3. November 2025
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Alfreds (W)Einsichten / Buchstabe W

Lesedauer ca. 6 Minuten

Ha. Eine glatte Auflage. Hier nehme ich Wien – und auch noch das Weinviertel.

Zwei Weinbaugebiete mit möglicherweise etwas anderen Voraussetzugen – sowohl von der gefühlsmäßigen als auch von der komerziell-wirtschaftlichen Seite gesehen. Wie auch immer – das ist nicht esentiell – sondern: beide recht heterogenen Gebiete erzeugen gerade zu jetzigen Zeiten die besten Weine ever hedonistische Veltliner, charismatische Gemischte Sätze, grandiose Sekte – und auch die BIO Szene blüht.

Möglich war und ist dies alles nur durch das Durchhaltevermögen von Führungsbetrieben, die die jungen Nachfolger mit Leidenschaft und Feingefühl geimpft haben – und der Erfolg steht einer breiten, selbstbewussten jungen Winzergeneration gut. Hilfreich ist in jedem Fall, dass eben gute Weißweine einen “Lauf” bekommen haben und die Betriebe aus einem Reservoir von alten Weingärten, und guten Lagen schöpfen können.

Wien – Die Capitale Vindobona ist auch altes Weinland, das von römischen Truppen gegründet wurde – und vor den Toren der Stadt gute Bedingungen vorfand. Allerdings gelang erst in den späten 1980-er Jahren die Hinwendung zum guten Qualitätswein. Vorher huldigte man treu und unaufgeregt der Kultur der einfachen Heurigen, wo seit jeher der Wein Trost, Freude und Durstlöscher in trivialer Dreisamkeit war. Und günstig sein musste.

Es gab eher einfache, säurebetonte Weine mit Herkunft aus den Weindörfern Sievering, Grinzing, Neustift, Mauer oder jenseits der Donau in Stammersdorf und am Bisamberg. Die einzige wertige Lage war der grandiose Nussberg, aus dem auch heute noch wohl die charismatischsten Weine kommen. Der breite Hang mit süd-östlicher Ausrichtung, geschützt vom Wienerwald mit ca. 25 ha Reben ist seit jeher – die “Cote d’Or” – von Wien – also bestes Rebland. Ausserdem hat man – durch tatkräftige Mithilfe der lokalen Politik – die bestehenden Rebgärten mit einem Ortsschutz versehen – sie müssen bleiben. Da diese sich oftmals in sehr nachgefragten Wohngegenden befinden, ist dies dem Michi Häupl und Co nicht hoch genug anzurechnen. Dass eine Stadt wie Wien einen enormen Bedarf an Wein besitzt, überrascht niemanden. Aber dass die Wiedergeburt des Wiener Gemischten Satzes gelingen konnte, ist seinem größten Fürsprecher – dem Stammersdorfer Winzer Fritz Wieninger zu verdanken. Seinen Werdegang könnt ihr gerne auf seiner höchst kompetenten homepage nachverfolgen und somit auch gleich die besten Lagen in Wien in Augenschein nehmen. Er und seine rührige Familie betreiben den bekannten Heurigen in Stammersdorf, das Weingut ebendort als auch den “Wieninger am Nussberg” als auch neuerdings das Weingut Hajszan-Neumann mit dem Haubenlokal von Julian Amador, am Fuss des Nussberges mit grandiosem Erfolg. Die Kinder sind allesamt in den Betrieb eingebunden und sind vor allem mit neuen Bio-Weinen am Weiterentwickeln des Sortimentes beschäftigt.

Mit der Gründung der “Wien Wein Gruppe” wurde die Latte gleich recht hoch gelegt. Aber Rainer Christ am Bisamberg, Thomas Huber in Neustift, Michi Edlmoser im östlichen Mauer, Mayer am Pfarrplatz in Grinzing, das Weingut der Stadt Wien “Cobenzl” und nunmehr auch die talentierte junge Julia Kroiss sind die Proponenten einer vitalen Entwicklung, deren beste Weine eben die “Gemischten Sätze” sind. Hier werden – nun auch per Definition zumindest 3 Rebsorten gemeinsam gelesen und verarbeitet – somit ein Aufleben der alten Tradition. Der Sortenanteil einer Sorte darf nicht höher als 50% sein, der drittgrößte Anteil muss zumindest 10 % ausmachen.

Es gibt Gebietsweine, Ortsweine von den 7 Weinbaugemeinden und über 50 Rieden/ Lagenweine, deren Name der jeweiligen Lage zugeordnet ist und die Spitze der Produktion darstellen. 41 % der Wiener Weine werden 2024 als “Gemischter Satz” geführt, ist also der wichtigste Wein Wiens. Der Wein punktet mit lokaler Herkunft, also dem Gepräge des Weingartens, mit all seinen klimatischen und geologischen Eigenschaften. Und somit besitzt der Gemischte Satz die Basis zum Erfolg.

Eine Sorte – hört sich an wie ein Instrument – viele Sorten erklingen wie ein Orchester – sozusagen. Jedoch – ohne seinen “Wötlina” kann ein wirklicher Wiener nicht – oder fast nicht existieren. In den einfachen und auch noblen Heurigen von Stammersdorf bis Neustift huldigt man selbstbewußt der eigenen, manchmal auch mittelmäßigen Qualitäten.

Aber – der Wein lebt in Wien!

Das Weinviertel – die bürgerliche Basisdemokratie.

Auf das größte österreichische Weinbaugebiet entfällt nahezu ein Drittel der Gesamtfläche. Das Weinviertel wird im Westen vom Manhartsberg, im Norden von der tschechischen Grenze, im Osten von March und Thaya und somit der Staatsgrenze zur Slowakei und im Süden von der Donau oder dem sanften Höhenzug des Wagram begrenzt.

Das Weinviertel ist ein ausgesprochenes Weißweinland – 75 % der Weine sind weiß. Und da vor allem der vielseitige Veltliner in höchst verschiedenen Spielarten. Da schaust! Die Roten nehmen etwas zu, es scheint ein Trend zu leichten Rotweinen zu entstehen. Wer’s glaubt. Die Bodentypen sind entsprechend vielfältig. Sie reichen von Löss, Schwarzerde zu Sand – und Urgesteinsböden. Es herrscht ein gemäßigtes kontinentales Klima, wobei Hitze, Starkregen, Hagel und kühle Herbstzeiten sich auffallend öfter sehen lassen. Klimaveränderung schau oba!

Es existieren im Groben 3 unterschiedliche Zonen: Das Veltlinerland im Osten Brünnerstrasse ehemalig, das auch die besten Grundweine für die Sekthersteller Schlumberger und Kattus liefert. Dann das Weinviertel West – von Retz über das Pulkautal zum Mannhartsberg : hier gibt es rassige Rieslinge und Traum-Veltliner . Und sogar gute Rote. Den südlichen Abschluss bilden die (fast Wiener) Weingärten um Wolkersdorf und Co. Hier sind die Säuren etwas gemäßigter und die Veltliner eher schmelzig.

Seit 2002 gibt es für den Veltliner eine sogenannte DAC Regelung, – in der Summe hat man das bestehende Bezeichnungssystem an das EU-Weinrecht angepasst – für die Konsumenten gut und für’s System wesentlich. Auf jeden Fall hat man mit einem Veltliner DAC einen saftigen Weißwein vor sich, der sich unaufgeregt in deine Membranen einfügt und die Unterhaltung nicht behindert.

Ich verbinde mit den saftigen, ungekünstelten Veltlinern des Weinviertels das Herzliche, das Bodenständige, das “Einheimische”, das Familiäre, das Lustige, das Saftige, das Lebendige, das Regionale. Und nicht unbedingt das “Edle” – sondern das Bürgerliche – im besten Sinn.

Und daneben auch noch – in den Spitzenweinen – ein Aushängeschild Österreichs für Weißwein mit einer unglaublichen Standfestigkeit. Die grobe Robustheit der früheren Weine ist nur mehr teilweise vorhanden – bei einer Vielzahl von bemerkenswerten mittelgroßen Erzeugerfamilien kann man Weine erstehen, die Herz und Seele erwärmen. Und – die manchmal als eintönig und karg beschriebenen Landschaften haben ihren unaufgeregten Reiz. Abgesehen davon, dass die Dörfer, wenn man jemanden trifft, schon auch gesprächig werden könnten. Polt schau oba!

Wenn jemand den erklärbaren Wunsch verspürt, sich im Urlaub – oder so – nicht in die Brenner – Achse einzufädeln, dem kann ich hiermit eine feine, aber nicht ganz exklusive Auswahl von Spitzenbetrieben im Weinviertel ans Herz legen. Familienbetriebe mit Herz und Hirn – und die Preise sind fast unschlagbar, wenn man authentischen Wein haben will.

Julius Klein mit Pinzgauer im Weinviertel – Foto Julius Klein

Wobei natürlich nicht gesagt ist, dass es in anderen Weinbaugebieten nicht ebenso toll ist.

  • Joe Beyer, Roselsdorf – alles gut, va. der GV DAC
  • Weingut Gilg, Hagenbrunn – GV Top, Muskat, GS, Riesling
  • Hofbauer-Schmidt, Hohenwarth – GV und RV vom Löss
  • Julius Klein, Pernersdorf – ultimativ nett und alles sehr gut, auch die Roten!
  • Gerhard Lobner, Mannersdorf – vom Mayer am Pfarrplatz wieder nach Hause – Riesling!!
  • Alex Nebenführ, Mitterretzbach – einfach lässig. GV, GS, auch Traminer und Syrah!
  • Stefan Pratsch, Hohenruppersdorf – schon lange BIO, immer besser!
  • Wein Prechtl, Zellerndorf – grandiose Weine – all the best!
  • Weingut Setzer, Hohenwarth – eine Bank

PS: zumeist versenden die Betriebe auch Kostkartons zu moderaten Preisen, um die Auswahl zu erleichtern. Internet. Kann auch hilfreich sein. Und – als Tiroler gehst überall durch. Ansonsten ist das Weinjournal “Vinaria” die beste Quelle für Weintips in Österreich.

Nun gut. Gehen wir.

Ich hoffe, ist angenehm gewesen und hat euer Interesse geweckt.
Das Weinvierrtel ist (mit Althof Retz) auf jeden Fall eine Reise wert.

Bis dann – and – stay tuned….

meint ihr Alfred Walch

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Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

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