20. April 2024
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Kulturarbeit und Corona

Lesedauer ca. 3 Minuten

Ob in der Früh beim Zeitungslesen, am Weg zum Homeoffice (ich weiß, wie privilegiert das ist), den Erzählungen vom Homeschooling, beim Nachmittagskaffee (natürlich nur mit den Menschen, die im selben Haushalt leben), beim Durchblättern des Falters, den Mails mit dem Steuerberater, wie die Kurzarbeit zu organisieren sei, bis hin zum abendlichen Fernsehen (ZIB 1 und ZIB 2) das Corona-Virus ist derzeit das allbestimmende Thema der Haushalte Österreichs. Auch hier am Blog der Dorfzeitung tummelt sich der eine oder andere Beitrag mit Covid-19 als Thema.

Als Mitte März verkündet wurde, dass in den kommenden Wochen das Haus nur mehr in Ausnahmefällen verlassen werden darf, habe ich mir, haben wir uns viel vorgenommen. Eine Liste geschrieben. Z.b. den Keller auszuräumen und einen Proberaum einzurichten, damit der Sohn, ohne die unmittelbaren Nachbarn zu stören, Schlagzeug üben kann (und vielleicht ein bisschen, damit der Vater auch hin und wieder etwas Krach mit der Gitarre machen kann). Oder für den Blogeintrag der Dorfzeitung Inzing eine kleine Fotoserie auszuarbeiten, einen visuellen, künstlerischen Beitrag zu posten. Um es kurz zu machen, nicht viel von der Liste wurde in den letzten vier Wochen erledigt. Und das hat relativ wenig damit zu tun, dass der Recyclinghof zur Zeit geschlossen ist.

Und für den Beitrag am Blog der Dorfzeitung (nachdem klar war, dass die Arbeit in der Dunkelkammer noch länger auf sich warten lässt) oder nur für die Gedanken, wovon dieser Beitrag handeln könnte, blieb ebenfalls wenig Zeit.

Das ständig vorherrschende Thema beschäftigt mich aber auch in einem anderen Zusammenhang. Wie vielleicht einige Leser und Leserinnen wissen, gestalte ich einige wenige Sendungen auf Freirad, dem freien Radio Innsbruck. Eine davon ist eine monatliche Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, die jeden 2. Freitag im Monat ausgestrahlt wird. Das Thema im April: Archiv- bzw. Museumsarbeit in Zeiten von Corona. Schon zum Material also dem Interview zu kommen, war diesmal eigenartig. Lukas Morscher, der Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, nahm zu Hause für sich selbst einige Gedanken und Erklärungen zu den Änderungen auf und ich machte daheim meine Sendung daraus. Im Übrigen hat das Stadtarchiv/Stadtmuseum die Zeit genützt, um eine hübsche Seite mit alten Fotos aus Innsbruck zu machen. Ein Stöbern lohnt sich und kann ein netter Zeitvertreib sein.

Und auch eine zweite Sendung, die voraussichtlich am Osterdienstag ausgestrahlt werden wird, beschäftigt sich mit dem Corona-Virus. In diesem Fall mit den Auswirkungen auf die sogenannte freie Szene, also all jene Kulturinitiativen, KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen, die mit ihren Angeboten das Land so bunt machen.

Die TKI, der Dachverband und Interessensgemeinschaft der Tiroler Kulturinitiativen, hat in Folge einer Umfrage der IG Kultur Österreich die Daten und Ausfälle der freien Szene veröffentlicht. Die rund 20 Kulturinitiativen (das sind 15% der Mitglieder der TKI), die sich an der Umfrage beteiligt haben, geben an bis 13. April einen Ausfall von ca. € 580.000 zu haben. Wenn das Veranstaltungsverbot, wie angekündigt, bis Juli aufrecht bleibt, erhöht sich diese Summe auf etwa 1 Million Euro. In diesem einen Monat bis 13. April mussten über 250 Veranstaltungen abgesagt oder verschoben werden und etwa 250 Dienstverhältnisse sind davon betroffen. In dieser Presseaussendung der TKI kann man sich ein genaueres Bild über die Zahlen machen.

Fast kann man erleichtert sein, dass das Wegmacherhaus nicht so eine Erfolgsgeschichte war, wie in meinem letzten Beitrag hier am Dorfzeitungsblog geschildert. Der Ausfall von etlichen Veranstaltungen hätte nicht nur finanziell geschmerzt. Wie gut, dass wir das nicht erleben müssen.

Was bleibt ist die angespannte Situation für die zahlreichen Kulturinitiativen in Tirol, auf die oft vergessen wird. Auch wenn mir bewusst ist, dass es für viele Menschen und Unternehmen eine sehr schwierige Zeit ist, für die Kulturinitiativen und ihre MitarbeiterInnen gilt das auch. In diesem Sinne möchte ich schon jetzt für die Zeit nach der Ausgangssperre dazu aufrufen, seinen Hintern lieber einmal öfter von der Couch zu bewegen und Unterstützung zu zeigen, indem man Veranstaltungen besucht.

Und ein letzter Gedanke: lassen wir uns nicht davon blenden, dass derzeit so viele KünstlerInnen online gratis zur Verfügung stehen. Wir alle brauchen Geld zum Leben und das bedingungslose Grundeinkommen wird leider noch immer nicht ernsthaft diskutiert.

PS: Das Bild ist 2010 in Siem Reap aufgenommen. Siem Reap ist berühmt für die Tempel von Angkor Wat, die zum Teil von riesigen Bäumen überwuchert sind. Vielleicht wäre das ein Bild, das in der Dunkelkammer ordentlich ausgearbeitet gehörte.

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Michael Haupt

Michael nennt sich selbst gern Kulturarbeiter und macht das in verschiedenen Feldern, sowohl beruflich, als auch in seiner Freizeit. Letztlich geht es ihm dabei immer um die politische Dimension von Kultur. Um ihr Potenzial, die Gesellschaft vorwärts zu bringen, in dem sie Themen und Fragestellungen auf andere Art aufwirft. Das wird sich auch in seinen Artikeln für den Blog zeigen.

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4 Gedanken zu “Kulturarbeit und Corona

  1. Als rege Besucherin von Kino, Konzerten und anderen Veranstaltungen sorge ich mich sehr um die vielen freischaffenden Künstler*innen und ebensolches Infrastrukturpersonal (Ton, Licht, etc.). Ich finde es schön, dass manche online gratis etwas von sich bereitstellen. Aber es gibt auch viele Möglichkeiten zur Unterstützung, ob als Spende oder als pay-as-you-wish Beitrag für live streams. Am besten auf facebook oder der Website der Lieblingskünstler*innen nachschauen, wie man helfen kann (so lange man selbst noch nicht Not leidet).

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