26. April 2024
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“Frau sein in Inzing” – Reaktionen

© shutterstock
Lesedauer ca. 5 Minuten

Von Angela Walch

Im Juli dieses Jahres erschien mein erster Artikel in der Inzinger Dorfzeitung. Ich wurde von Luis gebeten zum Thema „Frau sein in Inzing“ zu schreiben. Was aber keiner wusste – Ich sollte nicht die Einzige sein. Denn eigentlich war angedacht worden, dass mehrere Frauen aus Inzing ihre Sichtweise zu dieser Thematik bekunden. Doch Frauen, die sich anfangs bereit erklärten, entschieden sich um – aus unterschiedlichen Gründen. Auch mich verließ kurz vor der Veröffentlichung fast der Mut.

Kann es vielleicht damit zusammenhängen, dass sich Frauen nicht so viel zutrauen (sollen) wie Männer?

Im Nachhinein bin ich froh darüber, dass ich mich getraut habe übers „Frau sein“ zu schreiben. Besonders die Reaktionen aus dem Dorf hatten mich bestärkt und aufgezeigt, wie wichtig es ist über dieses Thema zu sprechen.

Ich war weiterhin im Austausch mit Luis und erzählte im freudig, welch positives Feedback mir entgegengebracht wurde. So kam ihm dann die Idee, diese Reaktionen festzuhalten und einen eigenen Artikel daraus entstehen zu lassen. Wir wollten also weitern Frauenstimmen Raum geben.

Insgesamt erklärten sich fünf Frauen bereit und teilen hier nun (zum Teil anonym) ihre Sichtweisen mit uns. Ich möchte sogleich die Gelegenheit nutzen und allen fünf nochmals ein großes Dankeschön aussprechen. Jede bereichert dieses Stimmungsbild auf ihre eigene Art und Weise!

Sarah Wegscheider
Es freut mich, dass du mich um ein Statement bittest. Ich merke, wie wichtig das Thema ist und wie wenig ich mich damit auseinandersetze, weil ich privilegiert bin und das nicht so erlebe oder solche Erlebnisse wie du in abgeschwächter Form nicht so registriert habe. Aber es ist so wichtig und da bricht mir echt das Herz, wenn du schreibst, wie das einfach nicht wertgeschätzt wird. Deswegen muss da etwas passieren.
Man fühlt sich im Dorf so behütet und aufgenommen, und in vielen Dingen ist Inzing auch vorbildlich. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass veraltete Sichtweisen und traditionelle Verhaltensmuster in der heutigen Zeit hinterfragt werden müssen, besonders im Hinblick auf Gleichberechtigung. Und grade dann wenn man Inzing seine Heimat nennt und dort in Vereinen, Gemeinschaften und Veranstaltungen mitwirkt und mitlebt, trägt jeder einen Teil dieser Verantwortung in sich und kann die Zukunft mitgestalten. Gerade für uns junge Menschen ist es selbstverständlich, dass wir wählen gehen, Entscheidungen treffen und uns bei geliebten Vereinen engagieren können – solche Artikel machen einem aber wieder bewusst, dass es trotzdem noch viel zu tun gibt und dass es wichtig ist, sich kritisch zu äußern, auch wenn es unangenehm ist. Wir müssen uns mit unseren Verhaltensmustern auseinandersetzen und sie hinterfragen, und das mag schmerzen. Aber sobald das passiert und sobald sich nachhaltig was daran ändert, kann Inzing stolz sein, Frauen wie Angela zu haben, die solche Veränderungen anstoßen.

© Hollei Anne Hayes

Anonyma
Das Thema ist deshalb so wichtig, weil wir Frauen leider immer noch als schwaches Geschlecht gesehen werden. Ich habe einmal ein Vorstellungsgespräch gehabt und da ist mir durch die Blume erklärt worden, dass ich den Job nicht machen kann, weil ich eine Frau bin. Das sind einfach Sachen, die funktionieren heutzutage nicht mehr, leider wird einem das aber erst viel zu spät bewusst.

Katharina Walch
Meine Gedanken zu Frau sein in Inzing: Keineswegs darf die gegenwärtige, schwerwiegende Unterdrückung von Frauen in vielen Ländern der Welt und in der Vergangenheit in Vergessenheit geraten. Die Wunden der Frau liegen tief und wir sollten gemeinsam für unsere Rechte einstehen. Ich bin aber auch der Meinung, wir können und sollten uns bewusst von der über Jahre hinweg aufgebauten „Opferrolle“ befreien und in die Rolle einer selbstbestimmten Frau schlüpfen und uns in der heutigen Zeit für uns selbst neu definieren. Solange wir uns bei frauenfeindlichen Kommentaren noch persönlich angegriffen fühlen, sind wir selbst noch nicht zu 100% davon überzeugt, dass wir ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen dürfen. Ich persönlich bin grundsätzlich der Meinung ich kann als Frau in Inzing, in diesem Land, in der heutigen Zeit, alles erreichen, was ich mir vornehme. Ich muss dazu sagen, dass ich eine privilegierte europäische junge Frau bin und ich lebe mein Frauenleben alles andere als eingeschränkt. Wir Frauen sollten uns mehr darauf konzentrieren uns gegenseitig zu unterstützen, zu stärken, unsere Unterschiede zu feiern und vor allem uns selbst zu lieben. Gemeinsam können wir wachsen und unser Selbstbewusstsein stärken. Das klassische Bild der Frau wird sich erst dann verändern, wenn wir unsere Träume verfolgen und so ein Vorbild für andere Frauen werden. Wir können nicht darauf warten, bis sich das Frauenbild in den Köpfen der Menschen von selbst verändert. Und mal ganz ehrlich: Den Menschen kann man es ja nie wirklich recht machen. Eine Karrierefrau kann sich anhören, was für eine schlechte Mutter sie ist und gleichzeitig muss sich eine Hausfrau vorwerfen lassen, warum sie sich noch nicht aus der klassischen Rollenverteilung befreit hat. Warum darf nicht jede das tun, was ihr am liebsten ist? Dieses Einmischen in die Sachen anderer ist ein ganz allgemeines Problem und geht bei diesem Thema wohlgemerkt nicht nur vom anderen Geschlecht aus, leider auch sehr häufig von anderen Frauen.
Ich bin für Gleichberechtigung. Gleichberechtigung für jeden Menschen in jedem Lebensbereich. Ein respektvoller Umgang von Mensch zu Mensch, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter oder Sexualität. Mein Wunsch wäre es, dass dieses Frauenthema irgendwann gar kein Thema mehr ist. Erst wenn niemand mehr drüber spricht, können wir mit Gewissheit sagen, dass wir die Zeiten der Geschlechterungleichheit überwunden haben.

© Jacob Lund / Shutterstock.com

Alena
Ein paar Gedankenschnipsel zum Thema „Frau sein“:
– Unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen meine Persönlichkeit in all ihren Facetten ausleben zu können
-Akzeptanz und Unterstützung zu (er)leben
-Nicht aufgrund meines Geschlechts in Schubladen gesteckt zu werden
-Gerechte Arbeitsteilung in der Familie sowie im Arbeitsleben
-Unterschied equity- equality
-Auch andere Frauen (in ihren Kämpfen für eine gerechtere Welt & anderen Dingen) zu unterstützen, sich der patriarchischen Vorstellung von Konkurrenz zwischen Frauen entgegenstellen

Lara Draxl
Was es bedeutet, Frau zu sein, finde ich recht anspruchsvoll zu beantworten. Ist es eine Charaktereigenschaft, ein Merkmal eines Geschlechts, ein bestimmtes Verhalten, eine Anlage oder doch etwas ganz anderes? Für mich persönlich hängt es jedenfalls mit Sozialisation zusammen. Häufig bin ich in der Art und Weise Frau, wie ich es gesehen, gelernt und mir abgeschaut habe. Unser Verhalten ist in vielerlei Hinsicht geprägt. Ich habe Frauen, die mich umgeben, beobachtet und vielleicht nachgeahmt und das übernommen, was ich für gut und stimmig empfand. Beziehungsweise habe ich das unterlassen, was ich als nicht richtig hielt und es deshalb anders gemacht. Und, wenn ich einmal genau hinschaue, dann entdecke ich, dass ich zum Teil das Leben von Frauen nachahme, von denen ich umgeben war und bin. Genau darin liegt meiner Ansicht nach eine Schwierigkeit – die du, Angela, in deinem Artikel angesprochen und deutlich herausgearbeitet hast – nämlich, dass Vieles einfach übernommen, wenn nicht sogar hingenommen wird. Ich finde, wir sollen die Frau sein, die wir sein wollen. Wir sollen die Frau sein dürfen, die wir sein wollen. Das bedeutet Frau sein für mich.

© “Self-care”. Illustrations by Paru Ramesh
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