Text: Johann Jenewein, Fotos: Irene & Johann Jenewein
In Kirkenes angekommen, trafen wir uns bei der Skulptur der drei Frauen mit dem Führer des Grenzlandmuseums. Dieses beschäftigt sich mit drei Themenblöcken.


Das Grenzlandmuseum
Im ersten Raum werden Gebrauchsgegenstände der Samen und Bilder der früheren Lebensweise der hier angestammten Bevölkerung gezeigt.

Der zweite Raum ist dem Nord-Samischen Künstler John Savio gewidmet. Er ist vor allem für seine Holzschnitte bekannt, die das Leben der Samen des frühen 20. Jahrhunderts zeigen. Der im Jahr 1902 geborene Künstler verstarb im Alter von nur 36 Jahren an einer schweren Krankheit. Für seine Kunstwerke wird er in ganz Nordnorwegen anerkannt und geliebt.

Im dritten Raum werden die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf die Region dargestellt. Kirkenes war die meistbombardierte Stadt Norwegens. Wegen der strategischen Nähe zur russischen Hafenstadt Murmansk, verlegte das nationalsozialistische Deutschland 30.000 Soldaten nach Kirkenes. Daneben wurden deutsche Seestreitkräfte und ein Luftwaffengeschwader stationiert. Sowjetische Kampfflugzeuge bombardierten Kirkenes bei Tag und Nacht. In einem zermürbenden Erschöpfungskrieg gelang es der Roten Armee, die deutschen Truppen zurückzuschlagen.


Das sowjetische Denkmal in der Nähe des Hafens wurde in Erinnerung an diese Befreiungsaktion erstellt. Im Luftschutzbunker Andersgrotta suchte die Zivilbevölkerung Zuflucht bei den mehr als 300 Luftangriffen auf Kirkenes. Dieser historische Hintergrund machte eine in Europa einmalige Sonderregelung möglich. Russen und Norweger, die in einer 30-Kilometer-Zone wohnten, reisten von April 2010 bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 visumfrei hin und her.





Die russische Grenze liegt von Kirkenes 15 Straßenkilometer entfernt. Bevor wir zur Rückfahrt nach Inari aufbrachen, machten wir diesen kleinen Abstecher zur Grenzstation. Nach Murmansk hätten wir noch rund 200 Kilometer zu fahren.

Wenige Häuser und viel Landschaft
Nach kurzer Fahrt erreichten wir die Ortschaft Näätämö und waren damit wieder in Finnland. Der Weg führte uns zurück in das schon bekannte Inari. Schließlich erreichten wir Nellim, die letzte Station unserer Reise. Nellim ist eines der 22 Dörfer der riesigen Gemeinde Inari.

Gänzlich unerwartet tauchte in der unendlichen Weite von Seen und Birkenwäldern der Ort Näätämö auf. Er besteht aus ein paar wenigen Häusern und viel Landschaft. Trotz der Entfernung von 111 Kilometern gehört auch Näätämö zur Gemeinde Inari.


Nach der Ankunft in Inari gingen wir, wie am ersten Tag unserer Reise, zum vereisten Fluss. Die späte Nachmittagssonne zauberte im Vergleich zu unserer damaligen Wanderung eine gänzlich veränderte Lichtstimmung auf die bizarren Eisschollen.


Am nächsten Tag beschäftigten wir uns im Museum Siida noch einmal mit dem traditionellen Leben der Samen. In der vergangenen Nacht hatten wir Sàmi gesehen, den Feuerfuchs. Er läuft im Winter über den Himmel und entzündet mit seiner Rute die Funken der Nordlichter. Oder waren es die Seelen der Verstorbenen? Seit undenklichen Zeiten leben die Bewohner dieses Landstrichs mit dem magischen Himmelslicht. Viele Legenden und Mythen versuchen diese Erscheinung zu deuten. Wie sonst hätten es sich die Menschen der früheren Jahrhunderte erklären können?


Die Huskys konnten es nicht mehr erwarten. Ungeduldig bellend zerrten sie an ihrem Geschirr. Uns ging es wie den aufgeregten Vierbeinern. Auch wir freuten uns auf die in Kürze startende Hundeschlittenfahrt. Im Wilderness Hotel Nellim wurden wir von unserem Guide in die Fahrtechnik eingewiesen. Eine Person führte das Gespann, die andere saß vorne im flachen Schlitten. Zur Gleichbehandlung wechselten wir uns gegenseitig ab. Dann stand der flotten Fahrt hinaus auf den gefrorenen Inarisee nichts mehr im Wege.


Gleich nach der Ankunft im Wilderness Hotel waren wir mit einem dick gefütterten und wärmedämmenden Overall eingekleidet worden. Karin informierte uns, dass das Hotel ausgebucht sei und deshalb mehrere unserer Gruppe in Ferienhütten ausweichen müssten. Auch wir wurden um unser Einverständnis gebeten. Wir hatten damit kein Problem und gingen gleich über den gefrorenen See zu unserer ca. 500 Meter entfernten Unterkunft.


Sehr schnell fanden wir, dass es sich hier sehr gut aushalten lässt. Vor uns lag die schneebedeckte Eisfläche des Inarisees. Unverzüglich starteten wir zur ersten Erkundungsrunde um unser Ferienhaus. Schon bald senkte sich die Dunkelheit auf Nellim herab. In dieser Nacht konnten wir zwei Mal Nordlichter beobachten.



Rund um Nellim
Auf unserer zweiten Runde durch Nellim trafen wir auf die orthodoxe Kirche von Nellim. Sie wurde im Jahr 1987 von Skoltsamen erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Finnland die östlich gelegene Region Petschenga an die Sowjetunion abtreten musste, wurden sie nach dem Verlassen ihrer ursprünglichen Heimat hier angesiedelt.


Wir liebten diese eigenständigen Entdeckungstouren, für die die wir immer genügend Zeit hatten. Nellim ist eine weitverzweigte Streusiedlung entlang des Inarisees, 10 Kilometer westlich der russischen Grenze. Die 200 Einwohner betreiben Rentierzucht, Forstwirtschaft und arbeiten im Tourismus. Im Winter, so wurde uns erzählt, nehmen die schweren Holztransporter häufig Abkürzungen über den gefrorenen Inarisee. Für den Personenverkehr ist diese zeitsparende Variante nicht erlaubt.


Viel zu schnell waren die Tage unserer Winterreise in den hohen Norden Europas vergangen, einer Reise, die man sich nur erträumen kann. In der letzten Nacht fuhren wir mit dem Snowmobil hinaus auf den Inarisee, nochmals gebannt vom Zauber des Nordlichts.

