21. November 2024
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Über die Freude an der Musik …

Lesedauer ca. 4 Minuten

und deren Grundvoraussetzungen.

In der Rundschau vom Mittwoch liest man, dass ein junger Inzinger, genauer der 20-jährige Simon Eichinger, einen internationalen Gitarrenpreis gewonnen hat, ausgeschrieben von einem US-amerikanischen Gitarrenproduzent und mit mehr als hundert TeilnehmerInnen aus aller Welt. Ein Interview mit Simon Eichinger war so kurzfristig nicht möglich, aber möglicherweise kann man ja bald hier am Blog der DZ Inzing mehr über ihn erfahren. Auf jeden Fall eine grandiose Leistung und wir gratulieren herzlich.

Heute möchte ich dies aber zum Anlass nehmen und allgemeiner über Musik und Grundvoraussetzungen schreiben, um erfolgreich zu werden. Denn neben Fleiß (Simon übt drei bis vier Stunden täglich) und Talent braucht es auch Unterstützung und Angebote von familiärer und öffentlicher Seite. Ohne mit ihm oder seiner Familie gesprochen zu haben, nehme ich an, dass es von familiärer Seite große Unterstützung gibt. Seinem Vater Albert kann man wohl ein großes Interesse an Musik nachsagen.

Als wir 1995 unsere Band „soWhat?“ gründeten und anfingen Konzerte zu spielen, machte Albert mehrere Male (unentgeltlich) den Tontechniker für uns. Er vermittelte uns unser Mischpult (dieses riesengroße schwere Ding), beriet uns in Sachen Musikanlage und begleitete uns ins Tonstudio eines Freundes von ihm nach Bayern, wo wir unser erstes (und letztes) Demo aufnahmen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er mir mit fast kindlicher Freude die Noten von Ritchie Blackmores Solo im Deep Purple-Klassiker „Smoke on the Water“ zeigte und mir dann auch überließ (manchmal versuche ich heute noch Versatzstücke davon anzuspielen). In den späten 90er Jahren und ohne Internet war das noch eine kleine Sensation! Wir revanchierten uns, indem wir die Waschmaschine seiner Eltern in den zweiten oder dritten Stock trugen. Auch an das kann ich mich gut erinnern. Es hatte Ähnlichkeit mit dem Tragen des Mischpults nach den Auftritten.

Dass wir als junge Cover-Rockband auf Albert trafen war ein Glück, auch wenn ich mich im Moment nicht erinnere, wie es zu der Begegnung kam. Wir hatten aber auch in anderer Hinsicht Glück. Nämlich dass die Eltern unseres Drummers Christian erstens Platz für einen Proberaum hatten und zweitens, eine unglaubliche Geduld und Gelassenheit unserem Lärm gegenüber hatten. Wir probten im ersten Stock in Christians Haus an der Hauptstraße und ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, dass sich jemand beschwert hätte. Auch nicht, wenn wir frühmorgens von einem Auftritt heimkamen und mit dem sperrigen Mischpult die Treppen raufrumpelten. Damals war mir weder bewusst, welche Freiheiten wir hatten, noch was es bedeutet Platz zum Ausprobieren und Musizieren zu haben. Ich möchte ein sehr verspätetes Dankeschön an Christians Eltern an dieser Stelle aussprechen.

Mit der Musikschule und den Angeboten der Musikkapelle Inzing für Kinder und Jugendliche gibt es im Dorf zwei gute Möglichkeiten ein Instrument zu lernen. Drei unserer vier Bandmitglieder waren aktiv in der Musikkapelle. Auch wenn Florian und Matthias dort andere Instrumente spielten, ein Grundstein wurde gelegt und letztlich wurde auch der Austausch zwischen den dreien gefördert, so dass sie eine Band gründeten. Auch diese Rolle der Musikkapelle habe ich erst spät verstanden.

Als ich von Simon Eichingers Preis las, fragte ich mich, warum ich von ihm und seinem Können auf der Gitarre bis Mittwoch noch nie gehört habe. Das wird sicher auch andere Gründe haben, aber zwei Faktoren fallen mir in diesem Zusammenhang auf. Es gibt einerseits keine öffentlichen und leicht zugänglichen Proberäume und andererseits sind die Auftrittsmöglichkeiten für junge Bands noch rarer geworden, als sie in unserer Zeit schon waren. Wir gaben Konzerte im Jugendheim, im Wintergarten, im Schärmerhof, bei privaten Feiern oder beim Musikfest. Ich würde schätzen, dass wir in den drei Jahren unserer Hochphase mindestens drei Mal im Jahr in Inzing auftraten, eher öfter. Gut, wir waren eine Cover-Band, also leichter verträglich für viele Menschen, aber trotzdem. Und wir waren nicht die einzigen, „6401“, „Don’t tell Mama“ und später „Prüller“ gab es auch noch.

Stellen wir uns kurz vor, es gäbe in Inzing ein oder zwei Proberäume, die vielleicht unter Bands geteilt würden. Würden sie leer stehen oder würden sie dazu animieren, Bands zu gründen, sich auszuprobieren? Würden vielleicht bestehende Formationen im Dorf bleiben, sich hier auch musikalisch verankern und möglicherweise sogar Konzerte im Ort veranstalten, so wie wir und später einige andere Bands das taten?

Als Christian 1998 unseren Proberaum zu seiner heutigen Wohnung umbaute, wurde damit das Ende von „soWhat?“ eingeläutet. Eine Zeit lang probten wir noch in Florians Keller, dann wieder bei Christian im Erdgeschoß. Vielleicht war einfach die Luft draußen, aber vielleicht lag es auch an der unkomplizierten Möglichkeit zu jeder Tag und Nacht Zeit die Gitarren heulen zu lassen.

Heute mit bald 50 sind das Anekdoten, die v.a. mich selbst nostalgisch und sentimental werden lassen, damals war es für unser aller Selbstverständnis essenziell. Heute beschäftige ich mich mit Raum-in-Raum-Konzepten, Schallentkoppelung und Schalldämmung und bau einen Proberaum in meinem eigenen Keller für meinen Sohn (und vielleicht ein bisschen für mich selbst). Damit er zumindest das Angebot hat, sich austoben und ausprobieren zu können. Ob wir (und unsere Nachbarn) dann so gelassen und geduldig wie Christians Eltern sein werden, wenn eine ganze Band unten einzieht, steht auf einem anderen Blatt. Aber vielleicht hat sich die Gemeinde dann doch durchgerungen, selbst unkomplizierte Angebote für angehende Rockstars zu schaffen.

Michael Haupt

Michael nennt sich selbst gern Kulturarbeiter und macht das in verschiedenen Feldern, sowohl beruflich, als auch in seiner Freizeit. Letztlich geht es ihm dabei immer um die politische Dimension von Kultur. Um ihr Potenzial, die Gesellschaft vorwärts zu bringen, in dem sie Themen und Fragestellungen auf andere Art aufwirft. Das wird sich auch in seinen Artikeln für den Blog zeigen.

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Ein Gedanke zu “Über die Freude an der Musik …

  1. Sehr interessanter Artikel, vielen Dank! Hab unlängst mit einer Freundin gesprochen, die umziehn möchte aber deren Umzug immer von vorhandenen Probemöglichkeiten abhängt (sie spielt und unterrichtet nebst Gitarre noch den Dudelsack). Da haben wir laut nachgedacht und überlegt, wie es diesbzgl wohl in Inzing ausschaut…

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