3. Dezember 2024
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Episoden vom Zwergenkönig / III

Lesedauer ca. 5 Minuten

SOMMERFUNDUS

Ich… Einkaufen… Mit dem Zwergenkönig….

Es ist heiß… Superheiß… BRÜLLheiß!!!

“Der Mensch, der die Klimaanlage erfunden hat, gehört eigentlich verhauen!” denke ich mir, als ich die Autotür öffne und mir die Hitze wie aus einem Backofen entgegenschlägt. Vom Verhauen sehe ich allerdings schnell ab, denn meine Aufmerksamkeit wird schnell nachdrücklich jaulend eingefordert:” Mamaaaa aussteiget, ich auch aussteiget… Maaaamaaaa…”

Also, raus in die Hitze, rum ums Auto an den Kofferraum, den schreienden Fordernden nicht beachtend: Buggy raushieven, aufbauen. Das Geschrei, inzwischen, klägliches Gejammer wird auch mit Zuwendung nicht besser.

Buggy fertig. Vor zur Beifahrertür… Es ist noch immer brüllheiß und eigentlich will ich die Sache ganz schnell erledigen. Nur mit schnell läuft hier gar nix…

Ich darf nicht mal in die Nähe der Gurtschnalle, schon ertönt ein kein Widerspruch duldendes “Selber machet!”

Pädagogisch wertvoll lasse ich den Herrn Zwergenkönig gewähren…der Gurt bleibt dennoch ungerührt, eigentlich auch gut so, stellt aber in Kombination mit “Selber machet!” meine und die Geduld des Zwergenkönigs auf eine harte Probe…

Die inzwischen rotgesichtige Hoheit sieht sich im Thron gefangen und wird recht ärgerlich… Ich frage mich, wann mein Schmelzpunkt wohl erreicht sein wird… Das Ende meiner Geduld zumindest ist nun erreicht… Meine Angebote der Hilfestellung werden nämlich ärgerlich ausgeschlagen…

Pädagogisch nicht wertvoll reiße ich das weitere Vorgehen an mich und bugsiere relativ bestimmt einen zeternden Zwergenkönig in seinen fahrbaren Thron…

Auf halbem Wege in den Laden drehen wir um, der Herr wünscht zu trinken. Also, zurück zum Auto, irgendwo unterm Sitz krame ich schwitzend und klebend die Trinkflasche hervor. Beim zweiten Anlauf schaffen wir es glatt bis in die Drogerie. Ich setze den Fuß ins Geschäft und der Vorhang hebt sich zum zweiten Akt…

Eine heiße Diskussion entbrennt über die überlebenswichtige Notwendigkeit jetzt unbedingt ein kleines Einkaufswagerl durch das Geschäft zu schieben. Mir fehlt der Euro, die Zeit und die Geduld… Das ist dem Zwergenkönig egal, immerhin gibt’s hier Publikum, mein Kopf schwillt an, ich kann das nicht mehr gut unterscheiden, ob vor Hitze, Peinlichkeit oder Zorn. Bis fünf zählen,… Reicht nicht… 6,7,8…9,10… Da is wieder Luft. Erklärung, Klappe, die Zweite: “Es gibt jetzt kein Wagerl, Mama hat kein Kleingeld! Wir kaufen jetzt schnell ein und nachher essen wir zuhause ein Eis.” Eis hört sich im Tausch gegen kein Wagerl wohl attraktiv genug an, um den zweiten Akt enden zu lassen.

Mutig schreite ich den Fahrthron schiebend in Richtung Waschmittel… Ich drehe mich zum Regal und verpasse den Beginn des dritten Aktes: Ein zuvor sonores, inzwischen verzweifeltes, wütendes, schnaubendes “Aschlein!” dringt an mein Ohr, lauter und lauter bis hin zum ohrenbetäubenden Vibrato, ein immerwiederkehrendes: “Aschlein! Aschlein! Aschlein!…”

Eine ältere Dame geht an uns vorbei, an einem inzwischen zornroten, Tränen spritzenden, tobenden Zwergenkönig und an mir, die zugegebenermaßen weder besonders adrett, noch irgendwie intelligent oder kompetent wirkt, denn ich bin hoffnungslos überfordert mit “Aschlein” … Ich bilde mir ein, die vorwurfsvollen, kopfschüttelnden Blicke bohren sich in mein Hirn, überall wähne ich den Gedanken, welche Sprache wir mit unserem Kind wohl führen… Gedanken, Gedanken, Gedanken und der sich fest geschriene Zwergenkönig, der nichts als “Aschlein” will und es nicht erklären kann…

Ein Langes und ein Breites, bis ich es kapiere: Anschnallen… Mit meiner Hilfe schnallt sich der Zwergenkönig selber fest, bekommt selber die Schnalle zu und ist stolz wie Oskar, der Herr Zwergenkönig, der daraufhin jedem, der es vielleicht noch nicht mitbekommen hat in kindlich mitteilsamer Manier mit nunmehr blitzenden Augen freudig mitteilt: “Aschlein!”… Damit hinterlässt er viele höchstirritierte Gesichter. Während ich ihn samt Thron eilig zum Ausgang schiebe.

DER GOLDENE POPEL

Der Zwergenkönig ist schon länger krank. Das Schlimmste ist überstanden. Jedoch in den Kindergarten geht es noch nicht. So ists recht mühsam und die Stimmung ziemlich am Nullpunkt, alles ist doof. Aufgrund dieses königlichen und hingebungsvollen sich Langweilens und zwecks der Neugier, wird alles gründlich untersucht, auch das, was einer näheren Betrachtung vielleicht nicht unbedingt unterzogen werden sollte. Vor allem alles,
was aus dem Zwergenkönig herauskommt, ist in seiner Welt das Wunderbarste, Einzigartigste und höchst außergewöhnlich…
Der Zwergenkönig sitzt unter dem Wohnzimmertisch, alles, was ich ihm bisher an Beschäftigung angeboten habe scheint der hoheitlichen Langeweile nicht abzuhelfen. „Nun muss er sich halt langweilen.“ denke ich mir und wende mich meinem Buch zu. Die Zeit vergeht, nichts passiert. Es ist still, bis zu dem Moment, als ein leises Pfeifen zu hören ist.
Der Zwergenkönig versucht mittels Nasenatmung das Pfeifen los zu werden. Dabei wird aus dem leisen Pfeifen ein lautes. So schnauft es unüberhörbar laut unter dem Tisch hervor. Wie eine Dampflok, es pfeift und quietscht aus der Nase. Empört ruft nach einiger Zeit der kleine Nasenbesitzer, was das wohl für ein Geräusch ist, das braucht er nicht und im Vibrato:
“Mach das bitte weg, MAMA!!!”
Mit Taschentuch bewaffnet mache ich mich auf. Zunächst führen wir eine recht zähe Diskussion darüber, warum der Herr Zwergenkönig nun ins Taschentuch schnauben soll, das will er nicht. „Warum?“ wird gefragt. „Es soll einfach nur weg aus der Nase!“ wird gefordert. Ich antworte: „Es geht aber nicht ohne Schnauben und nicht ohne Taschentuch!“
Trotzig erklärt man mir: „Ich wills aber sehen, was da in meiner Nase ist!“ Darauf entgegne ich etwas ungeduldig: „Um es zu sehen, muss man es rausholen und das geht nur mit Schnauben und Taschentuch!“ Angeekelt widerspricht mir die Hoheit: „Dann isses es ja im Taschentuch und man muss es suchen… das is EKLIG!!!“ Daufhin erkläre ich, dass das Vorhaben, sich den Naseninhalt nach Befreiung aus selbiger im Taschentuch anzusehen, nicht ekliger ist, als ohne Taschentuch, man muss es sich eigentlich gar nicht ansehen…
Zornig entgegnet mir der Herr Zwergenkönig, dass er es aber sehen will, sehen muss!!! „Ja, dann… benutzen wir ein Taschentuch.“ Schlage ich vor. Wütend schreit es unterm Tisch hervor: „Ich WILL KEIN TASCHENTUCH!“ Recht genervt beschließe ich: “Dann behalte Deinen Popel!” Woraufhin ein fast schon verzweifeltes, aber mit Pause: “NEIN! MAMA, BITTE!!!……Mit Taschentuch!” erschallt.
Also mache ich mich endlich daran, dem pfeifenden Quietschen zu Leibe zu rücken. Es wird zunächst zaghaft ins Tuch geschnaubt. Der Naseninhalt zeigt sich allerdings als recht hartnäckig. Immer wieder fordert der Herr Zwergenkönig, ich solle nicht vergessen, dass er sich das angucken will. „Du musst weniger reden und fester Schnauben, sonst kannst Du Dir gar nichts angucken!“ erwidere ich irgendwann gereizt. Entgegen der eigenen Überzeugung, denn man teilt mir laut jammernd ständig mit, dass fest Schnauben im königlichen Repertoire nicht vorgesehen ist, kann man sich doch zu einem festeren Schnauben entschließen und endlich kommt ans Tageslicht, was störte und wohl den Aufwand in der hoheitlichen Meinung absolut wert war: Voll Erstaunen und voller, einer mich leicht irritierenden Ehrfurcht, ruft man begeistert aus: “Da isser ja, der goldene Popel!”

Fotos: Roland Pargger

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Angela Pargger

Angela erachtet Worte als das wichtigste Instrument menschlicher Kommunikation. Worte verbinden oder können hart trennen. Gefühle und Beobachtetes in Worte zu fassen, die zueinander passen und miteinander harmonieren, begeistert Angela seit Jahren. Schreiben ist eine wunderbare Möglichkeit, Erlebtes mit anderen Menschen zu teilen, Erfahrungen zu verarbeiten, sich zu positionieren, zu wehren und Dinge auf den Punkt zu bringen.

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