16. September 2024
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„Manderlen“ in Kohle. Interview mit Andreas Hosp anlässlich seiner Ausstellung im Gemeindeamt am 13. September

Lesedauer ca. 15 Minuten

MH: Andreas, wir machen das Interview für den Blog der Dorfzeitung in Inzing,  anlässlich dessen, dass du jetzt am 13. September, im Rahmen der Fensterkunst deine Kohlezeichnungen im Gemeindeamt ausstellst. Was ist deine erste Erinnerung an das Zeichnen oder Malen?

AH: Ich habe schon als Kleinkind gern gezeichnet und gemalt, weiß ich von den Eltern, was ich aber selber auch noch in Erinnerung hab. Mein Papa ist ja im Kunstgewerbe gewesen. Ich weiß jetzt nicht, ob mich das vielleicht auch noch dazu so beeinflusst hat, dass man da viel mitkriegt, dass man Bilder sieht und es halt so miterlebt. Aber ich habe schon immer gerne gezeichnet und gemalt. Das hat sich recht schnell gezeigt, dass ich eigentlich gern ein bisschen deftiger male, obwohl ich ein total sensibles, ruhiges Kind gewesen bin. Also das, was heute so auf dem Blatt ist, das hat sich schon ganz früh herauskristallisiert, dass ich so einen Hang zum Düsteren habe.

MH: Um auf meine Frage nochmal zurückzukommen Hast du eine Erinnerung oder Anekdote oder etwas? Oder erinnerst du dich an ein bestimmtes Bild?

AH: Ich weiß noch, dass ich so einen Pack gehabt habe, so zusammengesammelt habe die Zeichnungen, die eben so düster waren. Also ich kann mich nicht mehr so an bestimmte genau erinnern. Aber wo ich Sachen verarbeitet habe. Sachen, was man im Fernsehen sieht, was man in Filmen sieht, was man vielleicht einen Tag zu früh sieht. Und das habe ich gesammelt. Ich habe das immer stolz hergezeigt. Und irgendwann ist der Pack verschwunden. Ich glaube, dann hat die Mama das entsorgt. Aber das ist meine Erinnerung geblieben, so der Pack, auf den ich ganz stolz gewesen bin. Und dass ich da schon gesammelt habe. Also das war mir wichtig, da schon so ein kleines Werk zu haben.

MH: Wie alt warst du da?

AH: Das weiß ich nicht mehr genau.Vielleicht acht, neun Jahre. Also ich habe da vorher schon gern gemalt, Aber wo ich dann so ganz bewusst mich hergehockt habe und das gesammelt habe.

MH: Von den Geschlechterbildern, die so in den Köpfen herum sind, ist vielleicht das sich Sich-zurückziehen und Zeichnen, Malen nicht unbedingt das Bild, das man von einem Buben mit acht, neun Jahren hat. Hast du diese Rollenerwartungen gespürt?

AH: Ich habe schon immer gerne alleine gespielt. Also ich war gern mit anderen Jungs unterwegs, das hat mir sehr gefallen. Ich habe auch einen großen Bruder, mit dem ich gern gespielt habe. Aber ich habe gern allein gespielt, und das ist mir jetzt eigentlich noch einmal mehr aufgefallen, seitdem ich selber Kinder habe. Weil man ja beobachtet und bei einem meiner Buben sehe ich das auch. Der kann das auch super und ich habe das auch irrsinnig gern mögen. Also da ganz für mich allein, so meine Welt, so wie ich spielen wollte.

MH: Du glaubst, dass das viel mit deiner Phantasie zu tun hat, also dass du die so ausleben konntest, wie du gewollt hast? Ohne Kompromisse?

AH: Ja, glaube ich wirklich. Ich habe einen eigenen Stil gehabt für mich. Ich habe so gern die He-Man-Figuren aus Masters of the Universe gehabt und das hat für mich nach so gewissen Regeln ablaufen müssen und das habe ich am allerliebsten allein getan.

MH: Hast du eine Erklärung für das Düstere in deinen Bildern bzw. hast du Erinnerungen an so ein düsteres Bild aus deiner Kindheit?

AH: Angefangen davon, dass man schon die Grundstruktur haben muss, wie man Sachen verarbeitet, wie man Sachen sieht und ich war einfach ein sensibler Bub, mit einer Mordsfantasie, was ich heute noch habe – ein Tagträumer. So gewisse Situationen, die für manche Kinder vielleicht nicht so hart waren, sind bei mir ärger hängen geblieben. Und ich bin früher herzkrank gewesen, heute ist das kein großes Thema mehr, aber das war früher eine schwere Herzerkrankung und als Kind kriegt man halt mit: Nein, du darfst das nicht tun und das nicht und du lebst damit. Aber später bekommt man mit, das muss einen auch ein bisschen geprägt haben. Die Sorge und Angst der Eltern, von der Umgebung, das soziale Umfeld und so, was man als Kind vielleicht unterbewusst miterlebt. Ich habe mit zwölf schon Panikattacken gehabt. Das habe ich noch nicht gewusst, dass es eine Panikattacke ist. Da habe ich dann gemeint, dass etwas mit dem Herz ist. Da war zum Glück ein guter Arzt, der mit mir geredet hat und dann gesagt hat, okay, das ist psychisch. Später, dann mit 17, 18 Jahren begann eine Lebenskrise, die über mehrere Jahre andauerte. Die Bilder sind ganz viel Ausdruck davon.

MH: Wie bist du mit dem umgegangen?

AH: Ich habe viel an mir gearbeitet und auch Unterstützung angenommen, das hat mich eigentlich soweit gebracht, dass ich heute meinen Job als Sozialarbeiter habe, dass ich eine Familie habe und dass ich jetzt hier in Inzing sitze.

MH: Das heißt, es geht dir jetzt halbwegs gut mit dem? Ist das Zeichnen trotzdem noch ein Kanal für das?

AH: Auf alle Fälle. Seit mein erstes Kind auf der Welt ist, hab ich gar nicht mehr gezeichnet. Und ich habe erst kürzlich wieder angefangen, mit der Motivation. Und da habe ich wieder gemerkt, dass es noch drin steckt, dass es total gut tut und dass es mir Spaß macht. Ich habe schon oft probiert, ich mach’s besser und schau mal bei anderen Künstlern, was die können und habe dann irgendwie probiert, irgendeinen Stil nachzuahmen. Und bin draufkommen, dass das nicht zu mir passt. Und die „Mandalen“, die ich mache, das bin ich. Und bei dem bleibe ich und probiere, gar nichts anderes zu machen, weil das gelogen wäre.

MH: Das heißt, du hast dich in der Kunst auch nie weitergebildet oder so?

AH: Ich hab einmal die Idee gehabt,Kunst zu studieren, die Galerie von meinem Papa übernehmen, etc. Aber da ich ja selber gerade in der Zeit, wo viele junge Menschen schon ihren Weg finden, eigentlich geschwommen bin und nicht gewusst habe, was kann ich, was will ich? Ich hatte große schulische Probleme, das hat mich auch geprägt. Wir leben ja in einer Leistungsgesellschaft, wo nur gilt: Was kannst du? Wer bist du? Was arbeitest du? Als junger Mensch habe ich dann riesige Existenzängste gehabt. Da habe ich lange nicht gewusst, was ich will und ein Kunststudium dann doch nicht angefangen.

MH: Wie ist es dann mit deinem beruflichen Werdegang weitergegangen?

AH: Ich bin eigentlich durch einen Zufall drauf gekommen, dass es die Ausbildung zum Sozialarbeiter gibt. Da hab ich mir gedacht, das Soziale liegt mir, weil mich immer schon das Thema Mensch interessiert hat. Gerade eben das Thema psychische Erkrankungen, weil das auch im Freundeskreis und im familiären Umfeld ein großes Thema gewesen ist. Und darum habe ich dann das gemacht. Weil die Galerie übernehmen, was sehr nahe liegt, gerade wenn man irgendwie kunstinteressiert ist, das ist für mich eigentlich nie in Frage gekommen, weil ich kein Geschäftsmann bin. Man muss da schon gewisse Skills mitbringen, dass man eine Galerie leiten kann, besonders in Tirol, dass man davon leben kann, selbstständig sein und das bin nicht ich.

MH: Jetzt hast du schon mehrmals die Galerie deines Vaters angesprochen, die ist in Nassereith. Wie kann man mit einer Galerie in Nassereith überhaupt leben?

AH: Da muss ich meinen Papa sehr loben. Der war eigentlich Lehrer, aber Kunst war immer das Seine. Er hat immer gerne Sachen gesammelt, hat sich für die Dinge interessiert und er hat da wirklich seine Stärke. Er wollte auch gleich groß anfangen. Soweit ich mich erinnere, war eine der ersten Ausstellungen dann schon von Alfred Hrdlicka, das ist schon ein großer Name. Und mein Papa, hat einfach gut mit Leuten gekonnt und hat auch gleich Kundschaft gehabt, da hat er sehr viel Schweiß und Blut hineingesteckt.

MH: Ich nehme an, dass da auch die Künstler zu den Vernissagen gekommen sind, oder?

AH: Ja.

MH: Wie ist es dann als junger Mensch, der selber mit Kunst seinen Ausdruck findet, diese dann zum Teil großen Künstler zu sehen, zu erleben und gleichzeitig irgendwie mit dieser vielen Kunst konfrontiert zu werden?

AH: Das war gar nichts so Besonderes. Ich glaube, weil ich damit aufgewachsen bin. Aber eher in der Jugendzeit habe ich mich noch mehr dafür interessiert und das bewusster wahrgenommen. Aber das war einfach das Geschäft und da hat man geholfen, wenn eine Vernissage war. Mein Papa hat immer wieder mal Bilder von mir wo aufgehängt, Aber selber wäre ich nie auf die Idee kommen, dass ich da jetzt ausstelle.

MH: Und nun die Ausstellung in Inzing…

AH:  Ich bin eigentlich total überrascht, dass ich jetzt eine Ausstellung habe. Ich habe einmal eine Ausstellung in Imst mit zwei anderen Künstlern gehabt. Und da habe ich, weil ich so Angst gehabt habe, dass ich bei der Eröffnung was sagen muss, gelogen und gesagt, es tut mir leid, ich komme heute, aber ich schaffe es bis dahin nicht. Und dann bin ich irgendwann gekommen, wo die Ausstellung schon gelaufen ist.

MH: Aber das ist schon lange her?

AH: Da war ich 28. Jetzt bin ich 42, also 14 Jahre her.

MH: Bist du jetzt irgendwie gechillter?

AH: Ja, ein bisschen schon, ich bin gereift. Mit zwei Kindern lernt man so viel dazu, gerade im Umgang mit anderen Leuten und irgendwo auftreten zu müssen. Es ist einfach das Älter werden und bisschen gleichgültiger werden. Und halt auch gelernt: Wenn du etwas willst, dann spring halt ein bisschen über deinen Schatten, bevor du es bereust. Weil das habe ich dann schon ein bisschen bereut. Wo ich mir gedacht habe: Warum bist du da später gekommen, das war ja auch was für dich und bist du halt auch mal im Mittelpunkt gestanden. Aber das tue ich halt wirklich sehr ungern.

MH: Aber andererseits hast du jetzt in deiner Rolle als Sozialarbeiter und als Papa also erstens eine große Verantwortung und bist halt auf andere Art und Weise im Mittelpunkt. Wie wirkt sich das aus?

AH: Das wirkt sich wirklich wahnsinnig positiv aus, weil ich überhaupt ein zurückhaltender Mensch war. Ich bin wahnsinnig gern unter Leuten. Ich sehe auch viel Gutes in der Menschheit. Ich will mir das bewahren, trotz allem was passiert. Gerade die Ausbildung am MCI war für mich eine Riesen Hürde, weil das war der erste berufliche Abschluss. Und das habe ich eigentlich nur geschafft, weil ich mir gesagt habe, dass ich da jetzt durchbeißen muss. Es ist sehr zermürbend und wirklich herausfordernd gewesen. Und die Ausstellung am 13. September, das ist für mich nicht ohne. Da bin ich jetzt noch lockerer, aber ich weiß an dem Tag, da wird mich einiges einholen. Für mich ist das schon eine Herausforderung. Aber umso mehr freut es mich selber, dass ich da jetzt zugesagt habe. Wenn ich meine Frau nicht gehabt hätte, dann weiß ich nicht, ob ich zugesagt hätte,die hat mich da schon und gleich motiviert. Sie hat mir einen Zeichenblock und Kohlestifte gekauft und hat gesagt: So, jetzt setzt du dich her, weil ich weiß, du kannst das. Sie sieht da Potenzial. Das, was ich nicht sehe. Und weiß, dass mir das gut tut. Und dass ich da eigentlich eine Freude habe. Gerade weil sie mich eben kennt, hat sie schon öfter gesagt, dass sie da stolz auf mich ist.

MH: Naja, aber du wirst ja schon wissen, dass du etwas kannst, oder?

AH: Ich mag meine Bilder. Manchmal schaue ich sie an und denke mir: Mir gefällt das und manchmal denke ich mir „Ach du, Dilettant“. Meine Angst ist, dass die Leute den Ausdruck in meinen Bildern nicht sehen, den ich sehe. Für mich ist jeder Strich und jeder Fleck und alles was ich verschmiere, eine Therapie in dieser Zeit.

MH: Gehört das nicht dazu, dass man als Künstler sagt, das bin ich oder das was ich da schaffe bin ich. Und mit einem Selbstbewusstsein zu sagen, das ist Kunst! Weil das habe ich jetzt gemacht und für mich ist das Ausdruck meines Innersten oder was auch immer und damit Punkt. Und damit auch sagt, was ist Kunst?

AH: Ich tue mich mit dieser Frage ganz schwer. Wenn man in einer Galerie aufwächst, wird man auch viel beeinflusst. Und es geht manchmal gar nicht darum was einem gefällt oder nicht, weil ich habe viele Sachen gesehen, die mir nicht gefallen haben. Aber das ist für mich trotzdem Kunst, weil da kommt halt etwas heraus. Es gibt die geborenen Künstler. Da weiß ich nicht, ob ich dazuzähle. Das ist für mich eine schwierige Frage, weil ich vorbelastet bin durch die Galerie von meinem Papa, wo immer darüber gesprochen worden ist, was jetzt „gut“ ist und was nicht. Was jetzt mich selbst betrifft, mir ist das ganz fremd, wenn z.b. der Alain (Rosenfeld, Initiator der Fensterkunst und selbst Künstler, Anm.) von mir als „Künstler“ spricht. Aber das ist halt die Geschichte, durch die Galerie, wo ich Abstand brauche von Bezeichnungen wie „Künstler“ oder „kein Künstler“.

MH: Aber das sind ja noch einmal zwei Paare Schuhe. Auf der einen Seite der Kunstbetrieb, was ja auch sehr viel Selbstmarketing ist, sich Verkaufen können. Und das andere ist, was ist Kunst. Kann man vielleicht den Unterschied machen zwischen jenen, die etwas aufs Papier bringen, was aus ihrem Innersten entspringt und jenen, die etwas imitieren?

AH: Ja, absolut. Es gibt ganz viele Leute, die imitieren, die sich das irgendwo rausholen. Das hat auch seine Berechtigung. Ich denke mir, wenn es gefällt, dann reicht das. Und ich habe immer Sorge, imitiere ich jemand, mache ich jemand nach? Weil ich habe auch meine Lieblingskünstler, da könnte man schon totale Parallelen sehen. Wie Anton Christian zum Beispiel oder der Marilyn Manson, der malt ja auch. Der malt so gut und wenn du seine Bilder siehst, da habe ich schon gehört, ja, klar, dass du jetzt auch so malst. Aber ich habe nie nachgemalt, sondern das war schon immer ich. Und ich glaube, die taugen mir so, weil es total in meine Richtung geht. Ich sag dann immer, das ist halt echt professionell, was die rauslassen und auf ihre Bilder bringen und wie sie mit Farben umgehen können. Anton Christian, der mein absoluter Lieblingskünstler ist, einer der größten österreichischen Künstler, den finde ich einfach wahnsinnig gut. Und der ist technisch einfach so gut drauf. Aber es geht so in die Richtung, was ich male. Es sind oft auch Menschen, in einer verzerrten, ich will nicht sagen, grausigen Darstellung. Und die Bilder von Marilyn Manson zum Beispiel, den erwähne ich bewusst, weil ich früher immer ein Riesenfan von seiner Musik war, und da fängt der malen an und ich sehe seine Bilder und flipp total aus. Und sehe dann plötzlich, der malt auch oft nur Leute ab da (deutet auf die Brust, Anm.), so wie ich. Und oft nur mit Armen, oder der Arm geht hinauf oder das Gesicht ist verzerrt. Ich habe dann auch zwischenzeitlich ähnliche Techniken probiert, weil mir das so imponiert, mittlerweile habe ich das Selbstbewusstsein entwickelt: Bleib bei deinen Strichen, damit bist du glücklich. Weil das bin dann wirklich ich und es braucht nicht unbedingt die Technik, zumindest für mich. Dass ich mir etwas anschaue und sage: Ja, das ist jetzt cool.

MH: Du sagst, das bist immer du und das ist dein Stil. Hat der sich über die Jahre nicht weiterentwickelt oder ist da etwas passiert?

AH: Ein bisschen schon. Aber es ist bei den gleichen Motiven geblieben, also immer etwas mit Gesichtern oder Torso oder so, das schon. Wenn ich jetzt die Sachen von früher anschaue, dann hat sich nicht viel verändert. Vielleicht traue ich mich jetzt ein bisschen mehr. Wo ich die Kohlestifte entdeckt habe, bin ich draufgekommen, dass mir das total taugt. Weil da kann ich chaotisch sein, da kann ich verschmieren. Jetzt kann ich den Ausdruck im Gesicht besser herausbringen, weil früher hab ich viel mit Bleistift gemalt. Ich glaube, da ist der größte Unterschied, dass ich eigentlich durchs Material zu dem gekommen bin, wie’s mir persönlich jetzt besser gefällt.

MH: Wie arbeitest du? Vorher hast du gesagt, du fetzt das Bild einfach hin. Ist es dann fertig?

AH: Selten, dass ich etwas überarbeite. Wenn ich jetzt meine Zeichnungen anschaue, dann würde ich sehen, ach, da müsste ich noch ein bisschen verschmieren, usw. Aber ich möchte es so lassen, weil ich die Sorge habe, sonst verhaue ich es. Manche würden sagen, was willst du jetzt da noch verhauen, dann ist halt da etwas mehr verschmiert oder so. Aber für mich und was ich da dann drin sehe, vom Ausdruck und so, täte es das Bild dann eher zerstören. Es kann sein, dass wir am Abend vor dem Fernseher sitzen und ich nehme den Block in die Hand und da läuft der Fernseher. Und dann bin ich aber bei dem Bild. Manchmal hab ich einfach Bock, dass ich mich herhocke, dass ich mir Ohrenstöpsel und Musik reintue und setz mich zum Tisch und fang an. Und wie gesagt, die hab ich sehr schnell gezeichnet, aber nach zwei, drei Bildern ist die Energie draußen. Ich spüre dann, jetzt ist genug, jetzt mag ich mich mit dem nicht mehr beschäftigen, jetzt mag ich mich mit mir selbst nicht mehr beschäftigen.

MH: Das heißt, es ist ein Schaffensprozess, die Striche mit der Kohle und das Verschmieren an der richtigen Stelle, das ist ein Ding?

AH: Ja.

MH: Siehst du dann, während du die Striche machst, schon was du verschmieren wirst?

AH: Nein. Ich sehe gar nicht davor, was ich malen will. Wenn ich das probiere, dann funktioniert es sowieso nicht. Ich fang meistens gleich an. Und dann mach ich einmal, ich nenne das jetzt bewusst, Chaos, weil einfach kein Plan dahinter steckt, was ich male, überhaupt nicht. Das ist aber das, was mir so taugt, wenn etwas rauskommt, wo ich sage, jetzt habe ich wieder etwas aufs Blatt gebracht, was mir etwas bedeutet. Das ist immer komplett eine Überraschung.

MH: Wieviele von den Blättern, die du so schnell produzierst, kommen dann in eine engere Auswahl? Oder anders gefragt: Mit wieviel Prozent deines Outputs bist du zufrieden?

AH: Sagen wir jetzt einmal: zwei, drei mag ich und beim vierten höre ich auf und das kommt weg.

MH: Aber die zwei, drei magst du dann auch?

AH: Ja, die mag ich dann. Und mag sie dann wieder nicht und mag sie dann und mag sie dann wieder nicht. Das ist wirklich ständig so. Ich hab heute wieder auf Instagram meine älteren Bilder durchgeschaut. Und es kann sein, dass ich mir die Bilder anschaue, wo ich mir wirklich denke, das taugt mir schon ganz gut. Und dann wieder so: „das ist so laienhaft, das kann niemandem gefallen. Aber ich denke mir auch: Wurscht, du weißt, warum du das aufs Blatt gebracht hast. Genau und das zeigt auch, dass es ein kleiner Teil von mir ist. Das ist einfach so typisch ich, unsicher.

MH: Dann muss ja der Prozess, was du am 13. September ausstellen wirst, extrem mühsam sein, oder?

AH: Ja! Das wird es total. Ich habe jetzt einerseits sehr viel Werbung gemacht, mit einem Mords Stolz und einer großen Freude. Und auf der anderen Seite, sag ich: Aber erwartet ja nicht zu viel, Leute.

MH: Warum diese Schaffenspause von fünf Jahren?

AH: Junge Eltern sein, plus Job, plus einen Haufen anderer Probleme, wobei das ja eigentlich Anlass bieten könnte, dass man malt, dass man was rauslässt. Aber da war null Muse da, gar nicht. Mein erster Sohn hat 4 Monate nur geschrien und geweint, nichts geschlafen. Und irgendwie war ich da dann so weg davon. Weil bevor er auf die Welt gekommen ist, da hab ich die Idee gehabt – da war ich dann auch das erste Mal T-Shirts drucken – ich wollte unbedingt Skate-Decks drucken, mit meinen Motiven. Ich bin aber nicht dran geblieben. Und das nicht Dranbleiben, das ist jetzt keine Ausrede, hängt mit meiner Vergangenheit zusammen. Mit meiner Unsicherheit, mit dem Eh-nie-was-zusammenkriegen, du schaffst das eh nicht, du packst das eh schon wieder nicht. Und die Angst, die macht alles so mühsam. Und dann eben plus Eltern-sein, wo der Fokus ganz woanders war. Plus einige Ereignisse, gerade die letzten fünf Jahre, die mir gezeigt haben, dass das Malen, diese Bilder, und das ist für mich eine ganz wichtige Aussage, mir eigentlich schon Freude bereitet. Es ist zwar schon etwas Dunkles und es soll etwas Dunkles sein. Weil viele Eltern, und das ist etwas was ich mitgeben täte, Sorge haben, wenn Kinder etwas Düsteres malen, wo natürlich auch etwas „zaches“ dahinterstecken kann, wo man auch drauf schauen sollte, das will ich jetzt nicht abstreiten, aber nicht immer unbedingt so sein muss. Es gibt einfach so Seelen, die anfälliger für etwas sind und das irgendwie zum Ausdruck bringen müssen. Oder wenn junge Leute Musik hören, wie Slipknot oder Marilyn Manson oder „zache“ Filme schauen, das nicht unbedingt negativ sein muss. Ich werde nie vergessen, wie jemand einmal zu mir gesagt hat: „Hey Andi, mal doch einfach einmal eine Blumenwiese“, und die Person hat das nicht böse gemeint, das war ernst gemeint. „Dann geht’s dir besser!“ – Ehrlich: Das wäre fuchtbar für mich. Genauso wie, wenn ich einen schlechten Tag habe und jemand sagt: „Jetzt hör dir doch ein positives Lied an!“ Nein, da will ich jemand, der hineinschreit und brüllt, wo ich weiß, boah, der versteht mich. Ich bin nicht allein auf der Welt. Das brauchen auch die jungen Leute! Und ich finde es schlimm, wenn probiert wird, es ihnen zu nehmen. Dir darf es schlecht gehen, dir darf es einmal Scheiße gehen. Und wenn da jemand ist, der durch Musik, Bilder oder Bücher sagt: „du bist nicht allein, schau, mir geht’s genauso.“ Das ist für mich Licht, Sonne und ein Blumenbild. Das ist für mich wichtig!

MH: Ich kenne das schon, wenn man wegen etwas sehr traurig ist. Z.b. wenn eine Beziehung in die Brüche geht, dass traurige Musik zu hören, zwar das Gefühl verstärkt, aber auch etwas Beruhigendes hat. Vielleicht ist es das, was du sagst: „Ich bin nicht allein“…

AH: Für mich hat das auch etwas Heilendes. Natürlich soll man irgendwann auf den Oberschenkel klopfen und sagen: „Okay, aber jetzt!“. Gerade Liebeskummer ist ein super Beispiel, wenn die Beziehung in die Brüche gegangen ist, da geht ja wirklich die Welt unter, und das hat ja fast jeder schon erlebt. Und wenn du da nur hörst: „Jetzt musst du raus!“. Nein, ich finde, man darf sich einmal vergraben und Radiohead hören und von mir aus einmal Whiskey trinken und sich einfach einmal hängen lassen und das zum Ausdruck bringen. Und da sind solche Sachen – für mich, und ich bin damit sicher nicht der einzige Mensch auf der Welt, denk ich mir – etwas Heilendes. Jetzt befass ich mich damit, aber dann natürlich auch wieder mit: „Ja, jetzt passt es wieder“. Wir haben in unserer Wohnung ein Bild hängen, das ich meiner Frau geschenkt habe und ich eh zur Ausstellung mitbringe, das ist jetzt zwar nicht ganz wild, aber es passt mir gar nicht so, dass es da hängt. Weil immer, wenn ich es sehe, befasse ich mich damit, man soll es ja auch wieder auf die Seite schieben können. Meine Lieblingsband sind die nine inch nails, die mag ich auch nicht immer hören. Aber das Düstere ist grundsätzlich nichts schlechtes.

MH: Werden sich deine Bilder irgendwann ändern?

AH (lange Pause): Glaube ich nicht. Weil, das habe ich jetzt, wie ich wieder neu zu malen begonnen habe, gemerkt, dass da noch ganz viel da ist und es eher noch heftiger wird. Aber das ist okay, weil jetzt gerade als Papa – aber das ist eine persönliche Geschichte, das kann ich wirklich nur individuell auf mich beziehen – da kommt jetzt noch viel mehr von früher herauf. Das Dunkle hat mich schon immer angezogen. Auch wenn ich den ganzen Scheiß nicht erlebt hätte, ich glaube nicht, dass ich sehr anders drauf wäre. Weil Trent Reznor, der Sänger von nine inch nails, der hat eigentlich nicht einmal so eine „zache“ Biographie, der hat einmal gesagt: „Er ist so eine Seele und das kann man so nicht erklären. Es gibt solche Seelen, die sind da, da müsste auch gar nicht viel passieren, trotzdem hat man das in sich drinnen.“ Vielleicht denk ich mir in zwei Jahren, was hast du denn da für einen Blödsinn geredet. Aber jetzt ist es so. Irgendwie hoffe ich auch, dass ich immer so male, weil es mir Spaß macht und mir so gefällt. Und ich bin ganz ehrlich, es gefällt einem natürlich auch, wenn man Leute ein bisschen provozieren und schockieren kann. Meine Bilder, denk ich mir oft gar nicht, schockieren manche Leute wirklich. Und ich glaube es taugt nicht nur mir, wenn man merkt, bei dem habe ich jetzt ein Gefühl, und gerade wenn es ein negatives Gefühl ist, geweckt. Hat vielleicht etwas Pubertierendes, Rebellisches, aber das steckt da bei mir schon noch drinnen.

MH: Dann sind wir schon einmal sehr gespannt auf die Ausstellung. Danke für das Gespräch.

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Michael Haupt

Michael nennt sich selbst gern Kulturarbeiter und macht das in verschiedenen Feldern, sowohl beruflich, als auch in seiner Freizeit. Letztlich geht es ihm dabei immer um die politische Dimension von Kultur. Um ihr Potenzial, die Gesellschaft vorwärts zu bringen, in dem sie Themen und Fragestellungen auf andere Art aufwirft. Das wird sich auch in seinen Artikeln für den Blog zeigen.

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