10. September 2025
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Leo, was nun?

Jesus Brot.
Lesedauer ca. 4 Minuten

„Wie gefällt dir der neue Papst?“ , wurde ich in letzter Zeit öfters gefragt. „Ich kenne ihn nicht und spür ihn auch nicht“, meine Antwort. Die Bilder, die mich auf unterschiedlichen Kanälen erreichen, sind mir zu oberflächlich, um mir  ein Bild von ihm machen zu können. Außerdem haben Päpste meinen Glauben wenig nachhaltig beeinflusst und können mich somit weder übertrieben positiv berühren noch negativ erschüttern. Leo scheint ein Mann zu sein, der sich berühren lässt und Emotionen zeigt. Das löst bei mir schon mal Sympathie aus.

Der erste Satz

Offenheit versus Verschlossenheit.

Die Botschaft,  „Der Friede sei mit euch!“ , die er nach seiner Ernennung absetzte,  war meiner Ansicht nach eine Punktlandung. Er meinte damit wohl nicht nur die Kriegsschauplätze rund um den Erdball oder die streithaften Lager innerhalb der Kurie, sondern auch den Mikrokosmos unseres alltäglichen Umgangs miteinander.

Gendergerechtigkeit

Vielfalt und Einheit.

„Wird er die Frauenfrage lösen?“, eine weitere Anfrage. Was gibt es hier zu lösen? Diese wurde ein für allemal in der Genesis von Gott selbst gelöst. Er schuf die Menschen nach seinem Ebenbild – als Mann und Frau schuf‘ er sie. Eine Kirche, die sich auf Gott beruft und Menschen gleichzeitig aufgrund ihres Geschlechtes von bestimmten Positionen ausgrenzt, hat Wesentliches nicht verstanden und hat die göttliche Spur zumindest teilweise verlassen. Theo-logisch spricht nichts dagegen, Frauen und Männern Zugang zu allen Funktionen zu gewähren.

Klerikalismus

Ich glaube gleichzeitig nicht, dass „Priesterinnen“ die anstehenden Probleme der Kirche lösen würden. Sie wären für mich nur die quantitative Verbreiterung und Verlängerung des Klerikalismus. Vor allem eines Klerikalismus, der sich über andere erhebt, mit einem Machtprivileg einhergeht, sich selbst zeremoniell überhebt und feiern lässt. Klerikalismus ist meiner Ansicht nach eine heilbare Krankheit der Kirche. Ich möchte aber betonen, dass ich viele Priester kenne, die unverkrampft und liebevoll ihre Aufgabe erfüllen und keinerlei Standesdünkel an den Tag legen.

Kleider machen Leute

„Und was sagst du dazu, dass der neue Papst wieder Ornat trägt?“

Darauf gibt es eine Antwort mit Augenzwinkern. In welche Kleidung sich Menschen bei besonderen Gelegenheiten gewanden, sei jeder und jedem überlassen. Ob es nun die Pride-Parade, der Aufmarsch von Trachtenvereinen, schräge Outfits bei einem Clubbing oder liturgische Gewänder betrifft, so hab ich großen Gefallen daran, wenn sich Menschen zu bestimmten Anlässen festlich schmücken. Es hat mich immer sehr beeindruckt, dass es selbst in den ärmsten Regionen der Welt ein Festtagskleid gibt, um aus dem Grau des Alltags aussteigen zu können. Gleichzeitig müsste es selbstverständlich sein, dass der „evangelische Auftrag“, Hungrige zu speisen, Durstigen trinken zu geben und Nackte zu bekleiden, damit einhergeht.

Kurz und bündig

Kirche: Quo vadis, wohin gehst du?

„Zölibat?“  Kirche hat hier ein Personalentwicklungsproblem.

„Kommunion für Geschieden-Wiederverheirateten?“ Jesus kehrte sehr gern bei jenen ein, die Mittelpunkt von Vorurteilen und Verurteilungen waren.

„Sexualmoral?“ In dieser Frage hat die Kirche jegliche Legitimation verloren und hat viel gutzumachen.

Worauf kommt’s an?

Damit bin ich beim Kernauftrag von Kirche und somit auch bei jenem des Papstes: Die vorrangige Option für die Armen. Vieles aus der Biografie des Ordensmannes Leo deutet darauf hin, dass er der solidarischen Spur seines Vorgängers Franziskus folgen wird. Darüber hinaus wäre es erfreulich und ein starkes Signal, wenn er den verherrlichenden Blick auf den Papst von sich weist und  umlenkt auf sein wichtiges Vor-Bild: Jesus.

Kurzer Exkurs

Der Jahrgangskollege von Leo,  Bischof Manfred Scheuer, merkte immer an, dass das größte Problem der Kirche die „Jesus-Vergessenheit“ sei. Manfred war bekannt für seine zurückhaltende, fast scheue Art, die viele Menschen irritierte. Er konnte aber durchaus sehr leidenschaftlich und vital werden, wenn die zentralen Botschaften Jesu negiert und die Armen vergessen wurden. In persönlichen Begegnungen mit Menschen mit Behinderungen, Suchtkranken, Sterbenden war er präsent und voll achtsamer Zuwendung. Ich werde nie vergessen, wie er mit mir in Afrika einen sterbenden und an Aids erkrankten Mann und ein Lepradorf besuchte und dabei keinerlei Berührungsängste zeigte, ungeachtet von Übelriechendem und offenen Wunden.

Leo, was nun?

Georg und Leo(ne), alle Fotos privat

Ich wünsch ihm, dass er seinem Namen gerecht wird. Leo, der Löwe, der Starke, der Mutige. Ein Kämpfer für  Gerechtigkeit, Frieden, soziale Teilhabe. Mutig im Einsatz für die Erhaltung der Schöpfung; radikal jesuanisch, wenn es um den Schutz von Kindern, Alten, Ausgegrenzten geht. Und dass er, gerade auch als Gegenprogramm zu den machtlüsternen Schreihälsen der Weltpolitik, eine verbindliche, friedvolle, aber auch pointierte, klar verständliche und vor allem eine einladend  gewinnende Sprache pflegt. Der hoch politische Geschichtenerzähler Jesus kann hier gute Anleihen bieten.

Wenn Leo das Gemeinschaftsleben so wichtig erscheint, dass er demnächst in eine Wohngemeinschaft einziehen wird, so verweist er auf die Pandemie der Vereinsamung und den gefährlichen Spalt in der Gesellschaft, der keinen Halt gibt. Dazu wünsch ich ihm viel „Gutheißung“, das heißt menschlichen und göttlichen Segen.

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Georg Schärmer

Geboren am 14. März 1956. Jahrelanger Leiter sozialer Einrichtungen und Bildungsstätten; zuletzt Direktor Caritas Tirol und Vizepräsident Caritas Österreich. Vorstandsmitglied von Pflegeeinrichtungen im In- und Ausland. Autor mehrerer Bücher, Publikationen und Herausgeber von Kulturformaten. Besondere Interessen: Musik, Literatur, Architektur und Sozialraumentwicklung. „Ziel des Schreiben ist es, andere sehen zu machen“ (Joseph Conrad)

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