25. April 2024
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Alfreds (W)Einsichten / J

Schloss Johannisberg
Lesedauer ca. 4 Minuten

Weinalphabet: Buchstabe J

Johannisberg  – Riesling-Schloss im Rheingau

Hier haben wir es mit einer monumentalen Kellerei, Schloss und Weinbergslage in der Mitte des südlich ausgerichteten Rheingaus zu tun. Die bevorzugte Lage zwischen Mainz und Rüdesheim ist geschichtlich bewiesen und von den charismatischen Benediktinern / Zisterziensern in ein homogenes Rebenmeer verwandelt worden.
Die Geschichte begann sogar bei Karl dem Großen, als der 772 den Fürstbischöfen von Fulda das Gebiet anbot. Als Stiftung des Benediktinerklosters St. Alban in Mainz wurde das neue Kloster begründet und dem Evangelisten Johannes geweiht – daher der Name.
In der langen und wechselhaften Geschichte des „Johannisberges“ – wie die nach Süden ausgerichtete, für Weinbau prädestinierte Lage ab dem 11. Jahrhundert hieß, gab es viele Besitzer, die Lage und der Weinberg blieben dieselben.
Bemerkenswert erscheint, dass hier im Jahre 1775 die erste Spätlese – ein leicht süßlicher Riesling – gekeltert wurde. Da das Gut im Besitz des Fürstbischofs von Fulda war, musste dieser die Erlaubnis zur Lese erteilen. Sein berittener Bote traf jedoch um 6 Tage zu spät am Weingut ein – und man hatte mit der Lese auf ihn gewartet. Nach der Gärung bot sich den geistlichen und weltlichen Verkostern ein zarter, feinherber Tropfen, da die Trauben schon leicht eingetrocknet gewesen waren. Die elegante „Restsüße“ begeisterte die Herren – ab sofort waren Spätlesen anzustreben!
Für uns Österreicher ist auch interessant, dass der rührige Außenminister Clemens Metternich das Gut um 1815 erwarb, nachdem im Wiener Kongress die Grenzen Europas nach Napoleon neu konstruiert wurden. Da gab es natürlich noch jede Menge Wein des Jahrhundertjahrgangs 1811 in den Fässern am Gut. Metternich musste laut Vertrag den „Zehent“ der Weine von über 12-jährigen Reben an das Hause Habsburg abliefern – und erst 1945 wurde dieser „Natural“ in Geldwert beglichen. Vorher wurden die Fässer ausgelost.
Metternich war ein glühender Verehrer des Rieslings, der hier seit 1760 reinsortig angebaut wird. Auch die Sektmarke „Fürst Metternich“ – ein Rieslingsekt aus dem Rheingau, der auf Schloss Johannisberg zusammengestellt wird, geht auf den umtriebigen Politiker zurück.
Mittlerweile gehört der Johannisberg der Familie Oetker seit 1980 – mit der Marke Söhnlein hatte man genug Geld verdient, um sich dieser Pretiose anzunehmen.
Am Ende des 2. Weltkrieges wurde durch Fliegerbomben beinahe das Anwesen zerstört. Fürst und Fürstin Alfons und Tatjana von Metternich hauchten der Anlage wieder Leben ein und sorgten dafür, dass der Riesling von Schloss Johannisberg auch heute noch als Aushängeschild für die königliche Weißweinrebe gilt.
Der Johannisberg beinhaltet 50 ha bestes Rebland, eine Stockdichte von 10 – bis 12.000 Reben pro ha, Handlese, beste Südexposition. Die Böden sind ein Löss-Lehmgemisch auf Taunus-Schiefer. Deutliche Temperaturschwankungen von Tag-Nacht ermöglichen die Entwicklung von Säuren und Aromen. Allerdings hat sich in 100 Jahren die Lese von Anfang November auf den 5. Oktober verändert – Climate change, no na.

Die Qualität der Weine ist formidabel, eigenwillig ist die historisch anmutende Art, die verschiedenen Stufen zu kennzeichnen. So erkennt man an den Lackfarben des Verschlusses die Art der Weine – von Gelblack für Qualitätswein über Rot-und Silberlack zu den Beerenauslesen.
Man hat mit Schloss Johannisberg ein monumentales Denkmal der Geschichte und des Weins.
Jede Menge Besucher (130,000 /Jahr) besuchen das Haus und auch den Keller, dessen wahre
Schätze in separaten Kojen des 260 Meter langen Hauptkellers lagern. Die älteste Flasche stammt aus dem Jahre 1748, und die Fässer sind aus den Eichendielen des benachbarten Taunuswaldes.
Mehr Terroir geht nicht.

Auf Schloss Johannisberg

Jahrgang was ist nun damit?

Die Nennung des Jahrgangs auf der Etikette, setzt natürlich eine solche (Etikette) voraus. Und jemanden, der die Qualitäten des Jahrgangs beurteilen kann. Der Jahrgang ist gewissermaßen ein Abbild der Klima – und Witterungsbedingungen, denen die Rebe im Erntejahr ausgesetzt war. Wegen der technischen Anpassung der Neuzeit und dem Aufkommen von vermehrt homogenen Weintypen, die einer großen Anzahl von Kunden gefallen sollen, tritt der Herstellungsjahrgang wohl eher in den Hintergrund – oder schauen Sie beim Weinkauf in Supermarkt auf den Jahrgang? Ich eigentlich nur deswegen, weil ich mich versichern will, dass der Wein nicht zu alt ist.
Bei sogenannten „Markenweinen“ ist der Jahrgang eigentlich marginal, aber das Weinrecht fordert dies, und auch mit Recht. Die meisten halten 1 bis 2 Jahre, dann ist es vorbei. Handelt es sich bei der schönen (teuren) Flasche allerdings um ein Produkt aus gutem Hause und klassischer Weingegend, lohnt es sich schon eher, dem Jahrgang mehr Aufmerksamkeit zu widmen, zumal hier auch die Preise ganz nett differieren können. Hier reden wir von sogenannten „großen“ Weinen. Diese sind in ihrer Jugend oft hart und verschlossen, mit zunehmendem Alter gewinnen die Weine an Reife – und Geschmeidigkeit, da die Komponenten

Alkohol, Säure, Gerbstoffe erst zusammenwachsen – und das nennt man Flaschenreife.

Anhand von sogenannten „Trinkreifentabellen“ kann man annähernd herausfinden, was gut, sehr gut oder eher schwach war. Schwach bedeutet meistens einen Jahrgang, in dem die Blüte inhomogen war, der Austrieb verspätet, die Sommer zu heiß oder die Erntezeit verregnet war.
Dabei muss man natürlich das individuelle Reifespektrum und Potenzial einer Gegend oder auch das Charisma des Betriebes kennen. Nämlich – in Bordeaux ist nicht alles gleich gut!
Aber da hilft uns Dr. Google oder andere Helferlein. Tipp: Vinum Trinkreifetabelle!
Sollte man heutzutage einen richtig alten Wein erstehen wollen – sagen wir, um den Geburtstag der Tochter im Jahr 1985 oder so – gebührend nachzufeiern, dann kommen nicht mehr viel Herkünfte in Betracht. Und – wenn noch vorhanden – sind die Preise unökonomisch hoch.

Also:  Wer gute Weine sammeln will, sollte früh kaufen und sich im Fachhandel informieren.
Und man sollte auch daran denken, dass, wenn die Flasche entkorkt wird, man selbst noch entsprechend rüstig dem Glas und dem Kind gegenübersteht, also nicht zu lange warten!

Recht unbekannt ist die Tatsache, dass auch Weißweine – sagen wir Grüner Veltliner und König Riesling der oberen Kategorie aus Deutschland, der Wachau und Seitentälern bei guten Bedingungen im Keller 20 und mehr Jahre reifen Freude bereiten können. Wenn der Jahrgang eben entsprechend war. Voraussetzung ist ein kühler Keller,  genügend (bis 80 % ) Luftfeuchtigkeit und gute Lüftung. Was wirklich gut und homogen altert, und wobei jetzt der Jahrgang nicht so ins Gewicht fällt, sind Süßweine aus dem Burgenland ab Beerenauslese, Sauternes, Champagner mit Jahrgang und natürlich auch (Vintage) Ports oder alte Oloroso-Sherries.
Bei Jahrgans-Madeiras stockt einem sowieso der Atem, wenn man einen 95-jährigen Bual oder Malmsey in/aus den Lodges von Funchal in den Händen hält. Da trinkt man dann Zeit. Aber das sind wieder andere Geschichten – also Freunde, stay tuned!

Fotos: Alfred Walch

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Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

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