DZ=Dorfzeitung/Luis Strasser // CW=Clemens Walch
DZ: Vielen Dank, lieber Clemens, für die Bereitschaft zu diesem Interview!
Ich erinnere mich sehr gut an den kleinen Clemi, der schon in den FB-Kinder- und Schülermannschaften der SU Inzing ob seines offensichtlich großen Talents in aller Munde war. Wie blickst du heute auf die Anfänge deines Fußballerlebens zurück?
CW: Eine gute Frage, die ich mir schon öfter selbst gestellt habe („Wie bin ich eigentlich zum FB gekommen?“). Ich erinnere mich daran, dass unser Nachbar „Wonni“ (Bernhard Wanner, der als Trainer bei der SU Inzing/FB gearbeitet hat) mich und meine Schwester zusammen mit seinen Buben zum Training mitgenommen hat. Sehr schnell kam dann die Begeisterung für diesen Sport. Wir waren jede freie Minute am Fußballplatz.
DZ: Welche Ereignisse/Momente/Erfolge in deiner SU-Inzing-Zeit vor der Profikarriere sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
CW: Ich wurde schnell von den Inzinger Trainern besonders gefordert. Ich war als Mitglied der U-12-Mannschaft bei der sogenannten Ajax-Gruppe, wobei Trainer Wanner entsprechend der „Ajax-Schule“ besonders das Techniktraining forciert hat. Als wir dann sogar Meister wurden, haben wir uns vor Freude die Haare sehr auffällig gefärbt. Meine waren blau.
Ich erinnere mich daran, dass unsere Mannschaft wirklich gut war, mit vielen tollen Spielern, die auch später noch richtig gut und erfolgreich Fußball gespielt haben.
Ich habe dann in zwei unterschiedlichen Mannschaften gespielt: In der U-12 bei Trainer Alois Zimmermann und in der U-14. Damit war ich am Samstag und auch am Sonntag regelmäßig am Fußballplatz.
DZ: Wann hast du begonnen, mit einer Profikarriere zu spekulieren?
CW: Ich erinnere mich an einen Steckbrief in der Volksschule, wo ich draufgeschrieben habe, dass ich Fußballprofi werden möchte. Richtig spekuliert habe ich dann damit eigentlich nicht, bin eher so reingerutscht – von Stufe zu Stufe. Angefangen hat es mit einer Entscheidung, die die Eltern zusammen mit den Trainern getroffen haben. Sie haben gemeint, ich solle nach Innsbruck ins Bundesnachwuchszentrum / BNZ (U-15 bis U-19) gehen. Relativ bald wurde ich ins österreichische Team berufen und spielte in der U-17 EM-Qualifikation. Anschließend hatte ich fünf Angebote von Vereinen auf dem Tisch.
DZ: Wie schwierig und auch erfüllend war der Umstieg vom Hobby- zum Berufsfußballer?

CW: Aus dem BNZ Tirol kommend habe ich mich entschlossen, nach Salzburg zu den Red Bull Juniors als meiner ersten Profistation zu gehen. Meine Schwester Sarah ist auch nach Salzburg gezogen, um dort zu studieren. Am Anfang war’s doch recht schwierig, ich hatte Heimweh – aber GsD war meine Schwester dabei. Andererseits war ich glücklich, meinen Traum vom Profifußballer verwirklicht zu sehen. Ich habe dann relativ schnell Anschluss gefunden, da ich noch zur Schule ging. Bis heute habe ich Kontakt dorthin, bin mit einem ehemaligen Mitspieler immer noch befreundet.
DZ: Ein Beweis für deine internationale Bekanntheit ist der Eintrag auf Wikipedia.
Dort werden folgende Stationen deines Profilebens aufgelistet: BNZ Tirol (Junioren), Red Bull Juniors¸ VfB Stuttgart, 1. FC Kaiserslautern, Dynamo Dresden, SV Ried, WSG Wattens/WSG;
Ausklang der Fußballkarriere: SPG Silz/Mötz, SU Inzing
Das ist ein bunter Reigen von Aktionsfeldern. Wie kam es zu dieser Vielfalt an Engagements und wie hast du das sich häufig verändernde private Umfeld empfunden?
CW: Das ist die Kehrseite der Medaille eines FB-Profilebens. Man bekommt ein besseres oder attraktiveres Angebot, lässt die Freunde und das liebgewonnene Umfeld zurück. Trotzdem habe ich bei jeder Station sehr viele positive Erlebnisse mitnehmen können. Einmal bin ich sogar sechs Jahre bei einem Verein geblieben, was für einen Profi-FB eine recht lange Zeit und eigentlich untypisch ist. Das war bei SV Ried. Ich hätte sogar zwischendurch ein besseres Angebot von einem anderen Verein wahrnehmen können, bin aber bei Ried geblieben, da ich mich dort sehr wohlgefühlt habe. Und das besondere Glück dieser Entscheidung war die Tatsache, dass ich sonst meine heutige Frau Johanna nicht kennengelernt hätte.

DZ: Wie haben sich für dich die steigende Bekanntheit und die damit einhergehende öffentliche Popularität (Medien, Fans…) angefühlt?
CW: Da muss man der Typ dafür sein. Wer mich kennt, weiß, dass ich es nicht so gern mag, in der Öffentlichkeit zu stehen. Insofern war auch Deutschland nicht unbedingt das richtige Umfeld für mich.
DZ: Es ist bekannt, dass du immer wieder mit langwierigen Verletzungen zu kämpfen hattest – u.a. konntest du deshalb auch nicht an der FIFA U-20-Fußball-Weltmeisterschaft 2007 in Kanada teilnehmen. Wie bist du damit umgegangen?
CW: Nicht an der U-20-FB-Weltmeisterschaft teilnehmen zu können, war wirklich schwer für mich, da ich ja vorher schon ein Jahr mit der Mannschaft trainiert und gespielt hatte. Viele der beteiligten Spieler sind dann als österreichische Nationalspieler sehr bekannt geworden (Sebastian Prödl, Zlatko Januzović, Martin Harnik, Erwin Hoffer, Rubin Okotie…).
Aber zu den Verletzungen: Die gehören leider zu mir dazu. Ich hatte immer wieder zu sehr ungünstigen Zeitpunkten damit zu kämpfen. Das war natürlich oft deprimierend. Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen und habe immer versucht, baldmöglichst auf den Platz zurückzukommen. Am Anfang meiner Profikarriere handelte es sich oft um Entzündungen, später waren es immer wieder Muskelverletzungen. Ich erinnere mich an eine Saison in Ried, als ich vier oder fünf Muskelfaserrisse hatte. Für diese Anfälligkeit wird es multiple Gründe geben, einer mag sein, dass ich ein sehr schnellkräftiger Spieler war.
DZ: Was waren für dich die größten Erfolge als Fußballer?
CW: Besonders einschneidende Erlebnisse waren das erste Spiel in der deutschen Bundesliga – mit dem VfB Stuttgart in Frankfurt (September 2009) vor einer sehr beeindruckenden Kulisse, dann auch mein erstes Spiel mit dem 1. FC Kaiserslautern (August 2010) gegen den FC Bayern (die Lauterer waren gerade aufgestiegen und das Stadium war zum Bersten voll).
Aufstiegsszenarien haben sich immer als große Erfolge angefühlt, z. B. mit den Amateuren oder WSG Wattens.
Auch persönliche individuelle Erfolge bleiben in Erinnerung, z. B. wichtige erzielte Tore. Das schönste Tor, das ich geschossen habe, war in Stuttgart bei den Amateuren. Nach einem Einwurf von der Seite konnte ich mehrere Spieler und den Tormann austricksen und den Treffer erzielen.

DZ: Und was waren die größten Enttäuschungen?
CW: Sicher die zahlreichen Verletzungen, die dazu geführt haben, dass ich in Deutschland nicht den großen Durchbruch geschafft habe. Auch der Abstieg mit dem SV Ried zählt dazu.
DZ: Du bist 2018 nach Tirol zurückgekehrt. Welche beruflichen Perspektiven hast du dir für die Zeit nach dem Profifußball erarbeitet und in welchem Bereich bist du nun tätig?
CW: Nachdem mein Körper nach einer weiteren Verletzung den hohen physischen Ansprüchen nicht mehr gewachsen war, habe ich mich umorientiert und bei der Fa. BE-terna [Business Environment/Enterprise: ein europäischer Anbieter von Unternehmenssoftware und IT-Dienstleistungen] ein Praktikum in Innsbruck absolviert. Dort bin ich nun seit Jahren als Solution Consultant in der IT-Branche tätig.
DZ: Du lebst jetzt wieder – zusammen mit deiner Frau Johanna – in Inzing. Wie war die Rückkehr aus der inter/nationalen, sehr geschäftigen Fußballszene in den kleinen Kosmos deines Heimatdorfes Inzing?
CW: Ich wollte immer schon zurück nach Inzing. Habe mich sehr darauf gefreut. Und nachdem meine aus Oberösterreich stammende Frau mit der Übersiedlung nach Tirol auch einverstanden war, konnte ich mein Vorhaben realisieren.
DZ: Wie wurdest du nach deiner Rückkehr nach Inzing von der heimischen FB-Mannschaft, für die du nun wieder seit 2023 aktiv bist, aufgenommen?
CW: Wir waren ein ganz kleiner Kreis, als ich hier in Inzing wieder angefangen habe, im Verein Fußball zu spielen. Und ich wurde sehr gut aufgenommen. Die Geschichte dahinter ist folgende: Ich hatte meine FB-Karriere eigentlich beendet gehabt, wollte nicht mehr spielen. Mein Pate, Philip Heel, ist dann in Inzing Obmann geworden und hat mich gebeten, mich wieder aktiv zu betätigen. Ausgemacht war, dass ich ab und zu spiele. Da sehr wenig Spieler zur Verfügung standen, habe ich dann praktisch jedes Match gespielt. Es war für mich ein guter Ausgleich zur täglichen Büroarbeit im Job. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mannschaft war sehr schön. Wenn man so lange aktiv war, vermisst man dann solche Dinge. Ich hatte nie das Gefühl, mit Amateuren zu spielen. Im Gegenteil, mit drei Cousins zusammenzuspielen, habe ich als etwas Besonderes empfunden.
DZ: Kannst du bitte zum Schluss talentierten Jugendlichen ein paar Tipps geben, worauf sie beim Wechsel von der Amateur- zur Profikarriere achten müssten, um nicht Schiffbruch zu erleiden?
CW: Man darf nie aus den Augen verlieren, warum man Fußball spielt. Weil es eben die schönste Nebensache der Welt ist, man es einfach richtig gern macht. Im harten Profigeschäft verliert man das oft aus den Augen – dass es das ist, was man immer schon unbedingt machen wollte. Also man sollte jeden Moment genießen, denn die Profikarriere dauert im Allgemeinen nicht sehr lange – 10 bis 15 Jahre vielleicht. Ganz wichtig ist auch, dass man sich ein zweites Standbein aufbaut (Studium, Berufsausbildung…).
DZ: Gibt es aktuell in Inzing besondere Talente?
CW: Ich bin derzeit als Co-Trainer bei der U-13-Mannschaft tätig. Es gibt einige sehr talentierte Spieler – bezogen auf den gesamten Nachwuchs. Bei einem jungen Spieler, würde ich sagen, besteht die Hoffnung, dass er die Chance bekommt, in nächster Zeit ins Profigeschäft hineinschnuppern zu können.
DZ: Vielen Dank, lieber Clemens, für die Einblicke in dein interessantes Leben. Wir wünschen dir und deiner Frau Johanna alles Gute für die Zukunft!
PORTRÄT von Clemens Walch

Geboren am 10.07.1987 in Rum
Familienstand: verheiratet
Ausbildung
1993-1998: Volksschule Inzing
1998-2002: Hauptschule Inzing
2002-2006: Bundesrealgymnasium Innsbruck (Schwerpunkt: Leistungssport)
2006-2007: Sport- und Musik Realgymnasium Salzburg (Schwerpunkt: Leistungssport)
Abschluss: Matura
Grundwehrdienst
01/2008: Grundausbildung Salzburg
02-10/2008: Heeressportzentrum Salzburg
Beruflicher Werdegang
07-08/2003: Praktikum: Fröschl AG & Co.KG.
2006-2008: Fußballprofi bei Red Bull Salzburg
2008-2010: Fußballprofi bei VfB Stuttgart
2010-2012: Fußballprofi beim 1.FC Kaiserslautern
2012: Fußballprofi bei Dynamo Dresden
2012-2018: Fußballprofi bei SV Ried
2018-2020: Fußballprofi bei WSG Wattens
Seit 2020: Solution Consultant bei BE-terna