26. April 2024
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Die Botschaft von Pfingsten – von Pfarrer Josef Scheiring

© Seelsorgeraum Inzing – Hatting – Polling
Lesedauer ca. 4 Minuten

Text aus der Pfingstpredigt von Pfarrer Josef Scheiring. Die Messe wurde am 23.5.2021 als Radiomesse aufgenommen und live auf ORF Ö2 übertragen.

Eingesperrt, so waren sie, die Jüngerinnen und Jünger, bevor der pfingstliche Geist sie aufwirbelte, wie es uns Lukas in der Apostelgeschichte beschreibt. Eingesperrt und voller Angst, so waren sie, die Apostelinnen und Apostel und mittendrin Maria, die Mama von Jesus, in ihrem Haus in Jerusalem. Die Tür war von innen verschlossen, um sich zu schützen vor dem Feindlichen da draußen. Ja, sie waren traumatisiert von der grausamen Hinrichtung von Jesus, der ihnen als Messias so vertraut geworden war. Doch nach 50 Tagen des Eingesperrtseins ereignete sich das Wunder, das wir seither „Pfingsten“ nennen.

Blicken wir um uns herum hinein in die Welt, hinein in unsere Dörfer und Städte, hinein in unsere Arbeitsbereiche und selbst hinein in unsere privaten Welten, so entdecken wir auch heute die versperrten Türen. Und das Eingeschlossensein. Und das Sichversperren.

Hinter so mancher Tür wohnt die Einsamkeit von Menschen, die keinen Mut mehr finden, auf andere zuzugehen, weil sie enttäuscht wurden, weil ihr Selbstwert sprichwörtlich am Boden ist oder weil sie einfach nur mehr warten können, dass endlich wer käme, um sie zu rufen, um sie zu befreien aus eigenem Gefangensein. Manchmal reicht eben nicht ein gutgemeintes „Sei-stark“ oder beschwichtigende Worte wie „Nimm’s-nicht-so-ernst“. Im biblischen Pfingstereignis war es eine Kraft, die von außen spürbar wurde. Wir könnten ihn den Geist der Zärtlichkeit nennen. Wir alle wissen, weil wir es erfahren haben und immer wieder erfahren dürfen, wie eine liebevolle Zuwendung aufrichtet, wie eine Umarmung Vertrauen schenkt oder wie eine Berührung eine Lähmung löst. Dieser Geist der Zärtlichkeit wartet nur darauf, in uns lebendig zu sein und lebendig zu werden.

Die lähmenden Kräfte finden wir in so vielen Bereichen und Schichten in unserem Land. Fest verschlossen scheinen oft die Türen gegenüber Notleidenden. Davor hocken Flüchtlinge in katastrophalen Lagern, die so ganz den Menschenrechten widersprechen. „Da können wir nichts machen, wir müssen für unsere eigenen Leute sorgen“ hören wir so manche Stimme rufen. Wir müssen diese Ängste schon ernst nehmen, das sind wir uns selber schuldig, aber schüren sollten wir sie keinesfalls.

In vielen Mahnwachen und Kundgebungen gegen eine unbarmherzige Asylpolitik wird offensichtlich ein anderer Geist spürbar – der Geist der Barmherzigkeit. Er möge auch gelten für die fast 500.000 Arbeitslosen in unserem Staat und für all jene, die hierzulande zu wenig zum Leben haben. Die Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte nimmt Bezug auf die Vision des Propheten Joel. Es heißt dort: „Eure Kinder werden Visionen haben und eure Alten Träume!“ Wenn wir uns alle zusammen, jung und alt, an Träumen von einem guten Leben für alle orientieren, dann werden sich Türen öffnen, dann werden die Reichen mit den Habenichtsen teilen und alle werden genug haben.

 „Eine andere Welt ist möglich“ – so wollen heute die jungen Menschen aufwecken, weil gerade noch könnte es gelingen, dass die Erhitzung der Erde nicht über 1,5 Grad steigt. Bei den Aktionen von Fridays-for-Future tritt jener revolutionär-pfingstliche Geist zum Vorschein, der die Türen der Bequemlichkeit und eines zerstörerischen Mitläufertums aufbricht. Es ist ein Geist, der zu einem neuen, einem besseren Leben ermutigt. „Kehrt um!“, rief damals Petrus in seiner mutigen Pfingstpredigt den Versammelten zu, die zuhauf in der Stadt Jerusalem waren.

Aufsperren ist das Stichwort- nicht erst seit dem 19.5. in allen Bereichen in unserem Land. Von lähmendem Eingesperrtsein ist schließlich selbst die Kirche betroffen, die zu Pfingsten ihren Geburtstag feiert.

Da fällt mir jetzt die Geschichte vom kleinen Arnold ein, die unser ehemaliger Diözesanbischof Reinhold Stecher in einem seiner Bücher erzählt. Arnold, der sehr mit Worten geizte, sollte die Geschichte des Seesturmes auf dem See Genesareth nacherzählen.

„Also Arnold, wie ist das mit dem Sturm auf dem See gewesen?
Da sind sie ins Schiffl gestiegen- Wer denn?
Der Jesus und die Apostel!
Und dann? Dann hat sich Jesus hinglegt zum Schlafn.
Und dann? Dann ist der Wind gekommen?
Ja und? Dann sind die Wellen immer höher kemmen..
Und was weiter, red a bissl, Arnold – Dann sind die Wellen ins Schiffl geplatscht.
Und dann? Dann haben sie Angst ghabt und haben den Jesus geweckt.
Und was hat denn Jesus gsagt: Er hat gsagt: Ihr seid s alle Scheisser!“

Da war keine Spur von Blasphemie, das war die Sprache seines Alltags und sie war unmissverständlich.

Ich wünsche mir für meine röm.katholische Kirche den pfingstlichen Mut zu so mancher Veränderung, neue Wege zu gehen, die bisher nicht betreten wurden. Was ich damit meine? Ich denke da einmal an die Stärkung der Rolle von Frauen in unserer Kirche, zum Beispiel in Form des Diakonats für Frauen. Die Hoffnung, dass die Forderung, Frauen und Laien stärker in die Verantwortung in die katholische Kirche zu integrieren, Wurzeln schlägt, stirbt zuletzt.

Ich arbeite und lebe seit 37 Jahren für diese, meine Kirche und es macht mich schon ein wenig traurig, wenn ein Dokument aus dem Vatikan wie kürzlich so viel Unruhe hervorbringt. Es erschließt sich mir keineswegs die Erklärung aus dem Dokument, warum aus dem Glauben lebenden Menschen, die getauft und in der Pfarre beheimatet sind, ein gemeinsamer Segen versagt bleiben soll, wenn sie in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben und lieben. Einen Menschen an seiner Seite zu haben, der den anderen im Leben begleitet, ist doch auch Segen und diese Bereitschaft, füreinander da zu sein, spielt doch eine viel größere Rolle als die Geschlechtlichkeit.

Ich habe drittens den Eindruck, dass in vielen Pfarren Geschiedenen und Wiederverheirateten mit großem Respekt, mit Achtung ihrer persönlichen Situation und Barmherzigkeit begegnet wird.  Für viele Menschen, deren Ehe zerbricht oder zerbrochen ist, auch für jene, die wieder eine neue Partnerschaft eingehen, ist es wichtig, die Zugehörigkeit zur Kirche erleben und  Kraft aus dem Glauben schöpfen zu können. Wie wohltuend ist es da, wenn Kirche als ein Ort erlebt wird oder erlebt werden darf, wo Menschen auch angesichts des Scheiterns von Lebensentwürfen auf Verständnis stoßen und nicht von vorne herein vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen werden. Oft ist da aber eine gewisse Ratlosigkeit, weil vatikanische Dokumente es immer noch so anders sehen.

Gott hat uns keinen Geist der Verzagtheit geschenkt, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.  Ja, legen wir sie doch endlich ab, die Masken von Unsicherheit und Angst, lassen wir alte Denkmuster hinter uns, beenden wir den Lockdown der Herzen, probieren wir Neues aus, gehen wir wieder neu aufeinander zu, bestärken und ermutigen wir einander, stecken wir uns gegenseitig an mit Freude und Begeisterung und helfen wir dem Leben wieder auf die Sprünge, damit der kleine Arnold nicht doch noch Recht hat mit seiner deftigen Bemerkung.

Die Radiomesse zum Nachhören:
https://religion.orf.at/radio/stories/3206480

Homepage des Seelsorgeraumes Inzing, Hatting, Polling:
http://sr-ihp.at/

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