19. November 2025
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Mobilität – vielschichtig, selbstverständlich, lebensnotwendig

Foto: A Human Ride
Lesedauer ca. 7 Minuten

Menschen fahren in den Urlaub, in der Früh zur Arbeit oder in die Schule, sie müssen ins Krankenhaus, zum Arzt, zu einem Besuch zu Freunden. Sie fahren zu einem Ausflug, zum Sport. Menschen sind jung, alt, sportlich, verletzt, gebrechlich, mutig, alleine, haben Kinder, pflegen Eltern, sind schnell oder langsam. Sie ALLE fahren mit dem Rad, dem Auto, dem Moped, gehen zu Fuß, laufen, wandern, steigen in Öffis ein. Mobilität ist überall und überall notwendig, seit jeher. Das Bedürfnis nach Mobilität ist allgegenwärtig. Das Maß und die Menge variiert, der Wunsch nach Mobilität scheint ständig zu steigen. Menschen wollen unabhängig sein und sich selbst fortbewegen.

Mobilität ist Freiheit. Mobilität ist Selbstbestimmtheit.

Als ich im Frühling nach einer Operation im Sprunggelenk mit einem Gips am Bein unterwegs war, wurde mir bewusst, wie schwer es manchmal fallen kann, einen Weg von A nach B zu bewältigen. Der Bahnhof war mir mit den Krücken zu weit, die Bushaltestelle Buchweg war ideal. Es gibt in der Früh von dort sogar eine gute Verbindung über Zirl nach Innsbruck. Mit den Krücken dort auf den Bus zu warten, war aber sehr mühsam. Es gibt keine Überdachung (Regen) und keine Sitzgelegenheit. Wäre ich unverletzt gewesen, wäre mir das kaum aufgefallen.

Genauso problematisch ist der Zugang zu den Bahnsteigen am Bahnhof Inzing. Ich kenne Leute, die in der S-Bahn von Innsbruck kommend nicht in Inzing aussteigen, sondern nach Telfs fahren, um dann beim Rückweg in Inzing barrierefrei aussteigen zu können.

Wie unterschiedlich die Menschen in Inzing unterwegs sind, habe ich vor drei Jahren in einem Artikel hier im Blog schon geschildert:

Mobilität heute und morgen – Dorfzeitung Inzing

Genau hier setzt der Film A Human Ride, den die Klimabündnisgruppe am 21.11. im 10-er Saal präsentiert, an. So unterschiedlich wie die Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Mobilitätsgewohnheiten.

A HUMAN RIDE – Eine filmische Reise zum Grundbedürfnis Mobilität

Warum wollen wir eigentlich von A nach B?

Alle sprechen von der Verkehrswende und der Zukunft der Mobilität. Doch warum ist das überhaupt wichtig? Wenn das gesteigerte Verkehrsaufkommen zu Staus und Klimaschäden führt, könnten wir dann nicht einfach alle zu Hause bleiben? Manchmal vergessen wir die grundlegende Bedeutung von Mobilität. Genau hier setzt der neue Dokumentarfilm A HUMAN RIDE von Regisseur Kristian Gründling an.

Mit Kamera und Mikrofon begibt sich Gründling auf eine bewegende Reise durch Deutschland, um die ganz persönlichen Geschichten und Alltagsrealitäten der Menschen und ihrer Mobilität zu erkunden. Ein 92-Jähriger lässt uns an seiner erneuten Führerscheinprüfung teilhaben, eine Familie zeigt ihr Leben ganz ohne Auto, während andere ganz anders unterwegs sind. Fahrradfahrende, Taxifahrer:innen, Schulbuskinder, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Stadtmenschen und Dorfbewohner:innen – all ihre Erlebnisse berühren, bringen zum Lachen und regen zum Nachdenken an. „Was oft fehlt, ist das Verständnis füreinander, und das zeigt der Film auf eine so schöne Art und Weise“, beschreibt eine Zuschauerin die Wirkung des Films. Auch EUJugendbotschafter Ali Mahlodji macht die fundamentale Bedeutung von Mobilität für gesellschaftliche Teilhabe klar. Die ständig reisende Köchin Antje de Vries und die Künstlerin Mogli (Selima Taibi) werfen Fragen zu ihrer ganz persönlichen Beziehung zu Mobilität und Freiheit auf.

Um diese individuellen Geschichten in einen größeren Kontext einzuordnen, kommen auch Wissenschaftler:innen zu Wort. Unter anderem Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck, der erläutert, wie tief der Bewegungsdrang in unserem Gehirn verankert ist, und Verkehrsforscherin Dr. Laura Gebhardt, die überraschende Fakten teilt. So legen Menschen in Deutschland laut MiD (Mobilität in Deutschland) durchschnittlich etwa 40 Kilometer pro Tag zurück. „Mobilität ist etwas ganz Selbstverständliches […] Ein Leben ohne Mobilität würde gar nicht funktionieren“, sagt sie. Mobilitätsexperte Prof. Marco te Brömmelstroet zeigt auf, wie sich unser Mobilitätsverhalten über die Jahre verändert hat, und macht Mut, neue Wege der Fortbewegung auszuprobieren. Auch Trendscout Raphael Gielgen kommt zu Wort: „Mobilität wird entscheidend sein für die Veränderung von Gesellschaft.“

„Man fühlt sich beflügelt“, „Gänsehaut und Tränen – der Film bewegt nicht nur im Kopf!“ – so die begeisterten Stimmen aus dem Publikum. A HUMAN RIDE verzichtet bewusst auf einfache Lösungen oder moralische Appelle. Stattdessen offenbart der Film die vielschichtige Bedeutung von Mobilität für unsere Freiheit und ein gerechtes, sozialverträgliches Miteinander. „Der Film verändert jede Diskussion über Mobilität“, fasst ein Zuschauer zusammen.

Klimakino – A Human Ride
Freitag, 21.11.2025 um 19:30 Uhr
10-er Saal Inzing, Kirchgasse 10.

Die Klimabündnisgruppe freut sich auf zahlreichen Besuch und eine rege Diskussion nach dem Film.

Wie entwickelt sich die Mobilität in Inzing?

Ich habe versucht, ein paar Zahlen rund um Mobilität in Inzing zu besorgen. Das Land Tirol hat mir die Bestandszahlen der PKW’s und LKW’s geschickt. Zusätzlich lohnt ein Blick in die Mobilitätserhebung des Landes Tirol. Außerdem kann ich hier auch die Entwicklung bei den Öffitickets zeigen.

Vorweg lässt sich schon sagen, dass Mobilität zunimmt und dass die Art der Fortbewegung scheinbar flexibler wird. Jedenfalls haben die Menschen Zugang zu immer mehr unterschiedlichen Verkehrsmitteln, die sie dann wohl auch je nach Anlassfall nutzen werden.

Eine für mich sehr überraschende Entwicklung fand in den letzten gut 10 Jahren bei den PKW’s statt. Von 2011 bis 2024 stieg die Zahl der in Inzing angemeldeten PKW’s um knapp 50%. Nimmt man alle Kraftfahrzeuge, also auch die LKW’s und Motorräder, dann beträgt die Steigerung sogar 72% gegenüber 2011 (Quelle: Statistik Austria, Statistik des KFZ-Bestandes). In absoluten Zahlen ausgedrückt gab es eine Steigerung von 1495 (2011) auf 2221 (2024) PKW‘s. Es sind also 700 Autos mehr auf Inzinger Straßen unterwegs. Jetzt könnte man behaupten, die Steigerung ergibt sich aufgrund der wachsenden Bevölkerung. Das stimmt, jedoch wuchs die Einwohnerzahl im gleichen Zeitraum nur um ca. 15%. Fakt ist aber, dass das gleiche (unveränderte) Straßennetz (und die Leute im Dorf) die zusätzlichen PKW’s aushalten muss. 2014 wurde in Inzing das erste Elektroauto angemeldet. Inzwischen (Stand Ende 2024) sind es bereits 84 Autos, was einem Anteil von 3,8% aller PKW’s entspricht. Umgekehrt sind also immer noch etwa 96% der Autos mit fossilem Antrieb ausgestattet.

Datenquelle: Statistik Austria, Statistik des KFZ-Bestandes (Berechnung: Landesstatistik Tirol) bzw. VVT. Diagramm: Peter Oberhofer

Noch deutlicher, als die Anzahl der Autos, stiegen die Jahrestickets des VVT. Bereits 1226 Inzinger:innen besitzen ein Jahresticket Tirol (nicht mitgerechnet sind die Klimatickets Österreich). 2016 waren dies mit 602 Tickets nicht einmal halb so viel.

Dass auch die Anzahl der Fahrräder stark steigt, lässt sich nur erahnen, Zahlen hierzu kann ich leider keine präsentieren. Der generelle Trend zum Fahrrad nicht nur als Sportgerät, sondern auch als Alltagsfahrzeug ist in aller Munde. Gerade auch die Entwicklung zum E-Bike erlaubt es wohl auch, einige Autofahrten durch Fahrradfahrten zu ersetzen.

Aus den Zahlen lässt sich vermuten, dass das Verkehrsaufkommen stark zunimmt. Die subjektive Wahrnehmung scheint sich also zu bestätigen, sowohl auf der Straße, wie auch im Zug und Bus. Die Vielfalt und die Flexibilität jedes Einzelnen wachsen. Eine Herausforderung für die Zukunft wird es wohl sein, Platz für alle Mobilitätsarten zu schaffen, um weiterhin sicher unterwegs sein zu können. V.a. schwächere und auch eingeschränkte Verkehrsteilnehmer:innen müssen ohne Gefahr und ohne Hindernisse unterwegs sein können. Lt. Mobilitätserhebung des Landes Tirol von 2022 sind 97,3% aller Menschen unterwegs – es betrifft also nahezu ALLE.

Diese Mobilitätserhebung 2022 gibt sehr gut Aufschluss, wie die Menschen unterwegs sind und wie sich die Wege im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2011 verändert haben. Daraus lässt sich in gewisser Weise ein Trend ablesen.

Mobilitätserhebung Tirol Frühling 2022

Im Durchschnitt legt jeder Mensch im Bezirk Innsbruck Land knapp vier Wege pro Tag zurück, Frauen etwas mehr als Männer, Alte und Junge Menschen etwas weniger als der Durchschnitt. Die Aufteilung der Wege in Binnenwege (innerhalb des Ortes) und Außenwegen ist im Bezirk deutlich unterschiedlich zur Stadt Innsbruck. Im Bezirk sind 25% der Wege Binnenwege, in Innsbruck sind es 83%. Inzing liegt lt. meinem Gefühl wohl irgendwo dazwischen. In ganz Tirol sind es 44% der Wege, die innerhalb des Ortes stattfinden.

Die Mobilitätserhebung zeigt sehr detailliert vor allem den Modal Split, also die Verkehrsmittelwahl je Weg in den unterschiedlichsten Ausprägungen (nach Alter, nach Quell-/Zielart, nach Geschlecht, je Wegzweck). Ein zusammenfassendes Diagramm, das die Gesamtentwicklung sehr gut zeigt und auch für Inzing (Umland Innsbruck) passend ist, zeige ich hier:

Hier sieht man deutlich, dass die Fahrten mit Fahrrad und den Öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich steigen, die Wege mit dem Auto im Gegenzug deutlich abnehmen. Umso interessanter ist für mich persönlich, dass die Anzahl der Autos (siehe oben) dennoch zunimmt. Eine These dazu wäre, dass die Leute jederzeit flexibel mit dem gerade passenden Verkehrsmittel unterwegs sein wollen.

Eine Menge an weiteren Diagrammen und Zahlen können der Mobilitätserhebung direkt entnommen werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch auf die vom Klimabündnis Tirol organisierte Mobilitätskonferenz verweisen. Dort wurden sehr innovative Mobilitätslösungen präsentiert und diskutiert – natürlich mit Schwerpunkt Fuß- und Radverkehr. Ein Blick in die Nachschau kann ich empfehlen:

Nachschau 1. Tiroler Mobilitätskonferenz – Klimabündnis Österreich

Ich bin sehr gespannt, wie sich der Gemeinderat in Inzing in weiterer Folge den Herausforderungen des steigenden Verkehrs stellen wird. Ansätze und Ideen gibt es wohl genug. Auch im Klimaplan der Gemeinde Inzing finden sich ein paar offene Punkte zum Thema Mobilität.

Gemeinde Inzing – Startseite – Unser Inzing – Klimaplan Inzing 2032

Zusatzinformation am Rande:
Immer wieder hört man, dass seit der Inbetriebnahme des Personal Shops in Polling die Anzahl der LKW-Fahrten durch Inzing stark zugenommen hat. Einer Auswertung der Leitung des Personal Shops zufolge sind pro Stunde im Durchschnitt 2,5 LKW’s durch Inzing unterwegs (in Summe in beiden Richtungen). Es dürfte eine halbwegs gleichmäßige Verteilung über den Tag geben.

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Peter Oberhofer

Peter ist seit Ende 2012 Redaktionsleiter der DZ. In Inzing ist er außerdem bei der Klimabündnisgruppe engagiert. Umwelt- und Klimaschutz, Energiesparen, öffentlicher Verkehr sind ihm ein wichtiges Anliegen.

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