29. März 2024
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Sind wir noch zu retten…

Lesedauer ca. 12 Minuten

Es vergeht kein Tag, an dem nicht von Menschen herbeigeführte Katastrophen in den Nachrichten erwähnt werden. Das Plastik erstickt die Meere, die Klimaerwärmung führt zu verheerenden Unwettern, der Urwald – die Lunge des Planeten – verbrennt, Böden werden vergiftet, Arten sterben, unsere Trinkwasserquellen, die Gletscher schwinden, usw. usw. …

Es lässt sich nicht mehr leugnen, dass der Mensch den Planeten Erde, den wir mit Millionen anderen Lebewesen teilen, massiv verändert hat. Überall sind Schäden sichtbar und man muss mit immer größerer Sorge einer Zukunft entgegenblicken, in der wir uns eines Tages auf einer völlig ausgemergelten Erdoberfläche wiederfinden, welche uns keine Ressourcen mehr zum Überleben zur Verfügung stellen kann.

Aber da sind auch schon die Stimmen aus Politik, Umweltorganisationen, Industrie und Wirtschaft, welche Lösungen präsentieren. Die einen aus ehrlicher Überzeugung, die anderen, weil sie neue Geschäfte wittern.

Anstatt in Plastiktaschen schleppen wir die eingekauften Artikel nun in Jutetaschen, Papiersäcken und Körben nach Hause. Zuhause angekommen, werden dann all die gekauften Produkte zunächst am Tisch ausgebreitet und dann verräumt. Kornspitz und Paprika werden von der schützenden Plastikhülle befreit, Joghurt, Sauerrahm, Käse und Wurst – alles wird in ihren Plastikbehältern im Kühlschrank verstaut. Das umweltfreundliche Kinderspielzeug aus Holz wird aus der bunt bedruckten Plastikhülle genommen und die Kinderaugen beginnen zu leuchten.

Die Lichterkette aus energieeffizienten LED-Lampen wird im Flur montiert, wo sie Tag und Nacht stromsparend in edlem Licht strahlt.

Der alte, stromfressende Kühlschrank wird nach zwanzig Jahren – zwar immer noch funktionstüchtig, aber eben doch ein schrecklicher Umweltsünder – durch ein modernes, mit grüner Umweltplakette versehenes Gerät ersetzt. Dieses ist zwar schon nach fünf Jahren wieder kaputt und muss ersetzt werden – macht aber nichts, es war ohnehin sehr günstig, im fernen Osten produziert, und die neue Generation ist schließlich noch effizienter im Energieverbrauch.

Am Wochenende schnallen wir unsere E-Bikes aufs Elektro-Auto und fahren in die Berge, um dort Kilometer zu sammeln für die Aktion „Wir radeln für die Umwelt“.

Immer neuere Apps zeigen uns im Urlaub an, wie stromsparend die aus der Ferne gesteuerten Jalousien unter Aufsicht von Web-Cams betätigt werden können. Ob Licht, Heizung, Herd oder Kühlschrank – alles lässt sich jederzeit von überall auf der Welt regeln und schöne Grafiken zeigen den Stromverbrauch der letzten zwölf Monate am Smartphone.

Wöchentlich landen mehrere Kilogramm Papier im Postkästchen, selbstverständlich ungebleicht und CO2-neutral, bedruckt ohne Schwermetallzusätze. Man wird informiert über noch umweltfreundlichere, noch sparsamere (und oft noch unnötigere) Produkte.

Die zunehmende Verbreitung von Ramsch-Produkten hat sogar neue „Formate“ im Fernseh-Abendprogramm entstehen lassen. „Allestester“ informieren den Zuseher über die (Un-)nützlichkeit verschiedenster (meist Plastik-) Produkte. Diese landen wahrscheinlich schon am nächsten Tag wieder im Müll.

Aber wir sind alle mit voller Begeisterung dabei, um unseren Beitrag zur Rettung unserer Umwelt zu leisten. Alle trennen fleißig Plastik, Papier, Metall, Glas – nach Farbe, Gewicht, Glanz und was weiß ich noch alles. Letztendlich wird alles zusammen auf ein Schiff verfrachtet und am anderen Ende der Welt entsorgt. Wenn man’s dort nicht mehr will, landet es im Meer.

Aber wenn denn dann endlich alles auf nachhaltige, erneuerbare, saubere elektrische Energie und totale CO2-Neutralität umgestellt sein wird, dann erstrahlt unser Planet wieder in den fröhlichsten Farben der Natur!

Wird das unsere Rettung sein?

All die Maßnahmen und Ideen, welche Energieverbrauch und Schadstoffe reduzieren, sind ein wichtiger Beitrag, um Verbesserung zu schaffen. Aber sie werden, wie mir scheint, vielfach lediglich dazu genützt, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.

Wer glaubt wirklich daran, dass all die restlichen, noch vorhandenen fossilen Energieträger im Leib von Mutter Erde ruhen werden? Ein Umstieg auf erneuerbare Energiequellen kann die Situation nicht entschärfen, wenn fossile Energieträger trotzdem weiterhin gewonnen und unter Freigabe von CO2 weiter verarbeitet werden! Mag sein, dass der Zivilbevölkerung der Zugriff auf fossile Treibstoffe verwehrt wird. Aber wird der batteriebetriebene, umweltfreundliche Panzer am Weg zur „Verteidigung nationaler Interessen“ am anderen Ende der Welt an der Tesla-Tankstelle halten, um nach mehrstündigem Aufenthalt ein paar weitere Kilometer ins Feindesland vordringen zu können? Werden vor jedem gewaltsamen Regimewechsel tausende Kilometer Kupferkabel verlegt und Batterieladestationen montiert? Werden die NATO-Mitgliedsstaaten, China, Russland usw. auf den strategischen Vorteil, welche fossile Energieträger vermutlich noch lange Zeit gegenüber dem Strom aus der Batterie haben werden, verzichten? Werden Länder, welche auf immer noch riesigen Mengen fossiler Energieträger sitzen, aus Rücksicht auf die Umwelt auf deren Nutzung verzichten?

Werden wir demnächst mit Batterie betriebenen Propellerflugzeugen fliegen? Ich denke, das alles ist eher unwahrscheinlich.

Der größte Produzent von Einweg-Plastik ist Exxon-Mobil, die weltweit größte Erdöl-Company. An zweiter Stelle rangiert das Chemie-Unternehmen Dow und an dritter Stelle steht wiederum ein Öl- und Gas-Unternehmen – die chinesische Firma Sinopec. Diese drei Unternehmen alleine sind schon für 16 Prozent des Einwegplastik-Müllproblems verantwortlich. 90 Prozent dieses Mülls stammen von nur 100 Plastikproduzenten. Vermutlich ein Großteil (oder alle?) dieser Unternehmen notiert an der Börse und ist somit verpflichtet, ihren Aktionären maximale Gewinne zu bescheren. Selbst wenn ein Top-Manager von schlechtem Gewissen geplagt wäre angesichts der Umweltkatastrophe, an der sich sein Unternehmen aktiv beteiligt, es wäre ihm verboten, einfach einen Schlussstrich zu ziehen und auf die möglichen Gewinne durch die Verarbeitung von Erdöl zu verzichten. Wenn die Wachstumsraten aber durch den Verkauf von fossilen Treibstoffen nicht mehr zu erreichen sind, dann muss das Erdöl eben auf andere Weise gewinnbringend verarbeitet werden – in Form von Kunststoffen zum Beispiel. Ich bin überzeugt davon, dass die Kunststoffproduktion in den kommenden Jahren umso massiver gesteigert wird, je mehr E-Autos ohne fossilen Treibstoffantrieb auf den Straßen landen. „Verbessertes Recycling“ wird die Gewissen so lange beruhigen, bis auch die allerletzten von Inseraten verwöhnten Medien das nicht mehr glaubhaft vermitteln können.

Laut Wikipedia betrug der „Primärenergiebedarf“ der Welt im Jahr 2014 574 EJ (Exa-Joule). Das ist eine Zahl mit achtzehn!! Nullen hinten dran. 79 EJ davon dienten der Stromerzeugung.

Diese Zahlen sind so enorm riesig, dass man sich nur schwer etwas darunter vorstellen kann. Lasst uns deshalb ein wenig Mathematik und Physik betreiben, um dem Ganzen etwas Vorstellbares zu verleihen.

Am Weg vom Kraftwerk zum Endverbraucher geht ein nicht unerheblicher Teil der Energie verloren. Diese wird in den Kupferkabeln zu Wärme umgewandelt. Leitungsverluste von nur 5 bis 6%, wie sie in den Stromnetzen von Österreich oder Deutschland auftreten, gehören zu weltweiten Spitzenwerten. Es gibt Länder, in denen mehr als ein Viertel der produzierten Energie als Wärme verpufft.

Nehmen wir einen rekordverdächtigen Wert von 5% an. Vielleicht erreichen zukünftig ja auch Entwicklungsländer derartige Effizienz. Das ergäbe dann eine in Form von Wärme verlorene, jährliche Energiemenge von 3,95 Exa-Joule.

Wie viele Schwimmbäder könnte man damit bis auf 100°C aufheizen?

Ein Schwimmbad von 30m Länge, 15m Breite und 2m Tiefe fasst 900m³ Wasser. Als Ausgangstemperatur des Wassers nehmen wir 20°C an. Das Wasser müsste also um 80°C erwärmt werden, um die Siedetemperatur von 100°C zu erreichen.

Mit dieser Verlustenergie könnte man – halten Sie sich fest! –  13 Millionen Schwimmbäder auf Siedetemperatur erhitzen!! Die Fläche all dieser Schwimmbäder entspricht in etwa der Fläche der Tiroler Bezirke Imst, Innsbruck-Stadt, Innsbruck-Land und Schwaz zusammen. Oder auch könnte man mit dieser jährlich in den Kupferleitungen verlorenen Energie die dreifache Wassermenge des Attersees bis zum Siedepunkt erhitzen.

Schon alleine diese Zahlen lassen erahnen, welch enormer Aufwand betrieben werden müsste, um auch nur die Hälfte der aktuell weltweit erforderlichen Energie in Form von elektrischem Strom abzudecken. Jetzt schon gleichen ganze Landstriche einem toten Planeten, wo Kupfer für all die Stromleitungen abgebaut wird. Hinzu kommen die benötigten Materialien für Batterien und Elektronik. All das wird fern von unseren europäischen Augen gewonnen. Vielfach mit desaströsen Auswirkungen für Umwelt und dort lebende Menschen.

Die Zeit schreitet voran und man wird immer effizientere und umweltverträglichere Technologien finden. Aber es existiert ein selbstgemachter Feind, der dem Erfindergeist des Menschen immer wieder und vor allem immer noch schneller voraus ist! Dieser Feind nennt sich „Wachstum“.

Wir leben in einem System, welches auf Wachstum beruht. Jährlich muss die Wirtschaft um einige Prozent wachsen, anderenfalls befinden wir uns „in einer Krise“. Diese Krisen haben Arbeitslosigkeit, Armut, Unterversorgung, Hunger usw. zur Folge. Deshalb wird alles in der Macht stehende unternommen, um Wachstum zu ermöglichen und Wachstumshindernisse zu beseitigen. Bloß kein Stagnieren oder gar Sinken!

Es müssen immer neue Produkte auf den Markt – egal, ob als physisch greifbares Etwas oder in Form von Apps, Film oder Musik, etc. Und egal, ob sinnvoll oder nicht. Die Herstellung neuer Produkte erfordert Rohstoffe, welche wir Mutter Erde entnehmen.

Auch „nicht greifbare“ Produkte, welche auf der Digitalisierung beruhen, benötigen Unmengen an Ressourcen. Datencenter großer IT-Konzerne verbrauchen ähnlich hohe Strommengen, wie Städte mit hunderttausenden Einwohnern! Wäre das Internet ein Staat, läge es beim Stromverbrauch unter den Top Ten.

Prozentuelles Wachstum bedeutet nicht, dass wir jährlich bloß einen fixen Betrag mehr benötigen, sondern dass die Bedürfnisse exponentiell anwachsen.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden wir zu Beginn täglich mit den bekannten Kurven exponentiellen Wachstums konfrontiert. Auf unseren Fernsehschirmen wurden Graphiken abgebildet, welche innerhalb kürzester Zeiträume apokalyptische Infektionszahlen erwarten ließen.

Exponentielles Wachstum ist in der Natur eine völlig alltägliche Erscheinung. So rasch diese Kurven steigen, so rasch flachen sie dann aber auch wieder ab. Der Grund für dieses Verhalten ist, dass die für das Wachstum erforderlichen Ressourcen sehr rasch versiegen. Und das wird auch dem Wachstum unseres Wirtschaftssystems passieren.

Ich habe mir von Wikipedia die Wachstumszahlen der Weltwirtschaft seit 1980 organisiert und das durchschnittliche Weltwirtschaftswachstum der letzten 40 Jahre errechnet. Das ergab ein jährliches Wachstum von 3,188%.

Bei einer Verzinsung von 3,188% verdoppelt sich ein Vermögen nach etwas mehr als 22 Jahren. Nach vierzig Jahren wird das veranlagte Vermögen bereits das Dreieinhalbfache betragen.

Mit solch verlockenden Zahlen hatte schon der lächelnde Sparefroh uns Kinder zum Sparen animiert. Man müsse das Geld „arbeiten lassen“, hieß es. Nichts Schöneres, als nur den Tag zu genießen und zu warten, bis sich das Geld von selbst vermehrt! Ich musste erst erwachsen werden, bis ich mir erstmals Gedanken darüber machte und diesen Spruch als Betrug entlarvte.

Letztendlich sind es immer noch arbeitende Menschen, welchen man für die Vermehrung von Kapital dankbar sein muss. Geld kann zwar dafür sorgen, dass neue Arbeitsplätze entstehen und den dort Arbeitenden eine Verdienstmöglichkeit bieten, aber Geld arbeitet definitiv nicht!
Wer Vermögen besitzt, kann sich glücklich schätzen, andere für dessen Vermehrung arbeiten zu lassen und nach 22 Jahren doppelt so viel Vermögen zu besitzen. Wer allerdings nicht das Glück hatte, auf der Butterseite des Lebens geboren worden zu sein, kann aufgrund nicht vorhandenen Vermögens auch nichts gewinnbringend veranlagen. Er wird stattdessen nach 22 Jahren die doppelte Arbeitsleistung erbringen müssen, um dem geforderten Wirtschaftswachstum zu genügen. Der Mittelstand erlebt beide Welten. Es bleibt ein wenig übrig, um zu sparen, man leidet jedoch zugleich unter dem ständig steigenden Leistungsdruck.

Wie sieht denn das Leben eines durchschnittlichen Mitteleuropäers aus? Im ersten Viertel wird man von den Eltern versorgt und genießt eine Ausbildung. Im nächsten Viertel verschuldet man sich meist, um Wohnung und Familie zu gründen und die nächste Generation heran zu ziehen. Später, vorwiegend im dritten Viertel, ist man darum bemüht eventuell noch vorhandene Schulden zurück zu zahlen und Reserven für den letzten Lebensabschnitt zu erarbeiten. Von all diesem erarbeiteten Kapital wird ein Teil vom Staat abgezweigt, um Infrastruktur, Bildung, Gesundheitssystem etc. zu finanzieren. Auch bedürftigen Menschen, welche selbst nicht in der Lage wären, in diesem System zu bestehen, steht der Staat mit den Steuergeldern der Arbeitenden zur Seite. Ich bin auch sehr gerne bereit, dafür meinen Teil beizutragen. Schließlich könnte es mich oder ein Familienmitglied ebenso treffen und außerdem ist mir ein Leben in Frieden ohne Angst vor Kriminalität ebenfalls etwas wert.

Wenig Verständnis habe ich allerdings dafür, dass man zudem noch für die Vermehrung des Kapitals bereits vermögender Personen arbeiten soll. Das ist jedoch Realität! Die oberste Schicht, dort wo sich das Vermögen immer weiter konzentriert, lässt Millionen von teils sehr schlecht bezahlten Menschen arbeiten, um ihren Besitz weiter zu vermehren (man „investiere in Arbeitsplätze“). Die Gewinne werden in Steueroasen verlagert, wodurch die hart arbeitende Bevölkerung um Steuergelder betrogen wird, welche eine Verbesserung der Infrastruktur und Bildung ermöglichen würde. Nur mit viel Glück wird da oder dort über eine Stiftung mit viel medialem Getöse „geholfen“.

Sehen wir uns den Hunger in der Welt an!

Im Jahr 2000 betrug die gesamte Weltbevölkerung etwas mehr als 6 Milliarden Menschen. Davon hungerten 900 Millionen. Das Bevölkerungswachstum betrug Ende der 1960er Jahre etwas mehr als 2% und sank seither auf knapp 1,1% – das ist deutlich weniger, als das durchschnittliche Wirtschaftswachstum beträgt. Man sollte deshalb annehmen dürfen, dass bei gerechter Verteilung des neu entstehenden Vermögens, der Hunger erfolgreich beseitigt werden könnte.

Legt man die beiden Kurven von Bevölkerungswachstum und Weltwirtschaftswachstum übereinander, so hätte es nur rund neun Jahre bedurft, um den Welthunger bei gerechter Verteilung zu beseitigen. Tatsache ist jedoch, dass auch im Jahre 2020 noch über 800 Millionen Menschen weltweit hungerten. (Mir ist wohl bewusst, dass diese Rechnung nicht ganz so einfach in die Realität übertragbar ist, aber es ist ja selbst nach Jahrzehnten noch keine signifikante, verkehrt proportionale Korrelation zwischen Hungersnot und Wirtschaftswachstum erkennbar.)

Unserem System mangelt es nicht nur daran, dass es nicht gelingt, Wohlstand gerecht zu verteilen, sondern wir verbrauchen zudem auch noch erschreckende Mengen an Naturreserven.

Lasst uns dazu ein weiteres Rechenbeispiel anführen.

Bereits vorhin dienten uns mit Wasser gefüllte Schwimmbecken, um den unverschämten Ressourcenhunger der Menschheit zu veranschaulichen.

Die während der gesamten Menschheit gewonnene Menge an Gold (rund 187.000 Tonnen laut Zeitschrift GEOlino aus dem Jahr 2016) entspricht ungefähr dem Gewicht des Wassers von etwas mehr als 200 Schwimmbecken (jedes davon 30x15x2m = 900m³).

Als armutsgefährdet gilt in Österreich laut Bericht der Armutskonferenz vom April 2021 jemand, dem im Ein-Personen-Haushalt weniger als € 1328,- monatlich zur Verfügung stehen. Bei zwei Erwachsenen beträgt die erforderliche Summe € 1992,-

Es gibt unzählige Familien mit Kindern, welche mit einem Familieneinkommen von weniger als € 2000,- Netto auskommen müssen.

Angenommen, man würde einer Familie gewähren, dass sie sich einmal im Jahr aus „Dagobert Duck’s“ Geldspeicher in der Größe von 200 Schwimmbädern einen Betrag entnehmen darf, der einem Netto-Jahressgehalt von € 20.000,- entspricht.

Bei einem aktuellen Goldpreis von € 49,- pro Gramm, entspräche das einem Goldwürfel von weniger als 3cm Seitenlänge. Würde die Familie jedes Jahr einen Würfel dieser Größe entnehmen, würde es für über 458 Millionen Jahre reichen (zum Vergleich: vor ca. 450 Millionen Jahren entstanden die ersten Wirbeltiere im Meer, rund 100 Millionen Jahre später kamen diese an Land).

Nun meine Frage: Wie lange würde der Goldvorrat wohl reichen, wenn sich die Familie ein jährliches Wirtschaftswachstum von 3,188% gönnen dürfte?

Eine Million Jahre? 100.000 Jahre? Oder vielleicht gar nur 10.000 Jahre?

Die gesamte Menge an Gold, die die Menschheit je zu Tage gefördert hatte, wäre in nur 525 Jahren aufgebraucht! Von einer einzigen Familie (so sie denn so alt werden könnte)!

Jetzt lassen wir die fünf reichsten Milliardäre ihr gesamtes Vermögen gewinnbringend anlegen. Das sind derzeit rund 831 Milliarden US-Dollar bzw. 719 Milliarden Euro. Die Gewinne solcher Investoren betragen oft ein Vielfaches dessen, was die Weltwirtschaft insgesamt in der Lage ist zu wachsen. Aber nehmen wir ganz einfach an, diese Milliardäre würden sich mit einem Zinssatz von 3,188% begnügen, was dem durchschnittlichen Weltwirtschaftswachstum entspricht.

Schon nach 81 Jahren würde der Gewinn dem Wert des Riesen-Goldwürfels von 21m Seitenlänge entsprechen. Jenes gesamte Gold, welches weltweit jemals von Menschenhand aus den Minen geschürft wurde, wäre dann alleiniges Eigentum der fünf reichsten Personen! Wie viele Menschen müssten wohl in dieser Zeitspanne für solche Gewinne arbeiten? Gewinne, welche vorwiegend auf Kosten der Arbeiter angehäuft werden!

81 Jahre! Das ist keine unvorstellbare Zeitspanne mehr, das ist nur ein Menschenleben. Und diese Milliardäre existieren real und ihre Vermögen werden auch real gewinnbringend veranlagt, um noch weiter anzuwachsen – vorwiegend auf Kosten derer, die oft selbst kaum genug zum Überleben haben. Und auf Kosten von Umwelt und Natur! Um das Vermögen der Allerreichsten weiter zu vermehren (dort konzentriert sich der überwiegende Anteil allen Kapitals), wird also die Lebensgrundlage genau jener Menschen zerstört, welche ihnen diese Gewinne durch harte Arbeit bescheren.

Wird nun jedem klar, was ein prozentuelles Wachstum von rund 3 Prozent über längeren Zeitraum bedeutet!? Dieses Beispiel zeigt ganz klar Folgendes:

Egal, um welchen Rohstoff der Erde es sich auch handelt. Ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum in solchen Größenordnungen ist schlichtweg NICHT möglich! Das Rechenbeispiel erklärt auch, weshalb es immer wieder zu kompletten Zusammenbrüchen der Wirtschaft kommen muss. Warum es immer wieder Kriege um Ressourcen geben muss. Dieses auf permanentem Wachstum beruhende System ist zum Scheitern verurteilt!

Es wird wohl nur eine Lösung geben, und die Herausforderung, diese zu meistern, erfordert alle klugen Köpfe der Menscheit zusammen:

Wir müssen schleunigst an einem Systemwandel arbeiten. Wir müssen dem ständigen Wachstum den Rücken kehren und ein System finden, welches vorhandene Ressourcen so nützt, dass sie wiederverwertbar sind und zugleich die Natur intakt lässt.

Da ja die Bevölkerung nicht stagnieren wird, wird man dennoch alle Kraft und Intelligenz benötigen, um die Effizienz der Ressourcennutzung laufend so zu steigern, dass sie mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten kann.

Dies wird eine gewaltige Herausforderung, aber wir müssen sie annehmen!

Der erforderliche Wandel wird massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben.

Manche Berufszweige werden komplett verschwinden. Der Vermögensberater z.B., der ja genaugenommen Menschen hilft, welche aufgrund von bereits überschüssig vorhandenem Vermögen gar keine Hilfe benötigen. Damit möchte ich solche Berufszweige nicht per se an den Pranger stellen. Sie üben ja eine sicherlich hochinteressante Tätigkeit aus, welche im aktuellen System auch durchaus ihre Berechtigung hat. Vermutlich muss sich letztendlich jeder Einzelne die Frage stellen, ob sein derzeit ausgeübter Beruf in ein solches, neues System passt oder ob man sich neu orientieren wird müssen.

Ich selbst frage mich schon seit Längerem, ob die Digitalisierung, wofür ich mich in meinen jungen Jahren so sehr begeisterte und die mich letztendlich zu meinem Beruf führte, nicht allzu oft gegen gesellschaftliche Interessen zur Anwendung kommt.

Der Wandel böte aber auch tolle Chancen! Endlich würden jene Berufe aufgewertet, welche nicht so sehr der Schaffung von Kapital, sondern vielmehr einem Nutzen für die Gesellschaft dienen. Wo kein Anreiz existiert, Vermögen zu vermehren, würde vermutlich mehr in solche Dinge investiert, welche der Allgemeinheit dienen. Es wären somit Investitionen in ein besseres Leben und nicht in Gewinnmaximierung für Minderheiten.

Ich glaube, dass diese Herausforderung aus rein technischer Sicht zu schaffen wäre.

Wie aber geht man mit den existierenden Vermögen um, hinter welchen keinerlei reale Werte stecken? Die vielen Spekulationsgewinne, welche fernab der Realwirtschaft erzielt wurden und erst durch zukünftig noch zu leistende Arbeit und Wertschöpfung in reale Werte verwandelt werden müssten? Wie sollen diese „Investoren“ entschädigt werden? Sollen sie das überhaupt?

Macht ist in erster Linie verbunden mit Vermögen. Diese Vermögen konnten nur durch das Wachstumssystem auf eine vergleichsweise geringe Anzahl von Mächtigen konzentriert werden. Wie bringt man diese Menschen dazu, sich von dem für sie so erfolgreichen System zu verabschieden? Das wäre ja zugleich mit Machtverlust verbunden. Selbst wenn die oberste Machtschicht einsichtig wäre, dass es keine Alternative gibt (und ich bin mir sicher, dass sehr Vielen davon bewusst ist, dass das System ein Ablaufdatum hat), in der zweiten Reihe warten schon viele weitere Menschen, die wenigstens einmal in ihrem Leben an die Macht kommen wollen.

Grundvoraussetzung dafür können meinem Verständnis nach nur sehr robuste Demokratien sein, in deren Verfassung der Schutz der Umwelt nicht nur Papiere füllt, sondern die auch von allen Instanzen aufrichtig gelebt wird.

Der alternative Weg wird vermutlich über eine globale Katastrophe führen. Dann allerdings kann es durchaus passieren, dass sich anstelle eines robusten Kreislaufsystems erneut die Wachstumsspirale von vorne zu drehen beginnt, falls das überhaupt noch möglich sein sollte.

Fotos: Ernst Pisch

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Ernst Pisch

Ernst fotografiert in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne und interessiert sich für die Technik, welche dahintersteckt. Während der oft längeren beruflichen Fahrten von und zu den Kunden denkt er unter anderem auch gerne darüber nach, warum die Welt genau so ist, wie sie ist. Dabei entstehen Fragen und manchmal auch neue Interessen, Ideen und Erkenntnisse, welche er gerne mit anderen teilt.

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2 Gedanken zu “Sind wir noch zu retten…

  1. Hallo Ernst!
    Ein super Artikel den du da geschrieben hast. Da hast du dir ja ganz nett was angetan beim Zusammensuchen der Daten und der perfekten Vergleiche die es sehr gut veranschaulichen.
    Alleine schon die Kurve im ersten Foto zeigt ja eigentlich schon alles – nämlich die Unmöglichkeit, dass es nur mittelfristig noch gleichartig weiter gehen kann. Mehr als im gesamten Sonnensystem steckt kann man nicht so leicht herausholen.
    Allerdings habe ich recht wenig Hoffnung, dass ein Umdenken und freiwilliger Verzicht ohne einen verheerenden Crash, vielleicht sogar mit dem Aussterben der Menschheit, gelingen wird.
    Gruß
    Robert

    1. Danke Robert!
      Ich glaube nicht einmal, dass so viel Verzicht nötig wäre. Wenn alleine die “obersten” 20% auf ein “normales” Maß zurückgestutzt würden, wäre sehr viel Zeit gewonnen, um ein stabiles, umweltschonenden System zu etablieren. Fast das gesamte Wachstum landet ja dort und bringt unterm Strich nicht wirklich ein besseres Leben. Es ist vorwiegend nur Macht, die verloren ginge.
      Seit ich diesen Artikel im Oktober geschrieben hatte, bin ich immer wieder auf diverse Beiträge gestoßen, worin ebenfalls über eine Beendigung des permanenten Wirtschaftswachstums nachgedacht wird … zum Beispiel hier: https://www.infosperber.ch/wirtschaft/wachstum/wie-wir-aus-der-krise-herauskommen/
      Es muss zumindest die breite Masse davon überzeugt sein, dass es nur so geht. Erst dann besteht die Chance, dass auch jene umdenken, die es am meisten benötigt, um das zu schaffen.
      Das Abschieben der Verantwortung auf jeden einzelnen Menschen/Konsumenten/Arbeitstätigen ist reines Ablenkungsmanöver. Schlechtes Gewissen streuen, obwohl von der breiten Masse prozentuell nur wenig beizutragen ist. Selbstverständlich soll und muss jeder etwas beitragen – schon alleine aus Solidarität. Aber die obersten 10% überhaupt nicht antasten, obwohl sie (geschätzt) für gut 50% der Resourcenverschwendung verantwortlich sind … das geht gar nicht!

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