21. November 2024
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Aus der Serie: Neulich im Zug… Nr. 8

Lesedauer ca. 3 Minuten

Dieser aktuelle Zug-Beitrag hat einen indirekten Zugbezug … Was für ein passendes Wort für diese Blog-Serie… 😉 …
Ich schreibe nicht aus dem Zug, sondern quasi unter dem Zug, um genau zu sein von der Unterführung unter der Zugtrasse in Inzing, am Weg nach Hatting. Wer`s kennt.

Zur freien Entnahme

So cirka seit der Weihnachtszeit liegt ein kleines, feines Holzkistchen mit einer verspielten, kleinen Metallverriegelung am Boden, direkt unter der Zug-Unterführung. Gut geschützt vor Wind und Wetter und lädt die Spaziergänger:innen dazu ein, einen Gegenstand aus dem Kästchen „frei zu entnehmen“. (Ich habe beobachtet, dass manche Spaziergänger:innen skeptisch daran vorbei gingen .. Was wird da wohl drin sein? Zur freien Entnahme in einer kapitalistischen Gesellschaft? Das muss ein schlechter Scherz sein, womöglich ist`s gefährlich gar…? Sicher nicht, dass ich da rein schau! … 😉 „Versteckte Kamera???“ (O-Ton!)
Ich war so jedenfalls so frei – Glück gehabt – 😉 und habe mir einen Gegenstand heraus genommen.
Der kurze Moment vor dem Öffnen und dem Enträtseln dessen, was dort wohl drin sein könnte … oder ob gemeint war, das Kästchen an sich wäre zur freien Entnahme???? …
Dieser kurze Moment vor dem Aufmachen jedenfalls ließ in mir dieses prickelnde Kindheitsgefühl auffunkeln… dieses magische Knistergefühl der Kindheit: „Was für ein tolles, noch unbekanntes Lebensgeheimnis verbirgt sich da wohl in der Schatztruhe? …. Neugier, Vorfreude … die innere Pippi schmunzelte bereits … Wird wohl jedenfalls `was Schönes sein!

Und so war´s und ist`s auch:

In dem Schatzkästchen befinden sich gute Wünsche, fröhliche Gedanken und gute Tagesworte – händisch aufgemalt – auf sehr sorgsam ausgesuchte und liebevoll bunt bemalte Natursteine.
Wer den symbolischen Wert der aufmunternden Botschaften erfasst, hat damit nicht einfach einen Naturstein geschenkt bekommen, wie sie auf dem Spazierweg viele zu finden sind, sondern hat einen Edelstein geschenkt bekommen.

Ich fühle mich jedesmal sehr beglückt, wenn ich vorbei komme. Manchmal nehme ich mir einen Stein mit, der dann mal länger, mal kürzer bei mir bleibt. Manchmal schenk ich ihn weiter, wenn er die volle Wirkung in mir bereits erfüllt hat.
Und ich gestalte selber manchmal Steine und lege sie als meinen Beitrag zum Ausgleich auch wieder in die Schatztruhe und freue mich, wenn „meine“ Steine beim nächsten Spaziergang weg sind. Sie also jemandem ein Edelstein waren und mitgenommen wurden.
Diese kleinen Geschenke sind eine kleine Geste mit kleinen bunten Steinen, die einen kleine Booster für einen mittleren Lebens-Freude-Hormonausschüttungs-Schub beim Lesen auslösen können. Der kitzelnde Überraschungsmoment löst bei mir jedesmal ein glitzerndes Aha-Erlebnis aus. Welche Gedanken und Wünsche, welche Farben, welche Steinformen liegen diesmal drin? Welche Ideen für meine Steine als Austauschgabe werde ich auf diesem Spaziergang finden?

Gerne nachmachen

Wie es an vielen verschiedenen Orten inzwischen Stationen gibt, wo Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, zur freien Entnahme gelagert und verschenkt werden, finde ich auch diese Idee nachahmenswert.
Wer sich also angesprochen fühlt: Immer frisch ans Werk und legt bei euch in der Nähe auch einfach eine Schatztruhe mit guten Wunsch-Steinen auf.
Ich habe zwar eine leise Vermutung, wer die Autorin der Stein-Sprüche sein könnte, ganz sicher bin ich mir zur Identität der Person aber nicht.
In jedem Fall möchte ich ihr aber hier mitteilen, falls sie es liest:

Danke und Gratulation zu dieser kreativen Idee mit simplen Mitteln und nachhaltiger Wirkung!

Und auch diese Beobachtung aus dem Alltag beinhaltet absolut eine gesellschafts-politische Seite. Es ist jedem Menschen möglich, auch im Kleinen, einen Beitrag zu einer „guten (Um-)Welt“ zu gestalten, in diesem Fall zu einer guten emotionalen (Um-)Welt.
Weil: Eine gesellschaftliche gute Emotionslage als immaterielles gesellschaftliches Gut nimmt einen ebenso wichtigen Stellenwert ein und benötigt ebenso viel Aufmerksamkeit und Pflege wie alle anderen politischen „handfesteren“ Gesellschaftsfelder, damit unser Zusammenleben als Gesamtgesellschaft gut funktionieren kann. Die Emotionen innerhalb der Gesellschaft sind das Schmiermittel, damit „Handfestes“ auf einer guten Unterlage regelmäßig im Alltag konstruktiv ausgehandelt werden kann.
Es braucht nicht unbedingt immer viel Geld. Es braucht oft „nur“ die Idee, die Motivation und den Mut, etwas Ungewöhnliches zu machen und das auch nach außen zu tragen …Engagement zur Kreativität und zum konkreten Handeln. Chapeau!

Das Private ist manchmal feinstofflich politisch und zeigt sich auch in einem kleinen Schatzkästchen in einer Zugunterführung mit bunten Gedanken auf bunten Steinen.

Alle Fotos: Astrid H.

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Astrid Hofmüller

Astrid lebt seit 18 Jahren in Inzing. Sie ist Mitglied des Klimabündnisses, des Sprachcafes und des FKFI in Inzing. Eine besondere "private Vorliebe" hegt sie für den gepflegten Sinn für feinsinnig-kritischen Humor und verfolgt leidenschaftlich, wenn auch vor allem von zuhause aus - die heimische Kabarettszene ... was das nun konkret für sporadische Beiträge in der Dorfzeitung bedeutet, wird sich weisen ... ;-) Getreu dem Motto von Karl Valentin:" Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen."

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Ein Gedanke zu “Aus der Serie: Neulich im Zug… Nr. 8

  1. Hallo Astrid!
    Ich habe diese Box auch schon ziemlich oft bemerkt, war aber im Gegensatz zu dir zu wenig neugierig um sie zu öffnen. Eigentlich schade – wäre wieder einmal eine besonders nette und erfreuliche Überraschung gewesen.
    Robert

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