Kurze Migrationsgeschichte der Familie Yegikyan – Hagopyan
Die Familie ist in Inzing weithin bekannt – aus Gründen, die später noch zur Sprache kommen werden. Manuk kam 2013 und – im Rahmen der Familienzusammenführung – Varduhi mit den Kindern Yeghya, Erik und Sargis ein Jahr später (2014) von Armenien nach Österreich. Zunächst wurden sie in österreichischen Flüchtlingslagern untergebracht (zum Schluss in Zirl) und landeten 2015 schließlich in unserem Dorf, wo ihnen der damalige, sehr weltoffene und mitfühlende Pfarrer Andreas Tausch im Widum Unterkunft gewährte.
Sie mussten jahrelang auf die Anerkennung als Flüchtlinge warten, bis sie schließlich 2021/2022 den positiven Bescheid erhielten. Schon in dieser Zeit fielen Varduhi und Manuk dadurch auf, dass sie – unterstützt durch die Mitglieder des FKFI (Freundeskreis für Integration in Inzing) – umgehend die für sie möglichen Beschäftigungsangebote (3 Euro-Jobs) annahmen und auch begannen, sich tatkräftig am Dorfleben zu beteiligen, indem sie sich bei Festen und Veranstaltungen als freiwillige Arbeitskräfte zur Verfügung stellten (Kochen/Grillen, Ausschank bzw. Reinigungs- und Aufräumarbeiten etc.) und auch schnell am Vereinsleben des Dorfes aktiv teilnahmen (Freiwillige Feuerwehr, Fußballklub, Tanzverein etc.).
Inzwischen haben alle – außer Sargis, der noch zur Schule geht – Ausbildungen absolviert und gute Jobs angenommen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Geschichte der armenischen Familie ein äußerst positives Beispiel gelungener Integration darstellt, wozu sowohl die Ankommenden als auch die etablierten GemeindebewohnerInnen entscheidend beigetragen haben. Beide Gruppen sind diesbezüglich gefordert, was zum Gelingen der Eingliederung von Zuwanderern in eingesessene Gemeinschaften unbedingt notwendig ist.
ccc
Übernahme des Restaurantbetriebes beim Reiterzentrum in Aldrans

Nach vielen Jahren der Ausbildung und des Sammelns von Berufserfahrung hat sich nun Varduhi einen lang ersehnten Wunsch erfüllt. Zusammen mit ihrer Schwiegertochter Magdalina Markovic (und tatkräftiger Unterstützung ihrer Familie) hat sie den Gastronomiebetrieb im Aldranser Reitsportzentrum übernommen. Das Lokal wurde am 6.9.2025 mit dem neuen Namen „Zum Goldenen Reiterblick“ wiedereröffnet.


Auf der Homepage (https://reiterblick.at) findet sich dazu ein schöner Willkommenstext:
Hinter Zum Goldenen Reiterblick stehen wir – Schwiegermutter und Schwiegertochter – mit ganzem Herzen und vollem Einsatz. Während in der Küche mit Erfahrung, Kreativität und viel Liebe gekocht wird, sorgt der Service für eine Atmosphäre, in der man sich vom ersten Moment an willkommen fühlt. Gemeinsam führen wir das Restaurant – mit Leidenschaft, Klarheit und Freude an der Begegnung.
Was uns wichtig ist: Offenheit, Herzlichkeit, ehrliche Gastfreundschaft, hohe Qualität und ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln. Nachhaltigkeit ist für uns kein Trend, sondern Selbstverständlichkeit – in der Auswahl unserer Zutaten genauso wie im täglichen Miteinander.
Wir sind überzeugt: Ein gutes Restaurant lebt nicht nur vom Essen, sondern vor allem von den Menschen dahinter – und von jenen, die es mit Leben füllen. Schön, dass Sie da sind.

Die Betriebsleiterinnen Varduhi Hagopyan / Magdalina Markovic (Foto: Zum Goldenen Reiterblick GmbH)
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Interview mit Varduhi
(1) Wie schwer war es für dich und deine Familie, nach der Flucht aus Armenien in Österreich Fuß zu fassen?
Es war sehr schwierig, aber ich war immer positiv gestimmt. Ich habe viele gute Leute kennengelernt und mir immer neue Ziele gesteckt. Insgesamt war es einfach sehr belastend, nachdem wir sieben Jahre auf einen positiven Asylbescheid warten mussten.
Aber in Inzing haben wir viele Menschen kennengelernt – v.a. durch den Freundeskreis für Integration / FKFI -, die uns sehr unterstützt haben. Ich könnte jetzt viele Namen nennen, aber ich möchte niemanden vergessen. Ich bin bis an mein Lebensende dankbar für die tolle Hilfsbereitschaft von so vielen netten Menschen in Inzing. Wir haben hier eine neue Heimat gefunden.
(2) Deine Familie ist in ganz Inzing bekannt und gilt als Beispiel besonders gut gelungener Integration. Siehst du das auch so?
Ja – schon, auf jeden Fall. Wie schon gesagt, wir haben so viel Unterstützung bekommen und haben uns daher auch immer sehr bemüht, freundlich und hilfsbereit zu sein. Ich bin jeden Tag dankbar, dass wir genau hierhergekommen sind, wo wir so viele positiv gestimmte Menschen getroffen haben.
(3) Das „Geheimnis“ dieses Erfolges war eure Bereitschaft, schnell die Sprache zu lernen, Ausbildungen zu absolvieren und am Arbeitsmarkt aktiv zu werden. Darüber hinaus leistet ihr bei Festen / div. Veranstaltungen im Dorf immer wieder wertvolle Freiwilligenarbeit.
Damit habt ihr den Gegenbeweis zur weit verbreiteten, undifferenzierten Meinung, wonach die meisten ImmigrantInnen nur das Sozialsystem ausnützen würden, eindrucksvoll erbracht.
Wie war nun konkret dein beruflicher Werdegang, der dich schließlich zur Chefin im Restaurant „Zum Goldenen Reiterblick“ hat werden lassen?
Es war mir von Anfang an klar, dass ich die Sprache lernen muss, wenn wir dableiben wollen bzw. können. Zunächst wurde ich von Mitgliedern des FKFI und anderen wohlgesinnten Menschen in Inzing unterstützt. Schnell haben Manuk und ich Sprachausbildungen nach dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen – GeR“ bis inklusive B2 gemacht.
Wir haben auch relativ schnell angefangen zu arbeiten, was damals für uns zunächst nur eingeschränkt möglich war (sog. „ 3 Euro-Jobs“).
Auf Anraten von lieben Freunden aus dem FKFI in Inzing habe ich dort einen Kochkurs gemacht, was mich im doppelten Sinn auf den Geschmack gebracht hat, mich beruflich in diese Richtung zu orientieren.
Als ich 2021 dann den positiven Asylbescheid bekommen habe, habe ich unmittelbar darauf begonnen, eine Lehrausbildung als Köchin bei der WKO zu machen und auch abgeschlossen. Gleichzeitig habe ich schon im Hotel „WEISSES RÖSSL“ in Innsbruck gearbeitet. Die geforderte Kombination von Ausbildung und Praxis war damit erfüllt. Der gesamte Prozess hat zwei Jahre gedauert. Schließlich hab‘ ich dann noch zwei Jahre als Köchin im „Leopoldinum“ in Hall gearbeitet. Die letzten Monate habe ich intensiv nach einer Möglichkeit gesucht, mich selbständig zu machen, wobei mich mein Sohn Yeghya und meine Schwiegertochter Magdalina ganz toll unterstützt haben.
(4) Du führst nun dieses Restaurant seit einigen Wochen zusammen mit deiner jungen Schwiegertochter und mit Unterstützung deines Mannes Manuk und deiner Söhne (insbesondere des Ältesten Yeghya). Wie ist der Betrieb angelaufen und wie zufrieden seid ihr mit dem Besuch?

Nicht schlecht. Inzwischen haben wir auch schon Stammkunden, die regelmäßig kommen – so zwei-, dreimal in der Woche. Man muss ja bedenken, dass das Restaurant zwei Jahre zugesperrt war. Bis es dann wieder so richtig anläuft, dauert es natürlich ein bisschen. Wir sind gerade dabei, einen kleinen Film zu produzieren, der in den Sozialen Medien (Snapchat, Instagram …) veröffentlicht werden soll. Wir hoffen also, mit verschieden Werbeaktionen die Besucherzahlen noch zu steigern.
(5) Euer Arbeitsaufwand ist enorm: Jeden Tag außer Montag seid ihr – meist bis spät am Abend – im Lokal. Das ist sicherlich physisch sehr fordernd. Wie gehst du damit um und plant ihr eine Aufstockung des Personals?
Ich bin den ganzen Tag im Lokal, meine Schwiegertochter auch. Ich bin sehr glücklich, das geschafft zu haben. Aber natürlich brauchen wir in Zukunft zusätzliches Personal. Wir suchen aktuell eine Küchenhilfe. Für den Service haben wir schon jemand in Aussicht.
(6) Was sind eure weiteren Pläne für die Zukunft bezüglich des Restaurantbetriebes?
Die Führung so eines Betriebes ist nicht einfach. Am wichtigsten ist, dass die Gäste zufrieden sind. Dann kommen sie wieder. Da die Nachfrage nach armenischem Essen überraschenderweise so gut angelaufen ist, denken wir daran, das noch ein bisschen auszubauen. Dieses Angebot ist in Tirol einmalig. Aber natürlich wird die lokale Küche weiterhin markant bestehen bleiben.

(7) Welche Wünsche/Fragen hast du, die du allgemein an die (Gemeinde)Politik bzw. die Gesellschaft / die Menschen in Inzing richten möchtest?
Ich möchte vorrausschicken, dass wir sehr sehr dankbar sind. Nicht nur viele BewohnerInnen, sondern auch die Vertreter der Gemeinde waren immer sehr freundlich und hilfsbereit. Wir wünschen uns, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Ein ganz dringender Wunsch betrifft unsere Wohnung: Da wir mit Ende des Jahres aus der aktuellen ausziehen müssen, suchen wir intensiv nach einer Alternative (Wohnung oder altes Haus…). Wir möchten unbedingt in Inzing bleiben, weil wir uns dort, wie schon gesagt, richtig zuhause fühlen. Für Hinweise aus der Bevölkerung oder vonseiten der Gemeind wären wir sehr, sehr dankbar.
Eine andere Idee ist, die armenische Kultur bekannt zu machen. Dafür möchten wir „Armenische Abende“ im Restaurant anbieten, um der heimischen Bevölkerung unsere Herkunftskultur näherzubringen.
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Gespräch mit Michael Schwemberger, dem Leiter des Pferdesportzentrums Aldrans
In einem Gespräch hat mir Michael Schwemberger die Startphase der Übernahme des Gastbetriebes im Reiterzentrum durch die armenische Familie als etwas schwierig beschrieben, da eine neue Riesenaufgabe auf die beiden Frauen und deren familiäre Unterstützer zukam. Umso überraschter zeigte er sich, wie gut sich das Team inzwischen auf die Betriebsführung eingestellt habe.
Folgende Vorzüge hat Michael als besonders schätzenswert eingestuft:
– Es ist ein Familienbetrieb (mit einem starken Zusammenhalt)
– Varduhi konnte exzellente Berufserfahrungen als Köchin vorweisen: Nach der Berufsausbildung hat sie als Köchin im Hotel „WEISSES RÖSSL“ in Innsbruck und als Chefköchin im Schüler- und Lehrlingsheim „Leopoldinum“ in Hall gearbeitet.
– Es wird durchgehend warme Küche angeboten.
– Die Basis für die Gerichte bilden regionale Produkte.
– Neben Tiroler Spezialitäten werden auch armenische Speisen serviert.
– Es gibt ein spezielles Menüangebot für die Arbeiter bzw. ReiterInnen im Sportzentrum.
– Die Speisekarte wird regelmäßig aktualisiert.
Fotos (wenn nicht anders angegebn): Luis Strasser