28. März 2024
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Ein besonderer Jazzsommer

Kurz vor dem Konzert mit Charles Lloyd in Perugia.
Lesedauer ca. 5 Minuten

Der heurige Sommer bescherte mir ein paar wunderbare Konzerte. Ich war zwischen Inzing, Hall, Innsbruck und dem Jazzfest in Perugia (Umbrien) auf einigen sehr spannenden Jazzkonzerten. Auffallend war, dass etliche Musiker bereits über 70, teilweise gar über 80 Jahre alt waren. Jetzt könnte man meinen, der Jazz ist komplett in der Zeit stehengeblieben, es gibt keine neuen Künstler mehr, es ist etwas für altmodisches Publikum. Ich finde das gar nicht. Man muss sich nur anhören, mit welchem Spielwitz und –freude und mit welcher Erfahrung hier zu Werke gegangen wird. Die Töne werden teilweise bei den Musikern etwas ruhiger, feiner, gefühlvoller, wie bei Charles Lloyd. Die Musik wird auch thematisch dem Altern gewidmet, wie bei Tom Jones. Mich hat fasziniert, welche Ausstrahlung solche Größen haben, die schon seit vielen Jahrzehnten auf der Bühne stehen.

Ich habe mich auf die Suche nach Konzertmitschnitten gemacht, die annähernd wiedergeben, was ich erleben durfte.

Charles Lloyd (Jahrgang 1938), Bill Frisell (1951)

Charles Lloyd ist einer der ganz Großen unten den Jazzsaxofonisten und Komponisten. US-Amerikaner, 1938 geboren, also bereits 84 Jahre alt, inzwischen etwa 50 Alben herausggebracht, unter anderem auf ECM und zuletzt auf Blue Note, und immer noch sehr aktiv im Musikgeschäft. Bereits 1964 (!) ist sein Debutalbum erschienen. Ebenso wie Miles Davis hat er Rockelemente mit in die Jazzmusik genommen und ist dadurch sehr populär geworden. Er hat unter anderem mit Bob Stenson, Chico Hamilton, Keith Jarrett, Ron Carter, Dave Holland, Brad Mehldau, Bobby Mc Ferrin und zuletzt mt Bill Frisell gespielt. Die Liste ließe sich weiter fortführen.

Bill Frisell stand heuer in Perugia mit auf der Bühne, auch er ist schon 71 Jahr alt.

Ein Bilck auf die Homepage von Charles Lloyd lohnt sehr. Alles ist sehr informativ verpackt. Die letzten beiden Alben „Tone Poems“ und „8: Kindred Spirits“ sind sehr zu empfehlen.

https://charleslloyd.com/

Tom Jones (Jahrgang 1940)

Auf den ersten Blick nicht gerade dem Jazz zuzuordnen, aber dennoch auf dem Jazzfestival in Perugia war einer zu sehen, der ebenfalls schon seit gefühlten Ewigkeiten auf der Bühne steht – Tom Jones, genauer Sir Thomas John Woodward.  Er ist ein Entertainer und Showman, wie man ihn wohl heute selten findet. Auch er hat bereits in den 60-er Jahren das erste Album herausgebracht. Heuer in Perugia war er körperlich leicht gezeichnet, mit einem Hüftleiden musste er das Konzert angelehnt an einen Hocker bestreiten. Seiner Show und seiner Stimme tat das keinen Abbruch. Man glaubt es kaum, wie man mit 82 Jahren noch so viel Power und Ausdruck in der Stimme haben kann. Tom Jones spielte große Hits u.a. von Prince, Joe Cocker oder Bob Dylan. Aber auch einige alte bekannte und neue Songs aus seiner Feder standen auf dem Programm. Bei „Sex Bomb“ tobte die Menge. Ein Live-Mitschnitt des Titels „I’m Growing Old“ aus einem Autritt heuer in London hier im Video:

Herbie Hancock (Jahrgang 1940) und Chick Corea (1941)

Auch Herbie Hancock war heuer in Perugia auf dem Programm. Ich selber habe sein Konzert nicht gesehen, habe aber gehört, dass er einen grandiosen Auftritt hinlegte. Auch Herbie Hancock ist schon über 80. So wie Chick Corea und auch die beiden oben genannten startete er seine Karriere in den 60-er Jahren. Im Folgenden sind zwei Videos zu sehen, einmal ein Livemitschnitt von Herbie Hancock’s legendärem Titel „Cantaluope Island“ vom heurigen Glastonbury-Festival (GB) und zum anderen die Albumvorstellung von Chick Corea’s letztem Album „Trilogy 2“. Chick Corea ist leider 2021 nach einer Krebserkrankung verstorben.

Cecil Taylor (Jahrgang 1929)

Für mich einer der unglaublichsten, intensivsten und krafvollsten Jazzpianisten aller Zeiten ist Cecil Taylor. Bereits 1929 geboren und 2018 verstorben. Hier ein Konzertmitschnitt aus 2009 im Alter von 80 Jahren (hier ebenfalls aus Perugia).

Weg nun von Musikern mit einem Alter von über 80 Jahren, hin zu Leuten, die ich im heurigen Sommer auch noch live erleben konnte.

Zuerst war in Hall der Burgsommer, leider an dem Tag total verregnet. Das Publikum war in Einwegponchos oder sonstigen Regenschutz verhüllt. Die meisten Gäste haben tapfer ausgeharrt und die Musik dennoch genossen.

Als Vorgruppe spielte Felix Kramer mit seiner Band. Ein junger Wiener Liedermacher mit kritischen Texten und einem sehr interessanten Sound.

Live in der STANDARD-Redaktion: Felix Kramer – Standard Player – derStandard.at › Kultur

Als Haupt-Act war dann eine Formation am Werk, die viel Spannung versprach. Ernst Molden, Ursula Strauss, Herbert Pixner mit Band. Ernst Molden vertonte Sagen aus ganz Österreich zu einem äußerst witzigen und abwechslungsreichen Musikabend.

Dann ein ganz spezielles Treibhauskonzert mit der New Yorker Band Hazmat Modine. Musik zwischen Blues, Jazz und Klezmer. Extrem energiegeladen, witzig und rhythmisch. Der Treibhausgarten wippte im Takt, die Stimmung war ungemein ausgelassen.  

Im Treibhaus – Hazmat Modine. Tolle Stimmung unter den Musikern und im Publikum.

Um den Bogen wieder zurück zum Jazz und vor allem zu dem pulsierenden Umbriajazz-Fest in Perugia zu spannen, präsentiere ich noch einen Leckerbissen für Liebhaber der ruhigen Jazztöne. Der italienische Startrompeter Paolo Fresu spielte mit Rita Marcotulli am Klavier und Jaques Morelenbaum am Cello. Unglaublich schöne Töne in einer wirklich schönen Umgebung im Teatro Morlacci mitten in Perugia. Lehnt euch zurück und genießt den Augenblick.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig Geschmack auf schöne Musik machen und bin froh, wenn es im Herbst und Winter genauso ungetrübt weiter gehen kann mit Konzerten in den unterschiedlichsten Richtungen. Irgendwie kommt mir vor, man genießt es nach der fast zweijährigen Pause umso mehr.

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Peter Oberhofer

Peter ist seit Ende 2012 Redaktionsleiter der DZ. In Inzing ist er außerdem bei der Klimabündnisgruppe engagiert. Umwelt- und Klimaschutz, Energiesparen, öffentlicher Verkehr sind ihm ein wichtiges Anliegen.

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