4. Dezember 2024
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Ein Kapitel geht zu Ende

Lesedauer ca. 4 Minuten

Ich habe Mitte Oktober nach langer Überlegung und nach etlichen Gesprächen im Freundeskreis meine Aufgabe als Klimabeauftragter der Gemeinde Inzing zurückgelegt. Natürlich bin ich zwiegespalten, einerseits weiß ich, dass es dringend jemanden braucht, der sich um Maßnahmen gegen den Klimawandel kümmert, andererseits ist mir klar geworden, dass ich es nicht geschafft habe, den Gemeinderat für die Dringlichkeit im Zusammenhang mit der Klimakrise ausreichend zu sensibilisieren.  

Meiner Meinung nach ist in den letzten 2 ½ Jahren schon etwas weitergegangen, aber wohl viel zu wenig. Das war aber gar nicht das große Thema. Würde man ernsthaft dran arbeiten und würde manches „nur“ in der Umsetzung feststecken, dann hätte ich großes Verständnis. Öffentliche Stellen mahlen einfach langsamer. Die 500 Stunden Aufwand, die ich seit der Bestellung zum Klimabeauftragen Mitte 2022 aufgewendet habe, sind leider zu einem guten Teil verpufft. Ich habe Veranstaltungen organisiert, Simulationen gerechnet, Fragebögen ausgearbeitet oder einfach Ideen vom Klimabündnis Tirol an die Gemeinde weitergeleitet. Was kam dabei heraus: zumindest die PV-Anlage am Gemeindedach (hier hatte ich kaum Anteil), die Sanierung im Moor Kopfeben, der Adventmarkt als Green Event und die E-Tankstelle. Und vielleicht doch einiges an Gedanken und Ideen, die man weiterspinnen kann – so zumindest meine Hoffnung. Die Zusammenarbeit und Gespräche mit dem Bürgermeister Sepp Walch und in den Ausschüssen war jedenfalls immer sehr freundlich und vor allem wertschätzend. Dafür vielen Dank.

Einiges ist natürlich auch offen geblieben. Unter anderem die Erarbeitung und Präsentation einer Energiebuchhaltung. Schon aus den ohnehin vorhandenen Monatsdaten hätten wir für die Gemeinde vermutlich die ersten Sparpotentiale herauslesen können. Ich denke, ohne valide Zahlen lassen sich einige anstehende Projekte nur aus dem Bauch heraus entscheiden. Dazu kommt, dass man die Entscheidungen für z.B. Sanierungen oder Heizungstausch auch nachträglich nicht gut evaluieren kann.

Bei meinem letzten Vortrag vor ein paar Monaten im Gemeinderat waren vielen Gemeinderät:innen der Meinung, dass etwas weiter geht. Das stimmt teilweise auch. Die schlechte Nachricht ist aber, dass wir früher als prognostiziert, das Parisziel von global +1,5°C bereits heuer erreicht haben. Die gute Nachricht: In Österreich gab es in den letzten beiden Jahren eine Reduktion der Treibhausgase um jeweils etwa 6%. Europaweit sind die Emissionen sogar um 8 % zurückgegangen. Das würde bedeuten, dass wir Kurs auf die angepeilte Klimaneutralität 2040 eingeschlagen haben. Diese Reduktion lässt sich nicht zu 100% auf die Maßnahmen der Bundesregierung festmachen. Sicher ist aber, dass neben der Wirtschaftsentwicklung auch die extrem hohen Förderungen beim Heizungstausch, in der E-Mobilität und das Klimaticket einen erheblichen Anteil am Rückgang der CO2-Emissionen haben. In Inzing habe ich hingegen während meiner Zeit als Klimabeauftragter mit Ausnahme der PV-Förderung kaum Hilfestellungen für die Bevölkerung wahrgenommen. Punkte, die den Bürger:innen bei der Reduktion der Treibhausgase geholfen hätten, wurden abgelehnt – z.B. Carsharing, Nahwärmeversorgung oder die Ausarbeitung eines Energieversorgungskonzepts. Das finde ich sehr schade.

Ein kurzer Einschub: Geosphere Austria (ex ZAMG) präsentiert eine sehr plakative Darstellung der Temperaturentwicklung auf ihrer Homepage – das sogenannte Klimamonitoring. Hier sieht man am Beispiel der Messstation Innsbruck Universität, wie sich die Temperaturen, aber auch der Niederschlag und die Sonnenstunden entwickelt haben – immer im Vergleich zum Zeitraum 1961-1990. Wenn man die Monate zurückblättert, sieht man fast nur überdurchschnittlich warme Tage (rot). Wenige Tage sind kälter, als der Vergleichszeitraum (blau).

Klimamonitoring — ZAMG

Ich frage mich oft, wie es weiter gehen wird – insgesamt und auch in Inzing. Wie werden sich die Rahmenbedingungen durch die neue politische Landschaft in Österreich und der Welt verändern. Die Situation in der Gemeinde scheint zunehmend auch finanziell schwieriger zu werden.

Umso wichtiger wird es wohl werden, ernsthaft und konsequent darüber nachzudenken, ob eine sukzessive Reduktion der fossilen Treibstoffe (Stichwort Heizungen) in der Gemeinde langfristig nicht sogar Kosten einsparen kann. Auch die konsequente Nutzung des eigenen Stroms über eine Energiegemeinschaft wird garantiert mit Kostenreduktionen bzw. Ertragsgewinnen einhergehen.

Bundespräsident Alexander van der Bellen hat in seiner Rede am Nationalfeiertag hierzu sehr beeindruckende Worte gefunden. Er sagte:

„Die Klimakrise schickt ein extremes Wetterereignis nach dem anderen um den Globus.

Wir müssen jetzt endlich ins Tun kommen, runter mit den Emissionen, Anpassungsmaßnahmen beschleunigen, Investitionen vervielfachen, und bürokratische Prozesse abkürzen.

Wir können es schaffen, wenn wir alle über uns hinauswachsen.

Wir alle, damit meine ich uns Österreicherinnen und Österreicher, und alle Menschen die hier leben. Aber natürlich ganz konkret auch die Politik, die Parteien, Abgeordneten, Landeshauptleute,  Bürgermeister, Gemeinderätinnen.

Ja, all das wird Anstrengungen erfordern. Und es wird neue Lösungen brauchen. Wir werden mit der Art von Denken, das uns hierher gebracht hat, nicht weiterkommen. Wir müssen Neues wagen.

Die Lösungen sind nicht einfach. Aber sie sind möglich. Wenn wir alte Rezepte loslassen und neu denken.“

Ich möchte die Zeit als Klimabeauftragter nicht missen, es war für mich sehr interessant. Ich habe viel gelernt, durfte auch die Ausbildung zum Klimabeauftragten besuchen, habe tolle Begegnungen erlebt und intensive und anregende Gespräche geführt. Auch einiges an Zuspruch aus der Bevölkerung habe ich erfahren. Mir ist klarer als zuvor, dass man als Einzelkämpfer keine Chance hat, etwas zu bewegen. Gerade beim Thema Klimaschutz braucht es immer Mitstreiter und vor allem gemeinsam entwickelte Visionen.  

Daher möchte ich mich gemeinsam mit der Klimabündnisgruppe auch weiter mit dem Thema Klimawandel und Anpassungsstrategien beschäftigen. Wir werden wohl auch weiter Veranstaltungen, wie z.B. Repair Cafés oder Klimakinos organisieren und wahrscheinlich auch neue Ideen aufgreifen.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Gemeinde Inzing einen Nachfolger / eine Nachfolgerin für den Job des Klimabeauftragten findet. Ich wäre sehr gerne auch bereit, meine Unterlagen und meine Ideen zu übergeben und wenn es gewünscht ist, auch für Fragen zur Verfügung zu stehen. Einiges an Know How durfte ich ja in den über 15 Jahren seit meiner Mitarbeit in der Klimabündnisgruppe und in der Zusammenarbeit mit dem Klimabündnis Tirol aufbauen. Ich wünsche dem Gemeinderat alles Gute bei der weiteren Bearbeitung des Klimaplans. Je später es wird, umso wichtiger wird es werden, sich auf die bevorstehenden Veränderungen durch den Klimawandel vorzubereiten.

Auch wenn ich mit der Umsetzungsgeschwindigkeit der Maßnahmen aus dem Klimaplan nicht zufrieden bin, möchte ich dennoch Danke sagen für das entgegengebrachte Vertrauen und die immer sehr wertschätzende Arbeit mit den Akteuren in der Gemeinde.

Bei der Gemeinderatssitzung im November habe ich mich mit einem kurzen Vortrag vom Gemeinderat verabschiedet und im Zuge dessen dem Bürgermeister Sepp Walch stellvertretend für den Gemeinderat ein Buch übergeben, das ich hier auch noch sehr empfehlen möchte:

Der Klimaatlas – 80 Karten für die Welt von morgen. Von Luisa Neubauer. Rowohlt Verlag.

Der Verlag beschreibt das Buch wie folgt: In 80 Karten und Infografiken präsentieren Luisa Neubauer, Christian Endt und Ole Häntzschel überraschende Zahlen und Statistiken – und machen die scheinbar abstrakte Klimakrise dadurch greifbar. Anschaulich und prägnant zeigen die Autor:innen, was die Klimakrise für das Münchner Weihnachtsfest oder die japanische Kirschblüte bedeutet, welche Utopien erst verteufelt und später doch umgesetzt wurden und wie sich Städte verändern müssen, um der globalen Erwärmung standzuhalten. Sie machen klar, wie ernst die Lage ist, aber auch welche politischen, wirtschaftlichen und technologischen Weichen wir noch stellen können.

Ein kluges und optimistisches Buch, das zeigt, wie eine faire, klimaneutrale Welt aussehen kann.

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Peter Oberhofer

Peter ist seit Ende 2012 Redaktionsleiter der DZ. In Inzing ist er außerdem bei der Klimabündnisgruppe engagiert. Umwelt- und Klimaschutz, Energiesparen, öffentlicher Verkehr sind ihm ein wichtiges Anliegen.

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Ein Gedanke zu “Ein Kapitel geht zu Ende

  1. Dear Peter (and DZ Readers),
    I have read with interest your article. After 500 hours of commitment, over two and a half years, as Climate Commissioner for thr Comnunity of Inzing, you have a right to stand down…..especially if the Community Inzing Council has been dragging its feet over this vitally important issue of climate change and the immediate need for dramatic (if not drastic) measures.

    Questions

    1. Has the “friendly cooperation and conversations with the burgomaster” (mentioned in your article) only been symbolic and pro-forma, then?
    2. Why has there been only minimal support from fellow-citizens here on initiatives such as (a) car-sharing, (b) making further provision for local heating and (c) the working out of a clear concept for further energy provision?

    A modest suggestion

    Many Inzing citizens have bicycle fitness machines in their cellars. Rather than they simply exercise themselves egoistically, could they not contribute altruistically to providing electric energy by having such bikes converted to serve as generators to feed into Inzing’s energy supply?

    The cost of such conversions could be met by the burgomaster and Inzing Council.

    Yours cynically,

    Andrew Milne-Skinner

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