denen ich einen Anfang meiner besonderen Neigung zur bzw. Freude an Musik festmachen kann.
Ich war als Kind immer gut gelaunt in der Früh und hab auf meinem Weg zur Schule meistens gepfiffen oder gesungen. Mein Weg führte mich damals bei Annemarie und Meinrad Beilers Haus vorbei. Eines Tages kam Annemarie auf mich zu und fragte, wer ich sei. Sie kam dann einmal mit meiner Oma im Garten ins Gespräch und sagte zu ihr: „Euer Enkel singt so gut“. Die Antwort der Oma war: „Das kann nicht sein, bei uns kann keiner singen“.
Das zweite, einschneidende Erlebnis war, als ich als Ministrant gefragt wurde, ob ich bei der Weihnachtsmette vor der Liturgie das Evangelium singen würde. Zunächst überrascht habe ich aber letztlich freudig zugestimmt. Daraufhin hat die musikalisch umtriebige Volksschulpädagogin Christine Wagner die Initiative ergriffen und gemeint, dass man mit diesem „Buam“ musikalisch etwas machen müsste. In Zirl war damals keine Möglichkeit einer für mich passenden Ausbildung (für Knabenstimmen). So wurde ich nach Telfs verwiesen. Die Mama war anfänglich sehr skeptisch und hat sich nicht viel Erfolgt erhofft. Schließlich hat sie sich doch entschlossen, mich in Telfs anzumelden, wo ich meinen ersten Gesangsunterricht bei Johannes Stecher, dem damaligen Musikschuldirektor in Telfs und Leiter der Wiltener Sängerknaben, bekommen habe. Anschließend wurde ich sehr schnell von Prof. Stecher in den Knabenchor aufgenommen. Eigentlich war ich ja mit 12 Jahren schon „sehr alt“ für die Wiltener. Üblicherweise kommen die Buben so mit sechs/sieben Jahren zu diesem Chor. Ich habe dann tatsächlich nur ein Jahr mit meiner Altstimme im Knabenchor singen können, weil ich in den Stimmbruch gekommen bin. Da der Wiltener Chor schon seit der Wiedergründung nach dem 2. Weltkrieg Männerstimmen integriert hatte, war es mir aber möglich, weiterhin bei diesem Chor mit meiner ausgeprägten Bassstimme zu singen – in Summe 15 Jahre lang.
Animiert durch meine Gesangsaktivitäten absolvierte ich dann ein Lehramtsstudium für Musikpädagogik am Mozarteum Salzburg/Standort Innsbruck.

Zusätzlich hatte ich auch einige zeitlich begrenzte Engagements wie z. B. beim Ensemble „Vocappella Innsbruck“ (unter der Leitung von Bernhard Sieberer). Dadurch angeregt entschloss ich mich, auch noch am Mozarteum Gesangspädagogik (bei Vera Schoenenberg) zu studieren.
Aktuell bin ich als freier Mitarbeiter bei zwei professionellen Ensembles, nämlich dem „LauschWerk“ (Leitung Prof. Martin Steidler) und der „Zürcher Sing-Akademie“ (Leitung Dirigent Florian Helgath) engagiert. Außerdem war es mir in den letzten Jahren vergönnt, mit namhaften Dirigenten wie Kent Nagano oder Howard Arman sowie bekannten Sängern wie Klaus Mertens zusammenzuarbeiten.

Mathias mit seiner Frau Helene beim Philharmonikerball 2024 in Wien (Foto: privat)

Hörprobe vom Konzert am 27.7.2024 in der Pfarrkirche Inzing
(Bach – Quia fecit mihi magna)

DZ: Nun zum letzten Bereich deines so bunten Lebens. Du hast ja neben Musik- bzw. Gesangs- auch Religionspädagogik studiert und unterrichtest am Meinhardinum in Stams. Wie beurteilst du als junger Pädagoge das Lehrerdasein in einer katholischen Privatschule?

MG: Mit der Schule, das war so nicht geplant – zumindest nicht zu dem Zeitpunkt. Es war im Frühjahr 2020, als ein großes Projekt mit „LauschWerk“ in der Elbphilharmonie in Hamburg anstand (Saint François d’Assise, Oper von Olivier Messiaen). Aufgrund von Corona ist das dann alles ins Wasser gefallen. Mein Plan war damals, zunächst das Studium abzuschließen und dann einmal zu schauen, was im Gesangsbereich so alles möglich wäre. Mich hätte es schon interessiert, in die professionelle Schiene zu gehen, hatte auch schon einmal ein Vorsingen bei der „Zürcher Sing-Akademie“ in Planung, was auch abgesagt wurde. Das hat mich damals ziemlich getroffen, da es ja auch einkommensmäßig ein Problem für mich gab, da ich mich damals hauptsächlich über das Singen finanziert habe.
Da kam gerade rechtzeitig die Anfrage vom Fachinspektor für Religion, ob ich 12 Stunden am Meinhardinum in Stams übernehmen könnte. Das war für mich in der vorher beschriebenen Situation als ausgebildeter Religionslehrer natürlich ein sehr verlockendes Angebot, zumal das Meinhardinum ja eine katholische Privatschule ist. Es war auch nicht klar, wie das mit Corona weitergehen würde, wie schnell ich wieder zum Singen kommen würde. Ich hatte zwar kleinere Projekte, etwa diverse Aufführungen mit der „Capella Claudiana“ bei den Jesuiten. In dieser Situation habe ich im Herbst 2020 das Unterrichtsangebot in Stams angenommen.
Zum Thema Lehrberuf an einem Tiroler Gymnasium würde ich meinen, dass es halt auch diesbezüglich Sonne und Regen gibt. Mein Lehrerbild hat sich vor zwei Jahren, als ich Klassenvorstand wurde, noch einmal stark gewandelt. Ich habe gemerkt, dass man als KV viel tiefergehende Beziehungsarbeit leisten muss. Man lernt die Leute ganz anders kennen und ist viel mehr mit ihren Problemen konfrontiert. Ich versuche natürlich, die SchülerInnen zu unterstützen, merke aber auch, dass man an Grenzen kommt. Besonders dann, wenn andere Klassenmitglieder sich benachteiligt fühlen, wenn man sich für einzelne besonders einsetzt. Das hat auch mein Menschenbild etwas erschüttert, da ich immer ein Gemeinschaftsmensch war, dann aber feststellen musste, dass es nicht selbstverständlich ist, diese Gemeinschaft zu leben. Da stehe ich dann vor Herausforderungen, deren befriedigende Bewältigung noch einige Zeit dauern wird.
Positiv möchte ich aber anmerken, dass mir meine breite Ausbildung eine gewisse Leichtigkeit im pädagogischen Kontext verleiht.
Die doch intensive praktische Musikarbeit mit Chören und Orchestern gibt mir, glaube ich, auch im Unterricht eine viel stärkere Überzeugungskraft. Und die Tatsache, dass ich von einer Woche auf die andere aus dem Lehrberuf aussteigen könnte, nimmt einigen Druck von mir. Alles in allem empfinde ich die Lehrtätigkeit aber als sehr erfüllend und sie macht mir Freude. Allerdings möchte ich nicht verheimlichen, dass momentan das Musizieren, sprich Singen etwas zu kurz kommt. Da muss ich schon noch ein bisschen einen Ausgleich finden. Meine volle Lehrverpflichtung an der Schule (Musik und Religion) ist doch sehr zeitintensiv. Ich möchte dies allerdings einmal eine Zeitlang so beibehalten, unter anderem auch deshalb, da ja aktuell ein großer Mangel an Lehrkräften sowohl in Religion als auch in Musik herrscht und händeringend Nachwuchs gesucht wird.

DZ: Meine letzte Frage zu deinem bewegten Leben: Wie bringst du all deine Aktivitäten unter einen Hut, ohne sie in belastenden Stress ausarten zu lassen?

MG: Ich gebe zu, dass ich nicht übermäßig viel Freizeit habe. Im Übrigen absolviere ich gerade noch eine Ausbildung zum Glockensachverständigen und sollte diese Funktion dann bei der Diözese als Referent übernehmen. Aber wie schon gesagt, die verschiedenen Aktivitäten machen mir Freude und sind sehr erfüllend, was den Alltagsstress dann doch ziemlich relativiert.

DZ: Vielen Dank, Mathias, für das Interview! Ich wünsche dir im Namen der DZ-Redaktion alles Gute für dein interessantes, buntes Leben.

Portrait / Mathias Gastl
Mathias ist Jahrgang 1988, wuchs in Inzing auf und besuchte dort auch die Volks- und Hauptschule. Anschließend wechselte er an das musische BORG-Fallmerayerstraße Innsbruck und absolvierte seinen Präsenzdienst bei der Militärmusik Vorarlberg. Die darauffolgenden Studien für Musik-, Gesangs- und Religionspädagogik an den Universitäten Innsbruck und Mozarteum Salzburg (Department Innsbruck) waren eine logische Konsequenz aus seinem musikalischen und pfarrlichen Engagement. So war Mathias von 2000 bis 2015 Mitglied bei den Wiltener Sängerknaben und von 2002 bis 2022 bei der Musikkapelle Inzing. Außerdem engagiert er sich seit 2007 im Pfarrkirchenrat.
Heute ist Mathias Gastl als Lehrer für Religion und Musik am Stiftsgymnasium Meinhardinum Stams und an der HLWest in Innsbruck tätig. Weiters ist er regelmäßig als Solist (v.a. bei Gottesdiensten und Konzerten) und Ensemblemitglied der professionellen Chöre Zürcher Singakademie und LauschWerk und semiprofessioneller Ensembles wie Capella Claudiana, Capella Wiltinensis oder Vocappella Innsbruck zu hören. Als Obmann des PKR ist Mathias Gastl federführend an der Renovierung der Pfarrkirche beteiligt.

Foto: privat
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Luis Strasser

Als begeisterter Leser der Printausgabe der DZ hat sich Luis – zusammen mit einem kleinen Team – nach der drohenden Einstellung der Druckversion 2019 dafür eingesetzt, die DZ in irgendeiner Form zu erhalten. Das Resultat ist der nun vorliegende Blog, an dem als Redaktionsmitglied und Autor mitzuarbeiten ihm viel Freude bereitet. Seine Schwerpunktthemen: Politik, Bildung, gesellschaftlicher Wandel, Zeitgeschichte…

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