25. April 2024
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Romedius Pilgerweg – 180 km von Thaur nach San Romedio / Teil 2

Lesedauer ca. 10 Minuten

Text: Johann Jenewein, Fotos: Irene und Johann Jenewein

Vom 5. bis zum 8. Tag pilgerten wir in Südtirol über hohe Passübergänge und überquerten die Schneebergscharte in 2700 m Seehöhe. Durch die regenreichen Tage und mit dem schweren Gepäck auf dem Rücken waren es anstrengende Etappen. Trotzdem spürten wir eine tiefe Gelassenheit in uns. Eine neue Erfahrung, denn noch nie waren wir so viele Tage ohne Unterbrechung auf dem Weg …

5. Etappe

Wie schon gewohnt, begann auch der fünfte Tag mit einem steilen Aufstieg durch den Wald. Bei der Alriß-Alm mussten wir einen Stopp einlegen, denn ich spürte an der Ferse ein leichtes Brennen. Vorbeugend klebte ich ein Pflaster auf. So ging es, dass wir beide den gesamten Pilgerweg ohne Blasen an den Füßen überstanden.

Der Weg stieg über Almmatten weiter an. Im Pilgertagebuch haben wir festgehalten: „Die Etappen fallen uns von Tag zu Tag leichter. Der Rucksack ist überhaupt kein Problem mehr und durch die tägliche Partnerfußmassage ist auch das Gehwerk gut in Schuss.“

Mit dem Erreichen der Maurerscharte waren wir 1300 m aufgestiegen und überschritten in 2511 m den bisher höchsten Übergang.

Nur kurz währte die Mittagsrast an einem geschützten Platz, denn aus dem Ridnauntal, unserem nächsten Ziel, zog ein kalter Wind herauf.

Beim Abstieg erreichten wir die urige Prischer Alm. Wir gesellten uns zu Gilbert, dem Senner. Er war gerade beim Buttern. Seine Freude über das gelungene und schmackhafte Naturprodukt war groß. Wir fragten nach einer Südtiroler Almjause. Wir bekamen ein gutes Stück Speck mit der frisch gemachten Butter und Schüttelbrot.

Nach dem Bezahlen der Rechnung gingen wir gut gelaunt den letzten Tagesabschnitt nach Maiern. Die Zeit bei Gilbert auf der Alm war ein Erlebnis. Pilgern ist nicht nur Gehen sondern auch Begegnung mit Menschen. Auf dem letzten Stück vor unserem Tagesziel mussten wir unsere Regenmäntel überziehen. Das störte uns nicht. Obwohl wir den Regen schon kommen sahen, war uns die Zeit bei Gilbert wichtiger.

6. Etappe

Nach dem Frühstück mit dem Bauern des Jörgelehofes in Maiern stiegen wir wieder in unsere Bergschuhe. Der Tagesmarsch sollte uns auf die Schneebergscharte in 2700 m Höhe bringen. Während der Nacht hatte es geregnet und es war sehr kühl.

Endlich wärmten uns seit drei Tagen die ersten Sonnenstrahlen, die wir mit Genuss in uns aufnahmen. Wir passierten das Südtiroler Bergbaumuseum. Der Abbau von Silber, Blei und Zink hat hier seine reichhaltigen Spuren hinterlassen.

Wir waren bereits den sechsten Tag auf Pilgerschaft. Ebenso viele Tage lagen noch vor uns. Wir durchschritten Täler und Berge bei Sonne, Regen, Nebel und Wind. Noch nie waren wir ohne Unterbrechung so lange auf dem Weg. Das Gefühl des Gehens hatte uns tief durchdrungen. Wir waren in eine neue Welt eingetaucht.

Zitat aus dem Pilgerheft: Zusammen mit Pfarrer Martin Ferner hat Hans Staud den Romedius-Pilgerweg von Thaur nach San Romedio ins Leben gerufen. 2013 machten sich die beiden auf den Weg. Sich mit dem Pilger Romedius auseinanderzusetzen, hat sie tief bewegt. Hans Staud: „Es ist für mich nicht das erste Mal, Wander- bzw. Pilgerrouten auszuarbeiten. Doch ein so inniges Gefühl der Dankbarkeit habe ich noch nie erlebt. Unterwegs ist Pfarrer Martin Ferner und mir klar geworden, dass der Romedius Pilgerweg etwas ganz Besonderes werden wird.“

Zur Mittagsrast kehrten wir in der Moarerbergalm ein. In der Gaststube saßen der Hirte und drei Arbeiter. Sie ließen sich voller Genuss das üppige Rahmmuas schmecken. Wir selbst aßen Brennesselknödel in zerlassener Butter und eine Kaspressknödelsuppe. Kräftigende Speisen für den Tag, der uns zum höchsten Punkt der gesamten Pilgerwanderung bringen wird.

Schon bald konnten wir die Moarerbergalm und den zurückgelegten Weg von oben betrachten. Über steile Geländekanten und nahezu ebene Weideböden stiegen wir höher.

In der Ferne sahen wir eine alte Einrichtung des Bergbaues. Arbeiter errichteten gerade einen Zugangsweg zu diesem Museumsobjekt.

Und dann überquerten wir die Schneebergscharte in 2700 m Seehöhe. Mit diesem Übergang war der höchste Punkt unserer gesamten Pilgerwanderung war erreicht.

In der Schutzhütte von St. Martin am Schneeberg verbrachten wir die Nacht. Wir besuchten die Knappenkirche „Maria Schnee“ unmittelbar neben unserer Unterkunft. In der holzvertäfelten Stube verspeisten wir eine herzhafte Nudelpfanne für zwei Personen.

An den Wänden hingen Bilder aus früherer Zeit. St. Martin am Schneeberg war über Jahrhunderte eine Knappensiedlung. Wie unglaublich hart müssen wohl die langen Wintermonate in dieser extremen Höhenlage gewesen sein?

7. Etappe

Bei nahezu frostigen drei Grad Celsius starteten wir in den nächsten Tag. Von St. Martin am Schneeberg führte der Weg abwärts und wir passierten letztmalig die Einrichtungen des ehemaligen Bergwerks.

Der Abstieg über zahlreiche Almen und die immer wieder kurzzeitig durch die Wolken hervorbrechende Morgensonne erfreuten unser Herz.

Nach eineinhalb Stunden erreichten wir die Timmelsjochstraße, die wir sogleich querten. Wir kamen damit zu den ersten hoch gelegenen Bergbauernhöfen des Passeiertales.

Auf der gegenüberliegenden Talseite lag scheinbar zum Greifen nahe unser erstes Tagesziel, wo wir unsere Mittagspause geplant hatten: der kleine Ort Rabenstein mit der spitztürmigen Kirche.

Der steile Weg war noch nicht zu Ende. Wir mussten weiter abwärts, in die Schlucht der Passer, den Wildbach, der das Passeiertal durchfließt.

Nach dem Durchschreiten der tiefen Passerschlucht waren es nur noch wenige Schritte bis nach Rabenstein. Der Blick zurück führte uns nochmals den steilen Weg und die ausgesetzten Bergbauernhöfe vor Augen. Nach einem kurzen Besuch der Kirche stärkten wir uns bei einem gschmackigen Jausenbrettl mit Südtiroler Speck und Käse.

Fit für den Weitermarsch folgten wir der Passer flussabwärts. In Moos in Passeier erreichten wir in 1000 m Seehöhe den tiefsten Punkt des Tages.

Sechs Stunden waren wir schon gegangen. Ein Schild wies uns darauf hin, dass wir bis Pfelders noch knapp drei Stunden brauchen werden. Mehr als 600 Höhenmeter mussten wir noch durch das wild-romantische Pfelderertal aufsteigen. Als Draufgabe wurden wir von einem Regenschauer überrascht.

Vielleicht war auch der Heilige Romedius auf seiner Pilgerwanderung nach Rom durch das Pfelderertal gezogen. Die Legende berichtet: „Romedius wurde im Thaurer Schloss geboren. Nach dem Tod seiner Eltern machte er mit seinen beiden Begleitern Abraham und David eine Wallfahrt nach Rom, um dort die Gräber der Apostel Petrus und Paulus zu besuchen. Romedius kehrte nicht mehr nach Thaur zurück, sondern blieb in der Diözese Trient. Seine Güter verschenkte er an die Hochstifte Trient und Augsburg. Dann zog er sich mit Erlaubnis des befreundeten Bischofs in das Nonstal zurück. Dort fand er mit Abraham und David den geeigneten Platz für sein Einsiedlerleben.“

Als wir einem Bauern begegneten, der seine Kühe von der Weide holte, kamen wir sofort mit ihm ins Gespräch. Wir begleiteten ihn mit seinen Kühen bis zum Rinderstall.

Lang zog sich diese Etappe dahin. Doch auch der strengste Marsch geht einmal zu Ende. Wir trafen am späten Nachmittag in Pfelders ein, wo wir bereits im Hotel Pöhl für die Nacht reserviert hatten.

8. Etappe

Für die Etappe über das Spronser Joch mussten wir uns wieder mit Proviant eindecken. Beim Aufstieg durch den Wald gingen wir im Nebel, der sich bei der Faltschnal-Alm bereits in leichtes Nieseln verwandelte.

Mutig waren wir mit kurzer Wanderhose vom Hotel losgezogen. Der immer stärker werdende Regen und die kühle Temperatur zwangen uns dazu die langen Hosenbeine anzuzippen.

Bald trafen wir zwei Hirten mit einigen Rindern. Auf die Frage, ob sie befürchten, dass es in der Höhe Schnee geben könnte, bekamen wir zur Antwort: „Na, zwoa Küh treiben wir zu der Hüttn, weil sie bald kalben wearn. Die andern sein nit zruck blieben.“

Das Spronser Joch erlebten wir im Nebel und Regen. Die im Pilgerheft versprochene Aussicht auf die größte hochalpine Seenplatte der Welt mit rund zehn Seen, konnten wir nicht einmal erahnen.

Regen, Regen, immer nur Regen. Und kalt. Die bisher im Rucksack verstauten Handschuhe kamen nun zum Einsatz. Beim tiefer steigen, traten wir bei der Oberkaseralm aus dem Nebel heraus. Erst hier hatten wir freien Blick auf den letzten See.

Zwei Stunden nachdem wir triefend nass bei der Bockerhütte angekommen waren, hatten wir plötzlich strahlenden Sonnenschein. Die Luft war reingewaschen und glasklar. Die nassen Kleider waren versorgt und wir gingen auf Entdeckungstour. Fredy, der kleine Sohn des Hauses, führte uns stolz zu seinen Tieren.

Die Bergschuhe und Kleider trockneten in der Stube, während wir uns im bunt bezogenen Bett für den nächsten Tag erholten.


Geschichte von der Idee zu unserer Pilgerwanderung

Irene: Johann?
Johann: Ja, was ist?
Irene: Weißt du noch wie unsere Pilgerwanderung zustand kommen ist.
Johann: Freilich, du hast im Winter einen Artikel über den neuen Romedius Pilgerweg in der Tageszeitung entdeckt.

Irene: Schon länger haben wir über eine Pilgerwanderung geredet. Nur haben wir uns nie die Zeit dazu genommen und auch nicht das Richtige gefunden.
Johann: Am Abend, wie du mir den Artikel gezeigt hast, haben wir gleich den Entschluss zum Pilgern gefasst und bald drauf haben wir den Termin fixiert.
Irene: Wann man Pilgern gehen will, muss man sich die Zeit nehmen. Wenn man sie sich nit nimmt, hat man sie sowieso nie.

Johann: Herrlich waren die 12 Tag. Die traumhafte Landschaft, die Menschen und die Einkehr in sich selber, oft mit einem stillen Rosenkranzgebet. Ganz einfach einmal aus dem Alltag ausbrechen.
Irene: Und das Handy, das wir zwar dabei ghabt
haben, haben wir auch nie braucht. Das war fein.

Fortsetzung folgt …

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Johann Jenewein

Johann lebt seit 2001 in Inzing. Die Print-Ausgabe der DZ hat er immer zur Gänze gelesen und hat auch immer wieder Beiträge verfasst. In seinem Privatleben ist er seit 22 Jahren Redakteur einer österreichweit erscheindenden almwirtschaftlichen Fachzeitschrift. Sein größtes Hobby ist das Fotografieren. Seit 2007 ist er Obmann des Kamera-Club Inzing. Seine Leidenschaft ist auch das Erstellen von vertonten Reise- und Multivisionsschauen.

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