18. Januar 2025
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Alfreds (W)einsichten – Buchstabe S

Lesedauer ca. 6 Minuten

St. Emilon eine Legende in Bordeaux kehrt zurück (gesprochen Saintemilion)

Die sogenannte Apellation Controlle’ (AC) St.Emilon liegt in der Nähe der Stadt Libourne – im “Libournais” – eine halbe Autostunde nordöstlich von der Capitale Bordeaux. Das mittelalterliche Städtchen Emilion wird von der mächtigen Felsenkirche und einer sehenswerten Ansammlung von Kalksteinhäusern geprägt. Seit 1999 ist man Teil des UN-Weltkulturerbes, zurecht. Der Ort liegt pittoresk auf einem Kalkhügel, für den Bau der Häuser wurde ein wesentlicher Teil des Materials aus den Kavernen geschlagen, die man heute ehrfürchtig besichtigen kann. St.Emilon steht für oppulente, feurige Rotweine, obwohl bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hier fast ausschließlich Weißweine angebaut wurden. Aber die Trends änderten sich und man erkannte, dass auf dem Kalkplateau ideale Bedingungen für den Anbau von den roten Sorten Merlot und Cabernet Franc gegeben waren.

Innenstadt Abgang. Foto: Stadt St.Emilon

Eine besondere Eigenart besteht in der “Klassifizierung” der Weingüter, um die heftig gerangelt wird – es gibt 85 klassifizierte Betriebe, wobei die Spitzen mit den Kultweinen von Figeac, Cheval Blanc, Ausone, Angelus und Pavie  besetzt sind. Und alle heißen “Grand Cru” – also Großes Gewächs. Es gibt jedoch – wie immer – eine Reihe von hervorragenden Betrieben, deren Kellermeister zumindest gleichwertige Weine erzeugen, abhängig von diversen Parametern.

Des beste “Terroir” – also den Platz – besitzen die Betriebe auf dem Kalkplateau, jedoch an den Rändern – den “Cotes” mit etwas mehr Lehmauflage werde heute ebenfalls Spitzenweine mit Charisma und Tiefgang erzeugt. Der Unterschied zu den Medoc-Weinen an der “rive gauche” oder den eigenwilligen Pessacs besteht in der Rebsortenauswahl und Bodentypen. Und natürlich auch dem Marketing.

Es existiert schon seit Langem die Bruderschaft der namhaften Weinhersteller, die in leuchtendem Rot ihre Auftritte absolvieren und eine internationale Klientel, die oft schon absurd hohen Preise der  Spitzenbetriebe goutieren, ja geradezu fordern – oder ihre Beteiligungen absichern wollen.

Zunehmender Kapitalfluss aus Asien hat Investitionen vorangetrieben, allerdings nicht wirklich die Qualitäten verbessert. In den letzten Jahren hat eine Neubesinnung der einheimischen Szene stattgefunden und die Art der Weine ist wieder von aufdringlich oppulent zu  fein abgestimmter Eleganz gewandert. Und den Marktwert eines Betriebes bestimmen ohnehin Markt, Rezensionen und das Engagement der Besitzer und Mitarbeiter.

Weingarten in Reihen. Foto: vinum.eu

Leuchtende Figuren am Weinhimmel von St. Emilon sind Pierre Lurton (Ausune) und Olivier Clouet von Cheval Blanc, sowie die Aufsteiger Ch.Fonroque und das phenomänale Chateau de Pressac. Nicht zuletzt gehört die hügelige Weinregion Saint-Emilon auch zu den Trendsettern in Sachen BIO und Biodynamik. Eine Leuchtfigur dabei ist Alain Moueix. Er experimentierte schon in den 90-ern mit biodynamischen Methoden nach Rudolf Steiner und  beeinflusste eine ganze Generation von jungen Winzern. Die zunehmende Umstellung zeigt das wachsende Bewusstsein, heute kommen die besten Weine der gesamten Region Bordeaux aus den Bio-Betrieben von Pontet-Canet (Paillac),

Haut Bailly(Pessac) oder Durfort-Viviens (Margeaux)- auch tw. mit Maschinenlese! Und das Beste ist, dass es kaum mehr aufgelassene Weingärten gibt, es kreucht und fleucht zwischen den Reben. Sträucher, Gräser und Hecken werden neu angelegt, Vögel und Amphibien finden neue Lebensbereiche und zusammen mit der wiederentdeckten Präferenz für Frische und Duftigkeit glänzen die Weine St.Emilins heute heller als je zuvor. Das mittelalterliche Städtchen mit 1700 Einwohnern selbst bietet den Besuchern einige hervorragende Restaurants und Weinshops, wo man jedoch auf keinen Fall Wein kaufen sollte. Irrational, aber wahr.

Die Steiermark kleines Weinbaugebiet ganz groß!

Mittlerweile haben schon unzählige Weinfreunde Tirols die steilen Hänge der Südsteiermark wandernd, laufend und vor allem radelnd besucht. Der Wermutstropfen der weiten Anfahrt wird durch die Herzlichkeit der Bewohner, die Güte der Kulinarik und die Annehmlichkeiten der bukolischen Landschaften gemildert, ja entfernt. Durch meine Tätigkeit für den Einkauf von erstklassiger Ware bin ich laufend in die Gärten und Keller der Südsteiermark gekommen, habe Freundschaften erfahren dürfen und auch die stille Revolution des Steirischen Weinbaus über die letzten 35 Jahre miterlebt. Durch die Neuausrichtung der gesamten Branche gelang es v.a. den jung in die Betriebe eingestiegenen, höchst ambitionierten Winzern/Innen von den vorhandenen Mischbetrieben in reine Weinbaubetriebe zu wechseln und die Charaktere des steirischen Weinbaus erst zu entwickeln – nämlich : zumeist leicht, fruchtklar, brilliant –weiß  und süffig.

Kitzecks Weingärten aus der Luft – Foto Weinmarketing

Die Weingebiete findet man im Süden des Landes. In der Weststeiermark – um Wies und Eibiswald gedeiht der sehr spezielle Schilcher – auch Blauer Wildbacher. Der hellrote Wein ist pikant, rassig und eigenwillig – und hat seine Fans. Als Sekt und gebranntes Destillat findet der Schilcher auch seine Abnehmer, vordringlich in den Kehlen der Besucher des schönen Wald- und Wiesenlandes. Der größere Teil heißt Südsteiermark und an der Grenz-Landesstrasse sowie um Kitzeck und den vulkanischen Sausal findet man auf z.T. höchst ausgesetzten – aber begrünten und vertikal gepflanzten Rebzeilen Weine von Weltformat. Gerade der würzige Sauvignon Blanc und der verspielt – aromatische Gelbe Muskateller gedeihen hier aufs Beste.

Weststeiermarks Weingärten – Foto Weinmarketing

Herausragende Könner – auch unter “Steiermark Classic” fungierend – aber nicht nur – liest man das who is who des Steirischen Weinbaus: Polz, Tement, Skoff, Sattler, Gross, Rieglnegg, Sabathi und co. Aufsehen erregt das ultramoderne neue Weingut  von Sigi Wolf, der mit Reinhard Muster einen der versiertesten jungen Kellermeister engagiert hat.  Am phantastisch gelegenen Sernauberg hat man mit viel know how die Domäne Wolf 1196 geschaffen, von deren Weinen wir bald hören werden. Auch hier verwendet man die Qualitätspyramide in Anpassung an die Weingesetzgebung der EU.

Mit Gebietsweinen  ist der Großteil der Ware gemeint – frisch, klar, (sorten)typisch, vielseitige Sorten

Ortswein (village) – genaue Zuordnung der Ortsgrenzen, Ertäge reduziert, Handlese obligat.
die Weine Tragen die Ortschaft ihrer Herkunft im Etiket – wie zB.Gamlitz, Ratsch, Kitzeck, Ehrenhausen, Berghausen und Leutschach. Nicht alle Sorten zugelassen.

LagenweinAusdruck und Terroir einer besonderen Lage, zumeist schon seit alters her als hervorragend eingestuft – gilt als die Spitze der Produktion und stellt international das Aushängeschild der Gegend dar. So zB. der Grassnitzberg von Polz, die Kapelle von Sabathi Erwin, der Grubtal von Reinhard Muster(Sauvignon Blanc Weltmeisterwein),             der Nussberg von Gross Luis, der Zieregg von Tement, der Saziani von Neumeister, oder der Steinriegel von Gerhard Wohlmuth, nur um einige der bekanntesten zu nennen.

Eine Besonderheit ist der seltene (Rhein)Riesling an den schieferigen Steillagen von Kitzeck – vor allem Gerhard Wohlmuth setzt hier Masstäbe. Ein Stückhein Rhgeingau in der Steiermark! Das 3. Gebiet liegt an der Ungarisch-Slovenischen Grenze und nennt sich Vulkanland – früher Oststeiermark. Geologisch ist die Grenzregion vulkanischen Ursprungs, die Thermen von Radkersburg und Bad Gleichenberg zeugen davon. Hier ist es etwas wärmer, ärmer aber auch.

Und mehr gemischt landwirschaftlich. In den saftigen Talböden gedeiht Getreide und Mais, ebenso wechseln sich Obst und Wiesen – und Waldflächen ab.  An exponierten Stellen wird akribischer Weinbau betrieben, mit wachsendem Erfolg. Die erste Betriebe, die hier die Chancen erkannte, war Albert Neumeister in Straden und Georg Winkler-Hermaden am Berg von Kapfenstein. Heute folgen eine Reihe von jungen, hungrigen Betrieben ihrem Vorbild – Krispel, Platzer, Gollenz und die Traminer-Spezialisten Müller Stefan und Gießauf-Nell in Klöch sind wohl dzt. die Besten.

Am Klöcher Berg wird seit jeher die opulente Sorte Traminer in ihren verschiedenen Spielarten kultiviert. Die sehr alte Sorte gilt als einer der Väter sowohl vom Riesling als auch vom Veltliner und deren Derivaten wie Rotgipfler und Co. Hier auf Basalt – bei hoher Reife – erhält der Gewürztraminer sein unverwechselbares Aroma nach Rosen, reifen Beeren und Gewürzen. Zumeist erst über 13,50 Grad Alkohol tritt sein umwerfendes intensives Bukett auf – ein Wein für Hedonisten. Auch gibt man den kraftvollen Grauburgunder auf den mineralischen Böden gute Marktchancen.

Auch als kulinarische Region kann das Vulkanland punkten. Die rührigen Landwirte bringen in manchmal neu gestylten Buschenschänken feines vom Schwein, Fisch, Gemüsen und  Brot auf den Tisch. der sich gerade eben nur so biegt. Hier kann man noch urige Gastlichkeit erleben und die Steiermark in ihrer neu entwickelnden Weinszene finden, die man so bei uns (in Südtirol) schon eine geraume Zeit nicht mehr hat. Interessanterweise war auch hier der geliebte Erzherzog Johann für die Anpflanzung der französischen Reben wie Chardonnay, Sauvignon oder Burgunder in der Mitte des 19. Jahrhunderts verantwortlich.

Wie gesagt, ein Besuch der wirklich eindrucksvollen, gepflegten Kulturlandschaft der Südsteiermark ist auf jeden Fall anzuraten. Ob mit Rad oder Wanderschuhen, das Badekostüm sollte auch nicht fehlen – man findet herzliche Aufnahme in den schicken Landhäusern und Garnis – und lernt wahrscheinlich auch, dass das Leben auch langsamer zu absolvieren ist, als man es eben von hier kennt.

Für detailliertere Infos kann man die “österreichische Weinmarketing” konsultieren, muss aber nicht.

Das nächste Mal machen wir was mit SÜ – weil’s so gut passt – nämlich Südtirol vs. Südafrika.

Bis dann – euer Alfred Walch

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Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

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