28. März 2024
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Interview mit Anna Greil – Gründerin der Kleidertauschbörse “uptraded”

Homepage / “uptraded”
Lesedauer ca. 5 Minuten

Vielen Dank, liebe Anna, für die Bereitschaft zu diesem Interview mit der DZ Inzing! Als Gründerin des Startups “uptraded” bist du in letzter Zeit oft in diversen Medien aufgetreten, um eure Kleidertauschinitiative zu promoten. In unserem Gespräch geht es nicht so sehr um das Startup als solches, sondern um dich als Person und deinen Zugang zur Thematik “Verträglichkeit von Mode und Umweltbewusstsein”.
Die Funktionsweise eures Projekts einer als Kreislaufwirtschaft konzipierten Modeindustrie kann man beispielsweise in inzinginformiert (Nr. 21, Juni 2022, S. 20/21) oder auf der Homepage https://uptraded.com nachlesen.

Homepage / “uptraded”

DZ: Wie kam die Idee auf, sich mit der Gründung einer Kleidertauschplattform zu beschäftigen, wobei die Verträglichkeit von Mode mit ökologischen Überlegungen einen besonders zu beachtenden Aspekt bilden sollte (und das unter dem Gesichtspunkt, dass die Textilindustrie zu den umweltschädlichsten Produktionszweigen gehört)?

AG: Das unglaublich große und komplexe Problem der Modeindustrie hat mich inspiriert, mich selbstständig zu machen. Ich war selbst Teil des Problems und wollte eine Lösung für mich und alle anderen Fashionistas finden. Zum einen, um den individuellen Zwiespalt (Unvereinbarkeit von modischer Vielfalt, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit) zu lösen, aber zugleich das globale Problem der Modeindustrie anzugehen. Die Idee zu uptraded hatte mein damaliger Mitgründer, Bruno Huber, der im Auslandssemester in Portugal an der Modeindustrie (die übrigens der zweitgrößte Umweltverschmutzer ist) geforscht hat. In dem Wissen, dass mich dieses Thema begeistert, holte er mich dazu und wir begannen im Jänner 2020 an der Unternehmung zu arbeiten.

DZ: Mit dem Startup “uptraded” wollt ihr ja (auch) besonders junge Menschen ansprechen. Welche Rolle spielt für dich persönlich “Mode” und wie kompatibel ist dieser Zugang mit einer Kleidertauschbörse?

AG: Vermutlich keine Überraschung: Mode spielt eine extrem große Rolle in meinem Leben. Es war für mich schon immer das beste Medium, mich auszudrücken, meine Persönlichkeit zu entdecken, oder darüber neue Kontakte zu schaffen. Ich bin aber auch Teil einer Generation, die im Zwiespalt steht zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Umwelt. Eine Generation, die alles hinterfragt und wo die Leichtigkeit des Jungseins, Spaß an Mode und individuellem Ausdruck stets verdrängt werden von Klima-Angst und schlechtem Gewissen. Uptraded – aber auch andere kreislauffähige Ansätze – ist mit diesem inneren Zwiespalt vereinbar – Spaß an Mode, ohne schlechtes Gewissen.

DZ: Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich heutzutage viele junge Menschen Sorgen um die Erhaltung der Umwelt machen. Würdest du diese Einschätzung teilen oder denken, dass es sich dabei um eine Minderheit handelt.

AG: Nein, es ist definitiv keine Minderheit mehr. In der bisher größten Studie zum Thema „Klimaangst“ gaben 59% der Befragten (16-25-Jährige) an, extrem besorgt über den Klimawandel zu sein. Lediglich 5% sind nicht besorgt. Es ist also nicht nur ein Gefühl, dass es jungen Erwachsenen so geht, sondern sogar statistisch bestätigt. Mich persönlich wundert dies auch nicht, da wir mitten in der Krise stecken, vor allem unsere Generation davon betroffen sein wird und wir uns hin und wieder einfach machtlos fühlen.

DZ: Was hat dich persönlich veranlasst, den Umweltgedanken in deine beruflichen Aktivitäten derart stark zu integrieren? War zuerst das Interesse an modischer Kleidung ausschlaggebend oder der Anspruch, etwas gegen den Klimawandel zu tun?

AG: Für mich war definitiv der positive Nutzen für die Umwelt und die Gesellschaft ausschlaggebend. In meiner Welt bzw. in meinem Kopf würde es keinen Sinn ergeben, jetzt (unter den aktuellen Umständen) nicht an einer Lösung für die Klimakrise oder an allen anderen gesellschaftlichen Problemen zu arbeiten. Mit Fast Fashion und Plattformen, die täglich achttausend neue Produkte zu minimalen Preisen in den Onlineshop bringen, bewegen wir uns auch aufgrund steigender Energiepreise immer mehr in eine Richtung,
…wo es günstiger wird, neue Kleider zu kaufen, als alte zu waschen.

Für mich ist das absolut verrückt. Darum musste ich etwas tun.

DZ: Wie schaut heute dein Alltag aus? Verbringst du nach wie vor viel Zeit in deinem Heimatdorf Inzing oder bist du berufsbedingt viel unterwegs?

AG: Die meiste Zeit verbringe ich nach wie vor in Inzing, im Mühltal – dem Weiler, in dem ich aufgewachsen bin. Hier arbeite ich täglich in meinem „Home Office“ an den verschiedensten Businessthemen: von der Finanzierung, über das Marketing bis hin zu Personal-Themen.
Auf unserem Balkon, bei dem Rauschen des Enterbachs, kommen mir auch immer noch die besten Ideen – mitten in der Natur an uptraded zu arbeiten ist ein unglaubliches Privileg, eine große Inspirationsquelle und in uptraded-Sprache einfach der perfekte „Fit“. Hin und wieder bin ich für ein paar Wochen beruflich unterwegs, meist in Wien oder Berlin, da dort die „Nachhaltige-Mode-Community“ einfach viel größer ist. Mein langfristiger Plan wäre aber definitiv, in Inzing zu bleiben – insofern es die Möglichkeit gibt, mein berufliches und persönliches Leben auch an diesen Standort zusammenzubringen.

Das Team von “uptraded”: Tobias Laufersweiler, Michael Mösl, Thomas Moser, Anna Greil (von links nach rechts, Foto:  Thomas Van Kristen)

DZ: Gab es Vorbilder für euer Startup – vielleicht sogar entsprechende Initiativen in Inzing, wo sich private Kleidertauschangebote durchaus als Geheimtipp etabliert haben?

AG: Mein größtes Vorbild zu Beginn war „die Kleiderei“, ein Offline-Verleih-Laden in Köln und Freiburg. Der Slogan der Firma lautet: „Stil hast du. Kleider leihst du.“ Das war der Moment, an dem ich verstanden habe, dass man Kleidung nicht (dauerhaft) besitzen muss.
Vorbilder im Bereich Startups/Apps/Mode hatte ich keine in Inzing, da ich niemanden kannte, der damit Erfahrung gesammelt hat.

DZ: Welcher Art waren die Reaktionen auf eure Betriebsgründung in unserm Dorf?

AG: Vorwiegend positive Reaktionen. Diese kamen bislang vor allem von der Familie, Freunden und Bekannten aus dem Dorf. Ich würde mich aber sehr freuen, dies zu ändern und uptraded auch für alle anderen Inzingerinnen und Inzinger zur Verfügung zu stellen. Oder: ein Offline-Kleidertauschevent in Inzing zu organisieren.

DZ: Welche Tipps würdest du jungen Menschen geben, sollten diese daran denken, ein ähnliches Unterfangen zu wagen?

AG: Just do it. Meiner Meinung nach kann man nie früh genug mit dem Unternehmertum starten. In meinen jetzigen zweieinhalb Jahren als Startup-Gründerin konnte ich bereits so viel lernen – und kann somit nur „gewinnen“.
Ich finde es aber auch wichtig, dass es „Sinn macht“. Für den Planeten und/oder die Gesellschaft. Wie diese Sinnhaftigkeit dann genau definiert wird, ist jedem und jeder selbst überlassen.

DZ: Wie schauen deine/eure Pläne für die nähere Zukunft in Bezug auf die Tausch-App aus?

AG: Die uptraded-App ist seit dem 06.06 2022 im App Store und Play Store erhältlich. Da mithilfe der ersten NutzerInnen alle Fehler behoben werden konnten, beginnt nun die Vermarktung von uptraded. Ziel ist es, bis Ende des Jahres 50.000 UserInnen zur Community zu zählen. Dafür werden wir zum einen Partnerschaften (mit Unternehmen, Städten, Gemeinden, Vereinen etc.) eingehen, eine erste Finanzierungsrunde machen und das Team vergrößern.

Vielen Dank, liebe Anna, für diese interessanten Einblicke in dein Leben als wagemutige Unternehmerin, die sich dazu noch in beeindruckender Weise der globalen Verantwortung im Zusammenhang mit dem größten Problem unserer Zeit, dem Klimawandel, stellt!
Die Redaktion wünscht dir und deinen “Fashionistas” (Eigenbezeichnung auf der HP von “uptraded”) viel kommerziellen Erfolg und besonders, dass eure Ideen bzgl. der Umweltverträglichkeit des eigenen beruflichen (wie privaten) Handelns noch viele andere junge (und ältere) Menschen inspirieren mögen.

Porträt / Anna Greil

Anna ist 23 Jahre alt und lebt seit Geburt an im Weiler Mühltal in Inzing. Sie hat einen Bachelor in Business und Management und gründete nach ihrem Auslandssemester in Neuseeland das Startup “uptraded”. Sie ist Gründerin und CEO des mehrfach ausgezeichneten Unternehmens und macht im Zuge dessen ihre „Berufung zum Beruf“.

Foto: Thomas Van Kristen

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Luis Strasser

Als begeisterter Leser der Printausgabe der DZ hat sich Luis – zusammen mit einem kleinen Team – nach der drohenden Einstellung der Druckversion 2019 dafür eingesetzt, die DZ in irgendeiner Form zu erhalten. Das Resultat ist der nun vorliegende Blog, an dem als Redaktionsmitglied und Autor mitzuarbeiten ihm viel Freude bereitet. Seine Schwerpunktthemen: Politik, Bildung, gesellschaftlicher Wandel, Zeitgeschichte…

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