Der Sommer ist die Jahreszeit des öffentlichen Raums. Was es heißt, wenn Menschen an öffentlichen Plätzen zusammenkommen und die warme Zeit genießen, ist heuer nicht nur durch die Fußball-EM allerortens zu sehen und zu hören. In Inzing erlebt der Kirchplatz nicht nur durch das Public-Viewing eine Belebung, die es gelten würde, auch in fußballleeren Zeiten aufrecht zu erhalten. Dazu gehört in erster Linie eine funktionierende Gastronomie, die auch in lauen Sommernächten ohne EM einen Rahmen für Zusammenkommen und Gespräche bietet. Es ist nachvollziehbar, dass die tägliche Bewirtung von früh bis spät durch die beiden Pächter*innen der weißen Katz einiges an Kraft abverlangt. Auf der anderen Seite steht das Bedürfnis der Bewohner*innen nach einem Ort, wo man sich zwangslos treffen, austauschen, einfach ratschen kann. Um diesen Spagat lösen zu können, braucht es vermutlich auch auf höherer politischer Ebene Entscheidungen, die Menschen einerseits ermutigen in den Service zu gehen, andererseits die Gastronomen unterstützen, gute Arbeitsbedingungen ihrerseits anbieten zu können. Letztlich ist das aus meiner Sicht auch eine gesellschaftspolitische Frage, gerade in Hinblick auf den öffentlichen Raum, und somit Aufgabe der Politik.
Zeitgleich muss das Angebot für einen konsumfreien öffentlichen Raum gestärkt werden, um finanzschwache Menschen und Familien nicht auszuschließen, sondern vielmehr auch in den gesellschaftlichen Raum hineinzuholen. Dies schließt in jeder Hinsicht barrierearme Veranstaltungen ebenso ein, wie kulturelle. Der Kulturverein hat im Juni mit zwei ganz unterschiedlichen Veranstaltungen den Kirchplatz durchaus erfolgreich bespielt.
Am 8. Juni kam mit Sina Kiyani ein Autor des 2007 vom Kulturverein durchgeführten Writers in Residence-Projekts “andernWorts” mit seinem Erstlingsroman “Paradiesstraße” nach Inzing zurück. Dass der Autor, in seinem Hauptberuf Architekt, eine besondere Freude hatte, am Kirchplatz zu lesen, unterstreicht die Wichtigkeit von gestalteten öffentlichen Räumen. Gleichzeitig wurden auch in Bezug auf das Konzert der Big and Band, geleitet vom Inzinger Schlagzeuglehrer Andreas Schneider, am 24. Juni die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Kirchplatzes deutlich. Das Konzert fand bereits zum dritten Mal, davon zweimal in Kooperation mit dem Kulturverein Inzing am selben Ort statt.
Beide Veranstaltungen fanden am kleinen Platz vor dem Widum statt und zeigten, dass dieser einerseits als kleine, eher abgeschlossene Einheit und andererseits als sich öffnend zum größeren Platz vor der weißen Katz funktioniert. Das “Podium” (im Grunde genommen nur ein Tisch) für die Lesung war an die Rückwand des “alten” Kindergartens situiert, wobei das Publikum am Tisch unter der großen Linde, sowie an herbeigschafften Stühlen vor dem Autor Platz fand. Die abfallende Neigung des Platzes schuf mit etwas Fantasie einen theaterähnlichen Raum und durch die Anordnung eine natürlich wirkende Abgrenzung zum gesamten Umfeld. Dass eine Bewirtung durch die weiße Katz trotzdem möglich war, zeigt die Flexibilität der Betreiber*innen und die gute Zusammenarbeit mit ihnen. Dies war auch deutlich spürbar beim Konzert der Big and Band, wo es einen Spagat zwischen Konzert und Fußball-Übertragung zu meistern galt. Durch eine gute Absprache, das Konzert wurde kurzerhand um eine halbe Stunde früher angesetzt und ohne Pause durchgeführt, konnten beide Programme umgesetzt werden und profitierten auch voneinander. Das Publikum des EM-Spiels kam unerwartet noch zu ein wenig musikalischer Unterhaltung und fußballbegeisterte Konzertbesucher*innen konnten beide Interessen unter einen Hut bringen. Der Abend zeigte auch, dass Fußball-Übertragung und gemütliches Zusammensitzen und Austausch nach dem Konzert am selben Ort möglich ist. Alles in allem ein gelungener Mix, wie ich meine.
Um noch einmal auf die Nutzung des Platzes zurückzukommen: Das Konzert fand vor dem Widum statt, mit Öffnung zur weißen Katz und bespielte damit mehr oder weniger den gesamten öffentlichen Raum am Kirchplatz, auch das funktionierte prächtig. Nebenbei bemerkt, hoben die Musiker*innen die gute Akustik des Platzes hervor.
Wünschenswert wäre es, wenn der Kirchplatz allgemein viel bespielt und mit Leben gefüllt wird. Dass dabei auch das Wetter eine Rolle spielt, zeigt im Negativen die eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten im Schlechtwetterfall. So musste die Lesung wegen drohendem Regen nach der Hälfte ins Widum verlagert werden, wobei die unkomplizierte Übersiedelung und die hervorragende Zusammenarbeit mit der Bücherei Inzing hervorgehoben werden muss. Das derzeit für das Public-Viewing aufgestellte Zelt ist atmosphärisch nur eine Notlösung. Es gehört nicht zu meinem Metier, aber ich könnte mir vorstellen, dass sich findige Raumplaner*innen/Architekt*innen eine flexible, einfache und im Fall schnell aufgebaute temporäre Überdachung ausdenken könnten, die sich in das ganze Ensemble einpasst.
Im Positiven zeigt sich der Wettereinfluss mit den Scharen von Eis schleckenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die bei Schönwetter quasi ganz natürlich den Kirchplatz beleben. Möge der kommende Sommer uns genügend warme Abende gewähren, an denen wir den Kirchplatz genießen und als einen Ort des Zusammenkommens erleben können, ohne die anderen Möglichkeiten, wie die Terrasse des Wintergartens oder das Schwimmbad zu vernachlässigen. Auch das sind wichtige Orte für das Dorf.
“Am Brunnen vor der ‘Katze’/ Da steht ein Lindebaum:/ Ich traeumt’ in seinem Schatten/ So manchen suessen Traum.”
Like Wilhelm Mueller and Franz Schubert, we could dream of the area in front of the Manse (Widum) as a location for regular social and cultural events: the Advent Market in December, the Plant Exchange of the Gartebauverein in May, readings and concerts in the Summer.
Now that the Priest has decamped to Hatting, the Manse itself could be used much more for social and cultural events. Our former enterprising Priest, Andreas Tausch, had that in mind when he opened up the Manse: room for pilgrims, accommmodation for the homeless, sessions for the Freundeskreis fuer Integration, and space for art exhibitions.
“Nun bin ich manche Stunde/ Entfernt von jenem Ort,/ Und immer hoer’ich’s rauschen:/ Du findest Kultur dort!”
Andrew Milne-Skinner, far away in Scotland
Lieber Andrew,
Nur zur Info: Das Widum ist bereits bewohnt und sehr belebt 😉
Schöne Grüße, Angela