25. April 2024
Newsletter   

Alfreds (W)Einsichten / G

© Stefan Schweihofer auf Pixabay
Lesedauer ca. 6 Minuten

Weinalphabet: Buchstabe G

Glasherstellung – und einige Gedanken dazu

Heute ist Glas ein preiswerter, in verschiedensten Formen und Farben angebotener verschlussfähiger Alltagsartikel, der auch wiederverwertet wird. Wenige wissen, dass die Herstellung extrem gasabhängig ist und unter großer Hitze von über 100 Grad geschieht.Außerdem müssen vor dem Einschmelzen alle Metalle und anderen fremden Anteile entfernt werden – riesige Öfen und technische Anlagen sind dafür notwendig.
Es steht außer Zweifel, dass die Preise aktuell auch bei Glas rasch steigen werden. Bleibt wohl auch zu hoffen, dass irgendwelche effekthascherischen Flaschen mit einem Leergewicht von 0,9 kg, die dem Kunden „Gewicht“ suggerieren und auch für no-name Weine in millionenfacher Ausfertigung verwendet werden, bald der Vergangenheit angehören. Der neueste Hit ist, sein Logo auf/in der Glasflasche anzubringen.
Den Marketing-Strategen ist jedenfalls nicht leicht beizukommen. 
Der Siegeszug der Glasflasche basiert jedoch auf den unschlagbaren Vorteilen dieses Materials. Es ist sauber, man kann es reinigen, etikettieren, dicht verschließen, und auch transportieren. Allerdings dauerte es schon gut 200 Jahre, bis die Endform gefunden war – nämlich eine fast bruchfeste, zylindrische Form, die man auch stapeln konnte.
Große Probleme machten anfänglich die Schaumweine, die ja in ihrem Ursprung durch natürliche Kohlensäuregärung entstanden sind und einen Eigendruck von 4 bis 5 bar hatten und auch heute noch haben. Es gibt Notizen bei Roederer, wo von einer Wagenladung von bestem Champagner nach Petersburg nur ein Drittel der Ware heil ankam. Das Rütteln des Pferdegespanns erweckte das Leben des Inhalts vorzeitig.
Seit der Römerzeit kannte niemand mehr die Vorzüge einer vollständig verschlossenen Weinflasche, nämlich dass es nun (wieder) möglich war, dass der Wein reifen und sich so verändern konnte, dass er nach einigen Jahren eine neue Geschmacksdimension angenommen hatte. Die Reifung hängt vom vorhandenen Sauerstoff, aber auch Kohlendioxid ab. Alle Lebensprozesse der Organismen, die an Aroma und Geschmack des Weines beteiligt sind, werden in der verschlossenen Flasche stark verlangsamt, und zwar umso mehr, je kühler die Flasche aufbewahrt wird. Die Flaschengröße spielt natürlich auch eine wesentliche Rolle, weil dadurch der Sauerstoffanteil im Verhältnis immer geringer wird. In Anlehnung an die irgendwann entwickelten Größen der Champagnerflaschen entstanden – als Blickfang und Marketingaktivität nunmehr

Flaschen von 0,75 bis 18 Liter Füllinhalt
So eine „Big Bottle“ vermag schon aufzufallen, alle namhaften Champagnerhäuser führen Flaschen in 0,75, 1,50, 3,0, 6,0, 9, 12 und 15 Litern und auch die bekannten Bordeaux-Güter haben Magnums, Doppelmagnums, Imperiales und Sonderfüllungen im Portfolio.
Bei Adi Werner im Arlberg-Hospiz lagern solche – zumeist 6 litrige Imperials zuhauf und reifen – geschützt, klimatisiert ihrem voraussichtlich lustigen Ende entgegen. Mittlerweile kann man auch einschätzen, wann welcher Wein seinen (hoffentlichen) Höhepunkt hat. Der ist allerdings nicht auf einen Monat beschränkt, denn langlebige Weine besitzen eine eher flache, nur langsam ansteigend- und langsam abflachende Lebenskurve. Die kann von 10 bis 25 Jahre dauern – und auch mehr.

Grüner Veltliner – vom Heurigen auf die Weinbühnen der Welt

Keine Rebsorte des deutschsprachigen Raumes hat in den letzten Jahren eine vergleichbar
rasante Entwicklung genommen wie der Grüne Veltliner – made in Austria! Früher war sie seit der Römerzeit angebaute Sorte so etwas wie die Nationalheilige – noch 1999 war ihre Anbaufläche bei 36 % und bei 89 %  in Niederösterreich – und das bei stattlichen Erträgen. Heute ist vor allem der Veltliner die Sorte, mit der Österreich im Export punktet.

Seit einiger Zeit ist es schick, in den Metropolen New York oder Boston ein „Gruner“ zu bestellen. Die Amis haben den Chardonnay wohl satt bekommen, oder auch ein österreichischer Sommelier ist im Haus. Dass nunmehr ein Brite die Geschicke der „Weinmarketing Austria“ leitet, sagt schon einiges über die Zielrichtung aus. Und Chris York ist ein bekennender Fan der Haus-und Hofsorte geworden!
Seit nunmehr 20 Jahren gibt es neben den frischen, eher säurebetonten Typen auch kraftvolle Veltliner-Monster mit 14 und mehr Alkoholgraden. In medienwirksamen Vergleichsproben konnten diese locker manch eintönige Chardonny-Weine aus dem Burgund und Kaliforniens ausstechen und so zur Bekanntheit beitragen. Der Sorte gelingt das Kunststück, einen kraftvollen und unerhört intensiven Wein zu erbringen, oppulente Fülle, Dichte und von tropischer Frucht getragen. Beispiel Gobelsburg „Lamm“, Bründlmayer Käferberg, FXPichler M, Proidl Ehrenfels und viele andere mehr.

Alte Reben, geringer Ertrag, mineralische Böden sind die Parameter für diese Blockbuster. Neben diesen Extremen haben sich inzwischen Grüne Veltliner in mannigfaltigen Erscheinungen differenziert: limettenfruchtige, rassige Leicht- bis Mitelgewichte – vor allem aus Niederösterreichs Weingärten, rauchig-mineralische Veltliner von Schiefer-, Gneis- und Granitböden, die in der Jugend nur schwer von einem Riesling zu  unterscheiden sind; vollsaftige und pikante Veltliner vom Löss (Codewort Wagram). Es existieren aber auch zurückhaltende, noble und keinesfalls laute Veltliner von Kalkböden (Leithaberg und Co). Superbe edelsüße Auslesen und Beerenauslesen (wenn die Witterung passt) runden den breiten Verwendungsbogen ab.


Vor allem aber ist der Wein ein universeller Speisenbegleiter – man wird auf der ganzen Welt kein Gericht finden, zu der nicht ein passender Veltliner eine der besten Wahlen sein wird.
Das gilt genauso wie für asiatisch-würzige Gerichte als auch zum Bratl mit Erdäpfeln und Co.
Einen ungefähren Anflug dieser Sorte konnte eine Gruppe von Inzinger Weinreisenden und kulinarischen Typen im Mai dieses Jahres in der Wachau bei der Frau Saahs, im Weinviertel bei den lyrischen Kleins, in Strass bei der charismatischen Birgit Eichinger und im grandiosen Heurigen des Bernd Pulker in Rührsdorf an der Donau erkunden.

Griechenland – 4000 Jahre Geschichte trifft auf Innovation

Wer über griechischen Wein spricht, braucht einen langen Atem. Die Weintradition reicht mehrere Jahrtausende zurück. Dazu gesellen sich modernes Know-how, viel Ambition, eine Palette von wertvollen Rebsorten – Zutaten für einen Weinboom made in Hellas. Die ersten, die mit Wein handelten, waren die ionischen Griechen, die aus Kleinasien stammten. Im 6. Jahrhundert vor Christus landete man in Massalia (Marseille) und brachte den Galliern nicht nur eine gesittete Lebensweise und den Ackerbau, sondern auch das Beschneiden des Rebstockes bei. Wein war ein Handelsobjekt, mit dem die Griechen in Ägypten Getreide, in Andalusien Silber, im Kaukasus Holz und in Spanien Wolle erwarben. Die Keimzelle der einst hochstehenden Weinkultur findet sich auf Kreta, wo schon vor 4000 Jahren Reben gepflegt wurden. In Heraklion findet man im Museum Relikte einer alten Steinkelter, Amphoren, die auch Wein enthielten, und einige weitere Arbeitsgeräte aus dieser Zeit. Die Qualität war trotz der laut Homer „rebenreichen und vieltraubigen“ Gegenden nicht immer gut. So galt der Korinthische Landwein als „geeignet für die Folter“, manchmal zog er „Augenbrauen und Unterleib“ zusammen. Deshalb wurden die ersten Weingesetze der Welt fixiert – unter Drakon wurde Obst-und Weinbau um 2600 v.Chr. Geregelt. Der Philosoph und Naturforscher Aristoteles gab schon vor 300 v.Chr. Anregungen für die Anlage von Weinbergen unter der Berücksichtigung von Lage und Wind.
Als Griechenland zur römischen Provinz Achaia wurde, betrieben Bauern und Klöster Weinbau, dann kamen die Venezianer und später die osmanischen Türken. Damit kam der Weinbau fast zum Erliegen. Nach langen Kämpfen wurden die Besatzer vertrieben und Engländer, Franzosen und Russen bestätigten 1830 die Souveränität des griechischen Königreiches. Nach den Verirrungen des 1. und 2. Weltkrieges, der kurzen Monarchie und Militärdiktatur und Anpassung des Weingesetzes an das französische war mit 1981 der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft das maßgebliche Datum, mit dem sich vieles verbesserte. Es flossen reichlich Mittel, die es ambitionierten Kellereien erlaubte, sich neu zu orientieren. Endlich wurde das – schon immer vorhandene – Potential genutzt.

Heute sind die Weinproduzenten und Kellermeister zumeist in Frankreich (z.B. Montpellier) gut ausgebildet. Branchenfremde Investoren leisteten sich Weingüter in den besten Gegenden und die Genossenschaften fanden bessere Arbeitsbedingungen und Absatzmärkte vor.
Überall ist Ehrgeiz spürbar. Die besten griechischen Weine haben das Niveau von internationalen Klassegewächsen und eröffnen durch die Verwendung von „eigenen“ Sorten wie zB. Agiorgitiko und Moschofilero neue Geschmacksdimensionen. Innerhalb von 25 Jahren hat Griechenland den Sprung aus dem Mittelalter in die Neuzeit geschafft!

Hier die interessantesten Gebiete mit ihren besten Weinen:
Im Norden die AC Naoussa und Goumenissa mit dem tieffärbigen und auch säuregeprägten Xynomamavro, weiter im Süden die Gegend von  Rapsani beim Olymp, auf der Pelleponnes die Zentralregion von Nemea mit dem grandiosen Agiorgitiko, die Weißweinzone um Patras und Pirgos. Eine Sonderstelllung nimmt natürlich Kreta ein, wo duftige Weißweine aus den Sorte Moschofilero und Assirtiko und gute Rotweinblends entstehen.
Bekannt und bei den Griechen sehr beliebt sind die Likörweine von Limnos, Santorini und Samos und auch Kephalonia, wobei vor allem Spielarten der Muskateller – Familie mit Weingeist oder natursüß angeboten werden.
Der altertümliche Retsina wird zwar noch – für Touristen und Co – erzeugt, allerdings ist der Harzanteil reglementiert – und kann auch zur herzhaften Küche des Landes passen.
Ouzo ist der Anisbranntwein, mit Wasser verdünnt durchaus ein anregender Aperitif, ebenso gibt es den oft sehr guten Grappa, der in Griechenland „Tsipouro“ heißt, der Raki ist der etwas kernige Weingeist, auch manchmal mit Kräutern und Anis angesetzt.

Stilleben auf der Terrasse von Kephalonia (© iStock)

Diesen Artikel teilen:

Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

Alle Beiträge ansehen von Alfred Walch →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert