Eine Win-win-win-Situation, sowohl für UnternehmerInnen als auch für KonsumentInnen und für den Klimaschutz
1 AUSGANGSSZENARIO
Die Dimension ist wohl längst vielen bekannt: Ca. ein DRITTEL aller LEBENSMITTEL landet heutzutage auf dem Müll…
Die in diversen Medien und Fachzeitschriften präsentierten Statistiken führen zu einer gewissen Verwirrung bzw. zu einer möglicherweise irreführenden Interpretation. Eines ist allerdings mit Sicherheit feststellbar: Die Verschwendung von Lebensmitteln hat aus verschiedenen Perspektiven betrachtet ein viel zu hohes und unnötiges Ausmaß erreicht!
Nach einer Schätzung der Welternährungsorganisation (FAO) sind das – global betrachtet – etwa 1300 Mio. Tonnen pro Jahr. Die Zahl birgt allerdings einige Unschärfen in sich, da die tatsächlich weggeworfenen Essensmengen nicht genau festgestellt werden können, ohne bei jedem Mülleimer Kamera und Zähler zu installieren.
Ein Forschungsteam der Universität Wageningen/NL (Monika van den Bos Verma u.a.) hält die FAO-Zahlen für stark untertrieben und schätzt, dass doppelt so viel Lebensmittel weggeworfen werden. Die FAO habe für ihre Berechnung lediglich das Nahrungsangebot herangezogen und das Verbraucherverhalten vernachlässigt, kritisieren die ForscherInnen, deren Arbeit 2020 in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ erschienen ist
(https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.022836).
Erläuterungen zur Kartenlegende:
In fünf Farbkategorien werden die prognostizierten Mengen an verschwendeten Lebensmitteln – angegeben im Energieäquivalent “Kilokalorien pro Kopf und Tag” – in den Ländern der Erde dargestellt. Das grundsätzliche Gesamtbild ist klar: Je reicher die Länder, desto mehr wird weggeworfen.
Irritierend ist der Negativwert der Kategorie in Dunkelgrün (-500). Im sehr umfangreichen Erklärungsteil der Studie wird darauf hingewiesen, dass die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die Selbstversorgerwirtschaft (subsistence production) im Globalen Süden nicht berücksichtigt hat, wodurch sich statistisch ein niedrigerer Betrag als der tatsächlich vorhandene für die zur Verfügung stehende Lebensmittelmenge ergeben hat. Daraus resultiert ein negativer Wert in Bezug auf die Lebensmittelverschwendung.
Die präsentierten Zahlen sind ein deutlicher Wohlstandsindikator: Menschen in ärmeren Ländern vergeuden weniger Essen (so wie das auch unsere älteren Generationen taten). In der Wageningen-Studie werden genaue Angaben gemacht, ab welchem Dollarbetrag, der pro Tag für Essen ausgegeben wird, der Lebensmittelabfall zunimmt (etwa ab sieben US-Dollar/Tag). Interessant dabei ist auch die Feststellung, dass ab einem relativ hohen Wert (etwa ab 25 Dollar/Tag) die Kurve wieder abflacht. Dabei scheinen Bildung, Umweltbewusstsein und kulturell bedingte Unterschiede in den Lebensgewohnheiten eine Rolle zu spielen.
Die Verschwendung von Lebensmitteln hat auch gewaltige negative Auswirkung auf die Umwelt: Etwa zehn Prozent des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen könnten durch Vermeidung von Lebensmittelabfällen verhindert werden. Auf fast 30 Prozent (!!) der Anbauflächen wird für den Mülleimer produziert.
In Österreich werden nach Schätzungen des Ökologieinstituts jährlich ca. 760.000 Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Etwa 500.000 Tonnen könnte man vermeiden (Stand 2016). Da die Anteile aus Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Großhandel nicht miteinbezogen werden, kann man davon ausgehen, dass die verschwendeten Mengen an Lebensmitteln etwa 1 Million Tonnen pro Jahr in unserem Land ausmachen.
(https://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=3069)
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2 Die UNTERNEHMENSHISTORIE von TGTG
Das Unternehmen TGTG wurde 2015 in Dänemark gegründet. Im März 2016 konnte die erste Mahlzeit in Kopenhagen gerettet werden. Die ursprüngliche Idee, das bei Buffets übriggebliebene Essen sinnvoll zu verwerten, wurde rasch auf alle Lebensmittelservicebereiche ausgedehnt. Nachdem zunächst Frankreich, Norwegen und das Vereinigte Königreich das Konzept der Lebensmittelrettung übernommen hatten, wurde es auch in viele andere Länder exportiert (Polen, Schweiz, Niederlande …).
Mit Österreich, das sich im August 2019 angeschlossen hat, sind es nun 15 Länder in Europa, die aktuell die TGTG-Familie bilden. 644.133 ÖsterreicherInnen haben bisher 1.051.833 Mahlzeiten gerettet, 1.876 Betriebe sind Kooperationspartner (Stand: 30.5.2021).
Im September 2020 konnte TGTG auch in den USA Fuß fassen.
Seit 25. Mai 2020 können UserInnen auch in Tirol die TGTG-App nutzen. Inzwischen haben sich 144 Betriebe der Initiative angeschlossen (Stand April 2021, siehe Punkt 6). Seit der Gründung bzw. ersten Anwendung der TGTG-App sind in den Nutzerländern insgesamt etwa 30 Millionen Mahlzeiten gerettet worden, was im Äquivalent ca. 75.000 Tonnen an Treibhausgasemissionen entspricht.
(https://zerowasteeurope.eu/wp-content/uploads/2020/01/zero_waste_europe_CS7_CP_TGTG_gr.pdf
https://toogoodtogo.at/de-at/press/releases/too-good-to-go-tirol)
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3 Das UNTERNEHMENSKONZEPT von TGTG
Das primäre Ziel von TGTO ist die Reduktion der Lebensmittelverschwendung. Mittels einer mobilen App wird allen Kooperationsbetrieben die Möglichkeit geboten, überschüssige Waren, die sonst weggeworfen würden, zu einem günstigen Preis an Interessenten abzugeben.
Darüber hinaus appelliert TGTG in einem Vier-Säulen-Konzept an Unternehmen, Haushalte, Bildungseinrichtungen und politisch Verantwortliche, alle Möglichkeiten in deren Einflussbereich wahrzunehmen, um Lebensmittelverschwendung vermeiden zu helfen.
In der ersten Säule werden Tipps gegeben, wie man in Haushalten durch bewusstes Einkaufen, richtige Lagerung, sinnvolles (Ver)Kochen etc. Lebensmittelverschwendung vermeiden kann.
Die zweite Säule beinhaltet den Appell an die Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette von Nahrungsmitteln, nachhaltig zu produzieren.
Die dritte Säule wendet sich an PädagogInnen, an Kindergärten und Schulen durch geeignete Lehrmittel auf die jungen Menschen einzuwirken, um ihnen die Problematik bewusst zu machen.
In der vierten Säule appeliert das Unternehmen an politische VerantwortungsträgerInnen, regulative Maßnahmen zu setzen, um eine nachhaltige Produktion und Verteilung von Lebensmitteln zu gewährleisten.
Dazu gehört u.a. Lobbyarbeit auf nationalem und europäischem Level, um beispielsweise das Mindesthaltbarkeitsdatum zu ändern, da dieses aufgrund missverständlicher Interpretation zu einem nicht notwendigen Wegwerfen von Lebensmitteln in beträchtlichem Ausmaß führen kann. Ansätze dazu gibt es bereits in der Schweiz, in Frankreich, Deutschland und in Dänemark.
Nicht zuletzt kreiert TGTG laufend neue Arbeitsplätze in den Mitgliedsländern.
(https://zerowasteeurope.eu/wp-content/uploads/2020/01/zero_waste_europe_CS7_CP_TGTG_gr.pdfhttps://zerowasteeurope.eu/wp-content/uploads/2020/01/zero_waste_europe_CS7_CP_TGTG_gr.pdf)
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4 FUNKTIONSWEISE der TGTG-APP
Nach dem Download der App eröffnet sich den AnwenderInnen eine breite Palette an Möglichkeiten, in mehr oder weniger nahe gelegenen Supermärkten, Cafés, Restaurants, Tankstellen, Bäckereien etc. übrig gebliebene Lebensmittel bzw. Essen zu einem vereinbarten Zeitpunkt und zu einem stark reduzierten Preis abzuholen. In der App kann man den Radius des Angebots, weiters den konkreten Betrieb, die Abholzeit und die Art der Mahlzeit (u.a. Backwaren, Snacks, Abendessen, Vegetarisch) festlegen. Nach der Reservierung erhält man einen Beleg, den man am vereinbarten Ort vorzeigen muss. Im Regelfall wird ein Überraschungssackerl zu einem Preis von € 3-5 (Originalwert: 10-15 €) angeboten. Jede gerettete Mahlzeit entspricht dabei einem Einsparungsvolumen von ca. 2,5 kg Kohlendioxydausstoß.
© To Good to Go Homepage © To Good to Go Homepage
Um Verpackungsabfälle zu vermeiden, bieten Betriebe den Kunden an, ihre eigenen Behälter mitzubringen. Wenn das nicht möglich ist, offeriert TGTG umweltschonende Materialien, die für die Verpackung verwendet werden können. TGTG arbeitet ständig an der Weiterentwicklung der App und deren Anwendung in möglichst vielen Ländern.
Weitere Tipps zur Nutzung der App:
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Finanzen-Schnaeppchen-App-So-funktioniert-Too-Good-To-Go-25177583.html
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5 TGTG in der PRAXIS: Die BÄCKEREI RUETZ
Die folgenden Informationen beruhen auf einem Gespräch mit Bäckermeister Christian Ruetz am 19. Mai 2021, welches hier sinngemäß widergegeben wird und die Meinung von Hrn. Ruetz repräsentiert.
Die Bäckerei Ruetz (BR) mit ihrem Stammbetrieb in Kematen und vielen Filialen in Tirol und Vorarlberg war der erste Kooperationspartner von TGTG in Tirol. Eine ehemalige Mitarbeiterin beschäftigte sich im Rahmen ihres Studiums mit der Thematik Nachhaltigkeit, wodurch das Unternehmen Ruetz von der Plattform TGTG erfahren hat.
Durch einen befreundeten Betrieb in Wien, der sich bereits zu Beginn der Einführung der App in Österreich (2019) dieser Initiative zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung angeschlossen hatte, bekam die Bäckerei Ruetz Rückmeldungen, die sehr positiv stimmten.
Nach der Kontaktaufnahme mit TGTG Österreich kam der Country Manager Georg Strasser Anfang 2020 nach Tirol, um mit der BR die anstehende Kooperation zu besiegeln. Die beginnende Covid-19-Pandemie hatte zunächst allerdings den Start der App in Tirol etwas verzögert. Am 25. Mai 2020 war es dann aber so weit: Bei einer Pressekonferenz mit Georg Strasser, dem BM von Innsbruck Georg Willi und Bäckermeister Christian Ruetz wurde der Start der App der Öffentlichkeit vorgestellt.
Inzwischen offerieren fast alle Filialen der Ruetz-Bäckerei in Tirol TGTG-Angebote. Die Überraschungspakete um €3,99 (im Realwert von €12,00) beinhalten übrig gebliebene Lebensmittel von bester Qualität. Um Hamsterkäufe zu vermeiden, ist den KundInnen nicht genau bekannt, was in den Sackerln drinnen ist.
Die App wird sehr gut angenommen. Jede Ruetz-Filiale bietet drei Überraschungssackerln täglich etwa eine Stunde vor Verkaufsschluss an. 90 Prozent der Waren finden ihre AbnehmerInnen. Ca. 30.000 Portionen Lebensmittel werden in den Ruetz-Bäckereien in Tirol pro Jahr verkauft. Besonders intensiv genutzte Tage der Woche sind Do, FR, SA und SO.
Das Konzept und die Idee von TGTG passen perfekt zur Unternehmensphilosophie von Ruetz. Man verwendet regionale Naturprodukte für die Erzeugung von Bäckereiwaren. Daher baut man eigenes Getreide an und kauft die gängigen Ergänzungswaren wie Eier, Milch, Topfen u. Ä. direkt von bekannten Bauern zu. Man möchte den Produkten einen besonderen Wert geben, was in der Strategie endet, Lebensmittel keinesfalls zu vernichten. Durch den besonderen Bezug zur Rohstoffgewinnung (Eigenanbau, Einbeziehung lokaler Landwirtschaftsbetriebe) würde es besonders schwer fallen, Lebensmittel einfach wegzuwerfen. Abgesehen von TGTG werden auch noch karitative Einrichtungen wie zum Beispiel die Tafel des Roten Kreuzes (die sich vorher registrieren müssen, um Missbrauch zu verhindern) bedient. Eine hundertprozentige Verkaufsquote kann natürlich nie erreicht werden, da einerseits die diversen Kundenwünsche (bezgl. Geschmacksrichtungen) bis zum Abend erfüllt werden müssen und andererseits bestimmte Lebensmittel aufgrund der Haltbarkeitsdauer bzw. wegen (auch nur geringer) Qualitätsverluste für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet sind. Daher werden in manchen Fällen Produkte auch an Tiere verfüttert.
Neben der Verwendung übrig gebliebener Lebensmittel hat die Bäckerei Ruetz auch Strategien entwickelt, um die Bestellprozesse zu optimieren. Mittels geeigneter Computerprogramme werden auf der Basis von Erfahrungswerten Bestellvorschläge für die (Groß)Kunden der Bäckerei erarbeitet, um Retourwaren zu minimieren. Dabei fließen Daten ein, die sich auf die Bedarfsmengen der Vorwoche, der Vormonate und der vorherigen Jahre bzw. auch auf die Relation von Wetter und Nachfrage beziehen. Alles in allem ist Bäckermeister Ruetz rundum glücklich und zufrieden mit der Kooperation seines Betriebsnetzes mit der APP TGTG.
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QUELLEN (Übersicht)
https://toogoodtogo.at/de-at
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0228369
(NL-Studie)
https://at.linkedin.com/in/georg-strasser
(TGTG Country Manager Österreich)
https://www.wwf.at/de/view/files/download/showDownload/?tool=12&feld=download&sprach_connect=3069
(Studie / Ökologieinstitut)
https://www.welthungerhilfe.de/aktuelles/blog/lebensmittelverschwendung
https://toogoodtogo.at/de-at/press/releases/too-good-to-go-tirol
(TIROL / Mai 2020)
https://toogoodtogo.de/de
https://www.cash.at/handel/interviews/too-good-to-go-georg-strasser-absatz-statt-abfall-24316
(Interview mit Georg Strasser / Österreich: ab August 2019)
https://toogoodtogo.at/de-at/blog/15-initiativen-gegen-lebensmittelverschwendung
(15 Initiativen zur Lebensmittelrettung, M. Krenn, April 2021)
https://zerowasteeurope.eu/wp-content/uploads/2020/01/zero_waste_europe_CS7_CP_TGTG_gr.pdf
(Geschichte von TGTG)
https://www.bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/meldungen-2020/september/internationaler-tag-gegen-lebensmittelverschwendung
(Internationaler Tag gegen Lebensmittelverschwendung)