21. November 2024
Newsletter   

Romedius Pilgerweg – 180 km von Thaur nach San Romedio / Teil 1

Lesedauer ca. 10 Minuten

Text: Johann Jenewein, Fotos: Irene und Johann Jenewein

Im Jahr 2014 wurde der Romedius Pilgerweg, er führt von Thaur nach San Romedio im Trentino, vorgestellt. Begeistert von dieser Idee, brachen meine Frau Irene und ich im August desselben Jahres zu dieser Pilgerwanderung auf. Auf unserer 2 ½-stündigen Rückfahrt mit dem Euro City von Trient nach Inzing erinnern wir uns an die vergangenen 12 Pilgertage …

1. Etappe: Thaur – Schönberg im Stubai

Einen Tag nach dem Fest Mariä Himmelfahrt, am 16. August 2014 um 7:00 Uhr Früh, standen wir vor der kleinen Kirche des Heiligen Romedius oberhalb der Ortschaft Thaur. Unser Blick schweifte erwartungsvoll in die Ferne. 180 km und 9.600 Höhenmeter, aufgeteilt auf 12 Tagesetappen, lagen vor uns.

Über die Thaurer und Rumer Felder, wo wir ohne Autoverkehr ungehindert dahinzogen, kamen wir nach Innsbruck. Es war früher Samstagvormittag, daher war es auch hier noch auffällig ruhig. Wir überquerten den Inn, der durch den regenreichen Sommer sehr viel Wasser führte. Ganz ohne Straßen- und Verkehrslärm schritten wir entlang der Innpromenade, bis wir bei der Sill­mündung nach Süden schwenkten.

In der Hoffnung auf ein offenes Lokal hatten wir ohne Frühstück unser Haus verlassen. Nach 2 Stunden war uns das Glück endlich hold und wir konnten unseren knurrenden Magen mit knusprigem Gebäck und einer Tasse kräftigem Kaffee besänftigen.

Nach diesem ausgiebigen Frühstück waren wir bereit, unseren Weg fortzusetzen. Bevor wir die Stadt hinter uns ließen, machten wir noch einen kleinen Abstecher in die Stiftskirche Wilten, wo wir zu einem kurzen Gebet für das Gelingen unserer Pilgerwanderung einkehrten. Bereits am Vortag hatten wir unseren Pfarrer Andreas Tausch um den Pilgersegen gebeten. Gestärkt an Geist und Körper sollte einer erfolgreichen Pilgerwanderung nichts mehr im Wege stehen.

Nach wenigen Minuten war der Eingang der Sillschlucht erreicht. Sofort tauchten wir in eine andere Welt, in der das gleichmäßige Rauschen des Flusses die Frequenz des Atems und das Tempo der Schritte bestimmte. Vor Tagen gab es hier Sturm und Hochwasser, deren Spuren noch am Steig sichtbar waren.

Bereits den ganzen Tag war der Himmel trüb und mit Wolken verhangen. Noch bevor wir im Gasthof Stefansbrücke zur Mittagsrast einkehrten, überraschte uns der erste Regenschauer unserer Tour.

Als wir eine Stunde später, gestärkt und mit Gott und der Welt zufrieden, den Gasthof verließen, war die Überraschung groß. Der Regen hatte sich verzogen und die Sonne fand sogar einige Lücken im Wolkendach.

Vorbei am Papstl, ein Steindenkmal, das an die Reise von Papst Pius VI im Jahr 1782 erinnert, führte der Weg durch Wald und über Wiesen streckenweise steil bergauf. Um 15:00 Uhr erreichten wir müde aber glücklich unser erstes Etappenziel – Schönberg im Stubai.

Wir mieteten uns für die erste Nacht im Gasthof Hotel Handl ein. Wir hatten, wie auch für alle weiteren Quartiere, bereits im Voraus gebucht. Das Wissen um einen sicheren und bequemen Schlafplatz, trug für uns ganz wesentlich dazu bei, die langen Tagesetappen gut zu bewältigen.

2. Etappe: Schönberg im Stubai – Trins

Nach dem langen Tagesmarsch gingen wir früh zu Bett, denn wieder sollte ein Tag mit großer Herausforderung kommen.

Wir verließen Schönberg im Stubai und der Weg führte sogleich bergan nach Gleins. Die Serles, der Altar Tirols, ragte majestätisch vor uns auf. Der Panoramablick führte weit in das Stubaital und in die Stubaier Alpen.

Vor uns wanderten seit Gleins vier Personen, so wie wir mit schweren Rucksäcken bepackt. Auf die Frage „wohin der Weg führt“, kam die nicht ganz überraschende Antwort: „nach San Romedio“. Ob auf der Strecke oder in den Unterkünften, immer wieder begegneten wir den vier Wanderern. Die Großeltern Christl und Gerhard stammen aus Innsbruck, die beiden Jungen Bettina und Lukas wohnen in Inzing.

Wir wählten unseren Weg über die landschaftlich einzigartigen Gleinser Mahder. Kurz vor dem Erreichen der Wallfahrtsstätte Maria Waldrast machten wir Halt bei der im Wald versteckten Auffindungskapelle. Schon bald öffnete sich der Blick auf den Wallfahrtsort. Von dem am Wegesrand angebrachten Zitat „Der Weg ist das Ziel“ fühlten wir uns besonders angesprochen, denn für niemanden trifft es wohl mehr zu als für einen Pilger.

In der Kirche hielten wir vor der gotischen Gnadenstatue aus dem 15. Jahrhundert, eine Madonna, die dem Jesuskind einen Apfel reicht, inne. Dieser Ort übt seit Jahrhunderten eine große Anziehungskraft auf Pilger und Wanderer aus.

Bevor wir unseren Weg fortsetzten erfrischten wir uns noch am Brunnen vor der Kirche und füllten unsere Wasserflaschen. Dieser Quelle wird eine besondere Heilkraft zugesprochen.

Vorbei an der Matreier Ochsenalm, wo die Rinder den herrlichen Tag genossen und an zahlreichen Kapellen führte uns der Trinsersteig zum gleichnamigen Dorf. Immer wieder öffnete sich der Blick in das dem Wanderer zu Füßen liegende Wipptal.

Der Rucksack, der 11 kg wog, lag noch schwer auf den Schultern. Ab dem dritten Tag gewöhnten wir uns immer mehr an die Last und nahmen sie nur mehr bei steilen Streckenteilen wahr. In stetigem auf und ab zog sich der Weg lang dahin. Wir erreichten nach 3 ½ Stunden ab Maria Waldrast das Dorfzentrum von Trins und den Gasthof Wienerhof, unserer zweiten Bleibe für die Nacht.

3. Etappe: Trins – Obernberg am Brenner

Der dritte Tag war angebrochen. Nach dem Überqueren des Gschnitzbaches passierten wir die Kapelle zur Heiligen Anna, in die wir kurz einen Blick warfen. Abwechslungsreich führte der Weg über die sanft ansteigenden Trinser Wiesen.

Nach dem Eintritt in den Wald verlief der Weg steil aufwärts. Wie uns später erklärt wurde, handelte es sich um die alte Heuzieherriese. Auf ihr wurde über Jahrhunderte in riskanter Fahrt das Bergheu von den Truna Mahdern ins Tal gebracht. Die hoch gelegenen Wiesen werden von den Trinser Bauern vielfach heute noch gemäht. Der Transport hat sich erleichtert und erfolgt mit Traktor oder Schlepper auf dem gut ausgebauten Zufahrtsweg.

Wir erreichten die Trunahütte in 1723 m Seehöhe und kehrten als erste Gäste dieses Vormittags für eine kurze Rast ein.

Wieder einmal studierten wir das blau-orange Pilgerheft von Pfarrer Martin Ferner und Wanderführer Hans Staud, das uns als Vorlage für die Wanderung auf den Spuren des Heiligen Romedius diente.

Zitat aus dem Pilgerheft: Es ist schön auf dem Weg zu sein. Besonders dann, wenn man einen Pfad wandert, der aus dem Alltag herausführt, hin zu einem Heiligtum. Einem Heiligtum, das vom geheimnisvollen Hauch einer Heiligengestalt umhüllt ist.

Über die Truna Mahder strebten wir zur Truna Alm. Der ebene Talboden ist durch ein Moor geprägt. Weiter zogen wir zum Truna Joch, wo wir auf unserer Tour erstmals die 2000 Meter-Marke überschritten.

Mit diesem Übergang erreichten wir das Gemeindegebiet von Obernberg am Brenner. Trotz Sonnenschein, blies uns ein scharfer Wind entgegen. Von hier konnten wir bereits das Portjoch erblicken, über das sich eine Wolkenwand auftürmte. Dort werden wir am nächsten Tag Südtirol betreten.

Vorerst erfreuten wir uns am herrlich gelegen Lichtsee, dessen Wasser sich im Wind kräuselte. Bei der Hütte verzehrten wir genussvoll unsere mitgebrachte Jause.

Vom Lichtsee führte der Weg nur noch abwärts. Es gab also keine konditionellen Anforderungen mehr. Wir hatten befürchtet, der dritte Tag würde uns Probleme bereiten, jedoch konnten wir mit uns sehr zufrieden sein.

Zitat aus dem Pilgerheft: Wer sich dem Romedius Pilgerweg ganz widmen möchte, sollte sich 12 Tage Zeit nehmen. Die hier vorgestellte Strecke eignet sich für Bergwanderer mit guter körperlicher Verfassung und Kondition. Einzelne Streckenabschnitte verlangen Trittsicherheit, Orientierungsvermögen und Bergerfahrung.

Wir konnten einen ersten Blick auf das Dorfzentrum von Obernberg werfen. Vom Berg kommend erreichten wir bereits um 14:30 Uhr unser Tagesziel – Almi’s Berghotel.

Nach einer ausgiebigen Erfrischung gingen wir auf Entdeckungsreise. Es war noch früher Nachmittag. Unser Blick fiel auf die Pfarrkirche. Das spätbarocke Kleinod ist durch seinen exponierten Platz auf einem Hügel vor dem imposanten Massiv des Tribulaun ein beliebtes Kalendermotiv. Wir statteten der Kirche einen Besuch ab.

4. Etappe: Obernberg am Brenner – St. Anton in Innerpflersch

Der Blick aus dem Hotelfenster um 6:00 Uhr Früh zeigte eine eigenartige Wetterstimmung. Der Gipfel des Tribulaun war in rote Wolken gehüllt.

Nach dem Frühstück wurde bezahlt. Im Brotladele statteten wir uns mit Proviant für die Mittagsrast aus. Auf dieser Etappe gab es keine Einkehrmöglichkeit. Mit langer Wanderhose und Jacke bekleidet marschierten wir los.

Über die Obereins-Alm erreichten wir den idyllisch gelegenen Obernberger See. Dunkle Regenwolken über den Bergen ließen für den weiteren Weg nichts Gutes erwarten.

Wir wanderten den See entlang und kamen zur Seekapelle, die auf einer Insel liegt. Sie war uns den kleinen Abstecher wert. Wir sangen zum Dank für den guten Verlauf der bisherigen Pilgerwanderung zu Ehren der Muttergottes ein Lied.

Schon bald nachdem wir den See hinter uns gelassen hatten, marschierten wir zeitweise im strömenden Regen. Am Portjoch empfing uns Südtirol im dichten Nebel.

Beim Abstieg lichteten sich die Nebelschwaden und gaben den Blick auf das Pflerschtal frei. Auf dem steilen und durch die Nässe rutschigen Steig folgten wir dem ehemaligen Militärpfad. Als wir vor weiteren Regengüssen sicher waren, verzehrten wir endlich den Landjäger und das Vintschgerl aus dem Brotladele in Obernberg.

Wir erreichten den Weiler Ast. Nun wartete noch ein 5 km langer und leicht ansteigender Talweg nach St. Anton in Innerpflersch auf uns.

Geschichte unserer Pilgerkappln

Johann: Irene, hast du eigentlich gemerkt, dass unsere Pilgerkappeln den Leuten aufgfallen sein?

Irene: Ja, schon. Und wenn du mi nit die erste Etappe zum Probegehen überredet häst, wär das nie zustand kemmen.

Johann: Da haben wir ja das Bild vom Heiligen Romedius auf der Hausfassad entdeckt. Ich hab’s Gott sei Dank glei fotografiert.

Irene: Alles weitere hat sich dann ganz von selbst ergeben.

Johann: Das Bild im Computer freistellen, beschriften und spiegelverkehrt auf die Transferfolie ausdrucken. Und du hast’s dann auf unsere Kappeln aufgebügelt.

Irene: Fertig waren unsere individuellen Kopfbedeckungen.

Fortsetzung folgt …

Diesen Artikel teilen:

Johann Jenewein

Johann lebt seit 2001 in Inzing. Die Print-Ausgabe der DZ hat er immer zur Gänze gelesen und hat auch immer wieder Beiträge verfasst. In seinem Privatleben ist er seit 22 Jahren Redakteur einer österreichweit erscheindenden almwirtschaftlichen Fachzeitschrift. Sein größtes Hobby ist das Fotografieren. Seit 2007 ist er Obmann des Kamera-Club Inzing. Seine Leidenschaft ist auch das Erstellen von vertonten Reise- und Multivisionsschauen.

Alle Beiträge ansehen von Johann Jenewein →

2 Gedanken zu “Romedius Pilgerweg – 180 km von Thaur nach San Romedio / Teil 1

  1. Eine tolle Kurzversion des sehr empfehlenswerten Bilder-Vortrags den ich vor einigen Jahren sehen konnte. Sollte er wieder einmal gezeigt werden kann ich ihn nur allen, auch Nichtwanderern, empfehlen.
    Robert Pisch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert