Eine einzigartige Route
Text: Johann Jenewein, Fotos: Irene & Johann Jenewein
Reisen gehört zu den großen Leidenschaften des Ehepaares Irene und Johann Jenewein, Mitglieder des Kamera-Clubs Inzing. Dabei entstehen unzählige digitale Fotos, die Eingang in ihre Reiseschauen – gestaltet als Multivision – finden. In REISEN in BILDERN erzählen sie von den besuchten Ländern.
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Die Reise nach Venedig, von der wir dieses Mal erzählen, hatte ihren Ausgangspunkt am Hauptbahnhof in Innsbruck. Wir stiegen mit unseren Freunden vom Kamera-Club Inzing in den Zug. Anfänglich schien alles nach Plan zu laufen. Nicht ahnend, dass das Schicksal mit uns etwas ganz anderes vorgesehen hatte. Es wurde eine über Jahre dauernde Reise durch Raum und Zeit.
Kurz nach dem Erreichen Südtirols drängte es uns bereits in Brixen aus dem Zug. Vor mehr als 460 Jahren reiste der indische Elefant Soliman als kaiserliches Geschenk aus den portugiesischen Kolonien über Lissabon nach Wien. In der Bischofsstadt Brixen rastete er mehrere Tage. Ein Lichtmärchen verwandelt die Fassaden der Hofburg in Solimans Traum.
Inspiriert vom langen Weg des Elefanten Soliman zogen wir unsere Wanderschuhe an. Der Keschtnweg führt an den Sonnenhängen des Eisacktals über mehr als 60 km durch schöne Kastanienhaine, farbenprächtige Mischwälder und grüne Wiesen von Brixen bis nach Bozen. Direktvermarkter bieten regionale Produkte an. Viele Bauernhöfe öffnen zur „Törggelezeit“ ihre Stuben. Die Gäste kommen scharenweise auch aus Nordtirol und genießen die bäuerlichen Köstlichkeiten und das stimmungsvolle Ambiente. Sakrale Bauten, Kunst- und Naturdenkmäler entlang des „Keschtnweges“ zeugen von einer Jahrhunderte alten Kultur.
Schloss Runkelstein bei Bozen
Am südlichen Ende des Keschtnweges bei Bozen erwartet den Wanderer eine prächtige Burganlage. Der Abstecher in diesen historischen Bau war mehr als lohnend. Schloss Runkelstein beherbergt den größten profanen Freskenzyklus des Mittelalters. In insgesamt fünf Räumen des Westtraktes wird das mittelalterliche Leben der höfischen Gesellschaft erzählt. Der Turniersaal enthält eine beeindruckende Darstellung eines Lanzenturniers. Die Fresken von Schloss Runkelstein sind ein einzigartiges Zeugnis der damaligen höfischen Welt, von unschätzbarem Wert und ein einmaliges kunsthistorisches Juwel.
Wir sind auf Schloss Sigmundskorn südwestlich von Bozen eingetroffen. Das Bergmuseum des Extrembergsteigers Reinhold Messner thematisiert die Auseinandersetzung zwischen Mensch und Berg. Die Wege und Treppen führten uns aus der Tiefe der Gebirge zur religiösen Bedeutung der Gipfel, die als Orientierungshilfe und Brücke zum Jenseits dienen.
„He, da hört man vertraute Klänge!“ Der Inzinger Männerchor Friedrichslinde sang im Burghof La Montanara vom Trientiner Bergsteigerchor.
Wir ergaben uns dem Schicksal
Da zog es uns gleich weiter gegen Süden ins Trentino. Bei herrlichem Wetter kamen wir in Trient an und ließen uns im Cafè Italia am Domplatz nieder. Bei bester Aussicht genossen wir ein Gläschen Aperol Spritz.
Vor lauter Leute beobachten hätten wir beinahe vergessen den Dom zu besichtigen. Nach einem gemütlichen Abendessen kehrten wir nochmals im Cafè Italia ein und tranken einen abschließenden Grappa mit dem Chef des Hauses.
In Trient ergaben wir uns endgültig unserem Schicksal. Venedig lag nur noch ca. 2 ½ Stunden entfernt. Wir konnten aber den direkten Weg nicht nehmen. Die magischen Verlockungen des Gardasees, dem Meer der Tiroler, lenkten uns wie die verführerischen Stimmen der Sirenen nach Süd-Westen.
Gärten am Gardasee
Als wir in den Gärten der sonnigen Hänge erstmals den Duft von Orangen und Zitronen wahrnahmen, ergriff uns das prickelnde Gefühl des Südens. Wie ein frisch verliebtes Paar flanierten wir im vergehenden Tageslicht an den Uferpromenaden der lieblichen Orte.
Nach einem reinigenden Gewitter fanden wir uns im Parco Sigurtà, mit einer an Überfluss grenzenden Tulpenpracht, wieder. Der 60 ha große, mehrfach prämierte Park, erstreckt sich entlang des Flusses Mincio, wenige Kilometer südlich des Gardasees. 1941 erwarb Giuseppe Carlo Sigurtà den dem Verfall preisgegebenen Garten und hauchte ihm neues Leben ein. Seit 1983 ist der Park der Öffentlichkeit zugänglich.
Im nahe gelegenen Örtchen Borghetto Sul Mincio trafen wir überraschend unsere Freunde des Inzinger Kamera-Clubs. Das musste gleich mit einem Mittagessen gefeiert werden. Anschließend durchstöberten wir gemeinsam den fotogenen Ort.
Die Metropole Mailander Ort
Weil es sich so gut ergab, fuhren wir zusammen nach Mailand. Mit rund 1,4 Millionen Einwohnern ist sie die zweitgrößte Stadt Italiens und führende Kultur-, Medien- und Modemetropole.
In weißem Marmor erstreckt sich über 157 m Länge der majestätische Mailänder Dom. Er ist das bedeutendste Werk der gotischen Baukunst in Italien. Im Jahr 1386 wurde das Werk begonnen und benötigte bis zu seinem heutigen Aussehen über 5 Jahrhunderte. Am Abend leuchtete die Fassade im goldenen Licht der letzten Sonnenstrahlen.
Vom prächtigen kirchlichen Bauwerk ging es zu einem außergewöhnlichen Werk für die Verstorbenen. 1866 erschuf sich eine neureiche Mailänder Bürgerschicht den Friedhof Cimitero Monumentale, und fortan galt: Wer etwas auf sich hält, besetzt einen Logenplatz in der Scala, eine Sitzbank im Dom – und ein Familiengrab auf dem Monumentale. Seither haben alle berühmten Persönlichkeiten der Stadt hier ihre letzte Ruhestätte.
Der Dirigent Arturo Toscanini oder die italienische Fußballlegende Giuseppe Meazza, nach dem das Stadion der beiden Mailänder Fußballklubs AC Milan und Inter Mailand benannt ist, sind hier bestattet. Der Cimitero Monumentale ist nicht nur ein Friedhof, sondern ein gewaltiges Freilichtmuseum mit Statuen, Obelisken und Tempeln.
Wir machten noch einen kurzen Abstecher zum Giuseppe-Meazza-Stadion, dem Tempel der Mailänder Fußballmannschaften. Dieses ist mit rd. 78.000 Plätzen noch vor dem Olympiastadion in Rom das größte Fußballstadion Italiens und war Spielort für Europa- und Weltmeisterschaften.
Zu Fuß entlang der Ligurischen Küste
Nachdem wir uns von den Freunden verabschiedet hatten, setzten wir unsere Reise wieder alleine fort. Vorerst zog es uns an die Westküste des italienischen Stiefels über Genua nach Camogli. Hier packten wir unsere Wanderschuhe aus und marschierten in sechs Tagesetappen über rd. 80 Kilometer von Camogli nach Portovenere. Der berühmte Küstenstreifen der Cinque Terre lag auf unserer Route.
Endlich am Meer. Vom ersten Moment an verliebten wir uns in das kleine Städtchen Camogli. Vom Bootshafen führte uns der Weg entlang der Uferpromenade zum Ristorante La Rotonda, wo wir ein leichtes Abendessen genossen.
Am folgenden Tag stiegen wir aus der Stadt heraus vorerst zwischen hohen Gartenmauern viele Stufen steil bergan. Der einfallende Nebel in rd. 600 m Seehöhe konnte uns nicht beirren, das mittelalterliche Kloster San Fruttuoso in einer felsigen Bucht zu besuchen.
Auf den weiteren Etappen zeigte sich der Himmel zumeist wolkenlos. Der Weg führte über die Klippen hoch über dem Meer. Wir durchquerten Lemeglio mit der Kirche Santa Maria Assunta, einem lieblichen, kleinen Ortsteil von Moneglia.
Nachdem wir am Strand unseren Durst gestillt hatten, bot uns das Hotel Villa Belvedere eine wunderbare Unterkunft. Mit Blick auf das in der Abendsonne ruhende Meer genossen wir im Garten die traumhafte Atmosphäre. Für den Abend bestellten wir im dazugehörigen Ristorante ein schmackhaftes Menü mit Meeresfrüchten.
Weiter wanderten wir über Levanto nach Monterosso al Mare, dem nördlichsten der berühmten fünf Cinque-Terre-Orte. Auf der ehemaligen Eisenbahnstrecke folgten wir dem Rad- und Fußweg durch mehrere Tunnel. Dazwischen offenbarten sich uns herrliche Blicke auf das Meer.
Nach der Ortschaft Levanto, verabschiedete sich unser Weg vom Meeresblick. Die typische Trockenvegetation der mediterranen Macchia begleitete uns bis zum Höhenrücken Sella di Bagari in 360 m Seehöhe.
Vor uns lag die Cinque Terre, ein knapp neun Kilometer langer Abschnitt entlang der Ligurischen Küste. Nachdem wir die fünf Dörfer Monterosso al Mare, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore zu Fuß erobert hatten, betrachteten wir die in den Klippen hängenden Orte nochmals vom Boot aus. Das Boot brachte uns nach Portovenere mit der in dramatischer Lage thronenden Kirche San Pietro.