20. April 2024
Newsletter   

Alfreds (W)Einsichten / CH

© Visions-AD/Fotolia
Lesedauer ca. 6 Minuten

Weinalphabet – Buchstabe(n) Ch


das haben wir eingeschoben  – ich hoffe, das passt für euch, obwohl es ja eigentlich zwei Buchstaben sind, konnte es mir aber nicht verwehren…

Chardonnay: Die Sorte gilt als äußerst erfolgreich und ebenso wichtig: anpassungsfähig.

Die heute gebräuchlichen Reben werden ausschließlich von professionellen Rebschulen erzeugt und den Winzern in bestellter Menge bereitgestellt. Hier sind – no na – die Franzosen an erster Stelle zu nennen. Allgemein gilt für den Chardonnay, dass er sehr gute Erträge liefert und auch recht gut mit Schädlingsbefall zurechtkommt, also für den Winzer eine ideale Sorte. In Österreich gilt Erzherzog Johann als großer Förderer des Weinbaus. Über seine Initiativen kamen die französischen Sorten Chardonnay, Pinot Blanc, Pinot Noir und auch die Cabernets ins Habsburger Reich – wo sie auch noch heute neben den heimischen Varianten erfolgreich in Südtirol, im Burgenland oder in der Südsteiermark  sowie im Friaul angebaut werden.

Die Verbreitung der Sorte ist weltweit, wobei sie zumeist reinsortig angeboten wird. Berühmte Weine stammen aus Kalifornien, Neuseeland, Südafrika, aber auch vom burgenländischen Leithaberg und vom „Burgund Österreichs“ – der Südbahn.
In Südtirol und Deutschland setzt man eher auf den Weißen Burgunder, einem nahen Verwandten. Die Vorbilder, denen man nacheifert, sind jedoch die zart-feurigen trockenen Chablis aus dem nördlichen Frankreich und die großartig reifen könnenden Burgunder von der Cote d‘Or.
Der Chardonnay ist eher den neutralen Rebsorten zuzuordnen, liebt nicht zu warme Gegenden (da wird er eher breit) und gelingt bei strenger Ertragsreduktion am Besten von kalkhaltigen Böden. Den Ausbau im kleinen Holzfass verträgt er gut, mittlerweile verwendet man eher die „piece“ genannten 500 Liter fassenden Eichenfässer, hier gibt das Fass nur kleine inputs und die gewünschte Harmonie zwischen zarter  Frucht und feinen Gerbstoffen beginnt zu wachsen. Große Chardonnays kommen wie gesagt aus dem nördlichen Burgund mit dem Weinzentrum Beaune mit dem legendären Hospiz.

Da hier die einzelnen Parzellen klein aufgeteilt sind (Erbteilung), die erzeugten Mengen sehr gering sind und die Winzer aufgrund der weltweiten Nachfrage auch die Scheu vor hoch angesiedelten Verkaufspreisen schon seit einiger Zeit abgelegt haben, muss man für einen premier cru von Clos de Corton oder z.B. Echezaux schon mit 80 bis 150 € pro Bouteillerechnen.
Aber es gibt natürlich auch vernünftig angebotene trouvaillen (Entdeckungen), aber billig kann der Burgunder mit guter Herkunft einfach nicht erzeugt werden.  
Der Großteil der international angebotenen Chardonnays werden allerdings „unoaked“, sprich im Nirotank hergestellt und sind eher einfache, zu keiner besonderen Animation fähigen, hellfarbenen Weißweine. Das Geheimnis liegt in der Herkunft, des „terroirs“, und der Fähigkeit der Winzer.
Die meisten schmecken unaufgeregt, werden aber auch wegen der neutralen Art und dem schönen Namen besonders von der weiblichen Klientel bevorzugt bestellt und gekauft.
Österreichs beste Chardonnays kommen vom Leithaberg (Andi Kollwentz), einem  kalkreichen Hügelzug im nördlichen  Burgenland und von den Kalk-Abbruchbecken des Wiener Beckens, das bekanntlich ein Meer war. Hier findet man noch versteinerte Muscheln – und den Muschelkalk. Das kleine Gebiet geht von Traiskirchen im Süden bis zur Donaustadt, wo Fritz Wieninger und Kollegen große Burgunder aus dem Hut – sprich Fass – zaubern.

Jetzt muss ich aber einen Schluck nehmen, wenn‘s genehm ist.

PS – in Amerika war eine Zeit lang fast jede 2. Flasche verkaufter Wein ein Chardonnay.

Als Gegenbewegung sah und sehen sich Weinfreunde, die bei der Frage, welchen Wein man wünsche, nur sagen konnten ABC – sollte heißen „anything but Chardonnay“!

Charakter  – im Wein

Nun ja, das ist – wie beim Menschen doch auch – nicht so einfach. Allerdings muss man dem Wein zugutehalten, dass er, wenn er welchen besitzt, diesen nicht so einfach aufgibt und sich eine andere Grundstimmung gibt. Im Prinzip, bleibt er bei seiner.
Natürlich besitzt jeder Wein Charakter, aber uns kommt es in diesem Blog schon darauf an, woher dieser kommt und auch wie stark dieser ausgeprägt sein kann. Und woher dieser eigentlich stammt.
Der Wein an und für sich ist ja ein Getränk aus frischen Trauben gepresst, gekeltert und irgendwann in irgendwelchen Töpfen gelagert und dann abgefüllt. Und man muss sagen, der Großteil der angebotenen Ware besitzt nicht den Charakter, den der echte Weinfreund sucht. Das heißt, dass eine riesige Menge an industriell erzeugtem Wein einer recht kleinen Insel von Qualitätsweinen mit herausstechenden Merkmalen gegenübersteht. Und das hat ganz sicher nicht ausschließlich mit teuren Verkaufspreisen zu tun.
Für die Erlangung des Charakters sind einige Voraussetzungen notwendig, wobei man sozusagen die „natürlichen“ und die „menschlichen“ Faktoren trennen sollte, wobei sich diese auch wieder gegenseitig beeinflussen – panta rei – alles fließt.
Bei den natürlichen ist vor allem der Standort zu nennen – die Trauben sollten regelmäßig reif werden – mit dem Begriff „terroir“ umfasst man die natürlichen Gegebenheiten eines Weinbergs, was die Böden, die Neigung, die Klima – und Witterungssituationen einschließt.
Man kann natürlich auch sagen, hier wächst seit 200 Jahren – oder so – schon lange ein guter Wein, dann machen wir hier weiter. Zusätzlich wird es ja (leider) immer wärmer, dass schon eher kühle Lagen für Neupflanzungen gesucht werden.
Nun kommt der Faktor Mensch ins Spiel: Die Wahl der Sorte sollte passen. Es gibt heute genaue Analysen von Rebe und Wurzel, welche Bedürfnisse wo am besten zu erfüllen sind. Kommerzielle Überlegungen spielen natürlich auch eine wichtige Rolle, allerdings muss man bei einer Laufzeit eines Weingartens schon mit 50 und mehr Jahren rechnen, also kurzfristige Markt-Überlegungen sind nicht angesagt.
Heute weiß man, dass sehr alte Weingärten, die „Vielles vignes“,  mit bis zu 100 jährigen Stöcken niedrigere Erträge mit allerdings herausragender Qualität der Traube verbinden – ein Stock mit 3 Trauben – wie im Priorat oder auch in der Toscana, 1 Stock ergibt 1 Flasche Wein.

Eine Ähnlichkeit zum Menschen ist diesbezüglich unbeabsichtigt, aber auffallend.

Der bestimmt Pflanzart, Stockdichte, Ausrichtung und noch vieles andere im anzulegenden Weingarten. Also – das kann den Charakter bilden, nämlich die Erkennbarkeit der Sorte, ev. auch der Herkunft  – aber eben nicht zwingend. Siehe Faktor Mensch.
Für den Stil des Weines ist dann doch die Qualität und Art der Verarbeitung der Traube wesentlich. Es wird viel in neueste Technologie investiert, die macht allerdings den Wein selbst nicht besser, sondern seine Erzeugung lukrativer und gesicherter. Es gibt noch etwas antike Winzer, die mit alten Korbpressen (Clos Mogador) oder sogar archaischen Baumpressen arbeiten und damit beste Ergebnisse erziehlen, und am Douro / Portugal ersetzt man das Stampfen der Trauben mit bloßen Füßen durch „bodyrobots“ – also einer technischen Umsetzung der alten Tradition.
Wirkliche Persönlichkeit kommt vom Willen, das beste Produkt dem oft kargen Boden abzuringen, sorgfältig in allen Bereichen zu sein, sich ständig weiterzubilden und auch die Erfahrungen der Vorgenerationen einfließen zu lassen. Natürlich auch mit Blick auf den Markt, der sich allerdings beim Wein auch an ihm selbst anpasst.

Christentum  – das Blut Christi

Das ist natürlich ein etwas heikles und mit Symbolik behaftetes Thema. Und man kann die Verwendung und Verehrung des Weins im Christentum nicht ohne die Riten und Regeln des jüdischen Volkes betrachten, von der ja diese Religion teilweise gestiftet wurde.
Die verschiedenen Arten der Götterverehrung, die zurzeit Jesu gleichzeitig existierten, sahen die  Menschen alle für gleich wahr an, von den Philosophen alle für  gleich falsch, und wurden von den Staatsorganen für gleich nützlich  erachtet.
Bei den Juden begann der Sabbat mit einem Weihespruch über dem Kelch, die ganze Familie bekam einen Schluck daraus. Beim Passahfest mussten vier Becher Wein getrunken werden, bei Hochzeiten zwei und bei der Beschneidung einer. Ein Rabbi sagte einmal, der Wein helfe, das Herz zu vernünftigen Gedanken zu führen. Also wurde Vernunft angestrebt, nicht Inspiration. Hinter all den Regeln stand eher die anscheinende Gefahr, man könnte mit einem Ungläubigen trinken, und das könnte zu Mischehen oder anderen Gräueln führen.

Die Regeln, die es um den koscheren Wein gibt, sollten ev. ein anderes Mal dargestellt werden.

Der 1. Brief des Paulus an die Korinther bildet den ersten Hinweis, dass das christliche Abendmahl eine  gottesdienstliche Handlung darstellt – die Wandlung von Brot und Wein in Leib  und Blut – und : tut es in meinem Gedächtnis, nämlich das gemeinsame Essen und natürlich auch Trinken – „sooft ihr beisammen seid“.
Die Symbolik des Opfers im Christentum war noch nie leicht zu verstehen. Sie entwickelte sich eher nach griechischer Tradition als der jüdischen, – das Neue Testament wurde ja in griechisch und nicht hebräisch geschrieben.
Im heidnischen Griechenland verbrannte man Fleisch als Opfer, der Rauch (griechisch thusia und dann daraus theos) stieg zu den Göttern auf – und anschließend verspeiste man den verbrannten Rest – ev. auch ein Hinweis auf die grassierende Grill–Manie, an  der sich die Welt aktuell erfreut.
Auch im Wort vorhanden ist der Enthusiasmus – quasi von „Gott erfüllt“. Das griechische Wort Eucharistia wurde für Danksagungsopfer verwendet, wo Blut, Wein und Blut oder auch nur Wein (später) gemeinsam getrunken wurde. Deshalb stellte das christliche Wort „Eucharistie“ eine direkte Verbindung zu heidnischen Opfern dar. Soweit – so gut.
Allerdings hatte der Gott Dionisos  – bei den Römern dann Bacchus und den rauschhaften  „Bacchanalien“ – die Seele der Menschen nur für eine kurze Zeit befreit. Die nächtlichen Ritualfeten kennt man heute in abgespeckter Form von Zeltfesten etc. in späteren Stunden, haben jedoch nicht die Kraft der mystischen Verbindung von Mensch und Höherem.  
Die Orphiker wandelten den neuen Gott um, der die Seele erlösen und ihr ewiges Leben geben konnte. Das war im Prinzip das, was die Christen nun lehrten.
Thomas von Aquin, der große italienische Theologe des 13. Jahrhunderts fasst in präzisen Sätzen die Bedeutung des Wein in der Messe zusammen: „ Das Sakrament der Eucharistie kann nur mit Wein von Trauben stattfinden, denn so ist es der Wille Jesu… und auch weil der Wein von Trauben das Bild des Wirkens und Werdens ist. Hiermit meine ich die spirituelle Freude, denn es steht geschrieben, dass der Wein des Menschen Herzen erfreut.“
Das führte – wohl unbewusst – auch dazu, dass mit zunehmender Popularität des Christentums vom  Mittelalter an in  der christlichen Messe neben Brot gebrochen auch Wein ausgeschenkt wurde. Somit wurden die Klöster und deren akribische, gut ausgebildeten Insassen, fast frei von leiblichen Bedürfnissen, die Wegbereiter des modernen Weinbaus – allen voran die Zisterzienser.
Der Bedarf an dem „heiligen“ Getränk stieg stetig und neue Methoden, Gebinde und Handelsbeziehungen entstanden. Der Weg in die neue (Wein)zeit war eröffnet.

Diesen Artikel teilen:

Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

Alle Beiträge ansehen von Alfred Walch →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert