29. April 2024
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Was ist schon „normal“?

Lesedauer ca. 2 Minuten

„Alternative für Deutschland. Für die normalen Leute.“ und die Diskussion, die gewisse heimische Politiker:innen angestoßen haben: Diesen Sommer scheint es darum zu gehen, zu definieren, wer oder was in der Gesellschaft als „Mitte“, als die eben sogenannten „normalen Leute“, angesehen wird.

Ich persönlich finde die Äußerungen mancher zu diesem Thema bedenklich. Denn, was ist schon „normal“? Wer entscheidet und bestimmt, was der Durchschnitt ist, das Gewünschte und Gewollte?

Und weshalb ist dieses Thema derart aufmerksamkeitserregend, wo wir doch in einer Gesellschaft leben, die Individualität und Selbstverwirklichung hochhält?

Gewiss, in der Politik macht es Sinn, sich auf Kompromisse zu einigen, die eine große Mehrheit der Bevölkerung mittragen kann und Lösungen zu finden, die für möglichst viele passend sind. So funktioniert die Demokratie. Aber auf der anderen Seite ist auch gerade der Schutz der Rechte und Meinungen von Minderheiten ein zentraler Bestandteil eines funktionierenden politischen Systems.

Kürzlich führte ich eine anregende Diskussion über all diese Gedanken. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich es schwierig finde, über gewisse Problematiken zu sprechen, wenn ich merke, das Gegenüber vertritt eine gegenteilige Ansicht.

Beispielsweise würde ich mich selbst als eine Person bezeichnen, der der Schutz unserer Umwelt und das Thema Nachhaltigkeit ein Anliegen ist. Aber gleichzeitig verreise ich auch selbst sehr gern, auch mit dem Flugzeug, und es gibt Dinge, auf die ich mir nur schwer vorstellen kann, zu verzichten. Wenn ich nun mit strikten Umweltschützer:innen (oder andersseitig: mit Menschen, denen die Natur eher egal ist) spreche, wer ist dann hier „normal“ oder im Recht?

Ist es nicht gerade wichtig, stetig genau darüber zu diskutieren, den Austausch nicht zu vergessen und miteinander zu sprechen, auch wenn man akzeptieren muss, oft auf keine gemeinsame Lösung zu kommen? Ich finde, eine lebendige, respektvolle Debattenkultur – das wäre „normal“!

Ich finde es nervig, dass manche „Mädchenkram“, wie die Popmusik im Radio, abschätzig betrachten. Mir ist die Natur wichtig, aber ich finde, der Ansatz der Letzten Generation, sich auf Straßen festzukleben, geht am Thema vorbei. Ich mag die Farbe Lila.

Das sind alles Meinungen, die man nicht teilen muss, aber dazu stehen und miteinander sprechen, das sollten wir.

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2 Gedanken zu “Was ist schon „normal“?

  1. Hallo Sarah
    und danke für diesen Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Ich dachte auch schon daran dieses “Normal-Thema” anzusprechen, aber besser als du es hier angerissen hast kann es wohl nicht gemacht werden.
    Wenn “normal” das ist, was die Mehrheit öffentlich vertritt (wer weiß ob aus Überzeugung oder aus Angst vor Repressionen) dann ist es sicher auch nicht immer das Beste für alle und daher umso wichtiger auch die anderen Meinungen zu berücksichtigen. Um Beweise dafür zu finden muss man auch nicht in die Zeit der Hexenverbrennungen zurückgehen, es gibt viel näher liegende Ereignisse die uns die Augen öffnen könnten.
    Und ja, es ist oft nicht einfach mit Personen eine gute Unterhaltung zu führen, die gänzlich konträre Meinungen vertreten, aber es geht und wenn beide sich nur ein wenig bemühen sogar konfliktlos.
    Jedenfalls wäre jeder Fortschritt und jeder Wandel unmöglich, wenn immer nur die Mehrheit entscheiden und ihre Meinungen durchsetzen würde. Beinahe alles Neue beginnt mit einer Person, die eine abweichende Meinung oder Vorstellung hat (zum Beispiel: Keppler, Galilei, Newton, Einstein, Darwin, …)
    Danke nochmal, Robert

  2. Gut gebrüllt, Löwin! (sehr frei nach Shakespeare)
    Ein Grund, warum Gespräche mit Andersdenkenden immer schwieriger werden, ist wohl, dass wir uns daran gewöhnt haben, in den sozialen Medien vorsichtig zu sein mit unseren Äußerungen, weil man sich sonst sehr leicht einen Shitstorm als Antwort einfängt. Diese Vorsicht schlägt als eine gewisse Scheu oder Zögerlichkeit, die eigene Meinung im “echten” Gespräch zu äußern, durch.
    Die “normal”-Debatte ist für mich unnötig aufgebauscht und zwar von allen Seiten. Das lenkt von den dringend anstehenden Aufgaben und Problemen der REgierungsarbeit ab, ich nenne da nur die endlos herumliegenden Gesetzesvorschläge und nicht besetzten hochrangigen Posten, von den großen Krisen ganz zu schweigen.

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