Man stelle sich folgende Situation vor: Vor der Haustüre befindet sich eine kleine Fläche von wenigen Quadratmetern bis zur Straße, die man seit Jahren pflastern oder asphaltieren möchte. Materialkosten und Arbeitszeit für die Asphaltierung wären ein Bagatellbetrag, aber das Angebot einer Firma, welches man eingeholt hatte, weist einen höheren dreistelligen Betrag auf. Verständlich – denn man muss mit LKW und Maschinen anrücken, egal ob es sich um nur 10 Quadratmeter oder auch 1000 Quadratmeter handelt. Und so vergehen Jahre und man hat sich schon beinahe an die Schottereinfahrt gewöhnt.
Nun will es der Zufall und die Gemeinde lässt die Straße neu asphaltieren. Wenige Meter von der eigenen Haustür entfernt, steht ein LKW, voll beladen mit heißem, zähflüssigem Asphalt. Daneben mehrere Arbeiter, die geschickt und schnell Meter für Meter dieses dunklen Belags auftragen und glätten.
Und schon wird man wie von Zauberhand von den eigenen Füßen zu einem der kräftigen Männer getragen, mit 4 Flaschen kühlem Bier (für jeden der Arbeiter eine) in der Hand und wünscht eine angenehme Pause. Nebenbei wird gefragt, ob es denn nicht möglich wäre, ein kleines Häufchen Asphalt neben die Straße zu schütten und ob man denn während der wohlverdienten Pause nicht die kleine, handbetriebene Straßenwalze kurz ausleihen dürfte.
Die Hitze ist groß und die Mittagspause ohnehin schon nah – also freut man sich über das kühle Nass in der Kehle. Da man dieses Gerät zum ersten und vermutlich einzigen Mal im Leben bedient, geht es nicht ganz so flott voran, wie vorher unter der geschickten Führung der Straßenarbeiter. Die Pause ist vorbei aber die Fläche vor der Haustüre immer noch nicht geglättet. Die helfende Hand des Arbeiters erledigt den Rest in wenigen Minuten. Man bedankt sich großzügig mit einem Schein im Wert von hundert Euro und wünscht sich gegenseitig noch einen schönen Tag.
Was sagt das Gewissen dazu? Naja – eigentlich sind alle glücklich und niemandem wurde geschadet. Oder doch? Der Gemeinde vielleicht, die ja für die Arbeiten der Asphaltierung zu zahlen hat? Man zahlt ja immer brav all die Steuern und außerdem wäre das kleine Häufchen Asphalt sicher ohnehin am Ende übrig geblieben. Das Gewissen ist vielleicht nicht ganz rein, aber man kann damit leben.
Szenenwechsel
Der erfolgreiche Immobilien-Investor, der es bis zum mehrfachen Milliardär gebracht hat, steht vor einem kleinen Problem. Das geplante Bauprojekt muss verschoben werden oder kann im schlimmsten Fall vielleicht gar nicht realisiert werden, weil die dafür vorgesehene Fläche erst umgewidmet werden müsste. Zum Glück kennt man sich ja und in einem Gespräch in angenehmer Atmosphäre wurde schon so manches Problem gelöst.
Nun lasst uns mal rechnen: Laut Statistik liegt der Median des Vermögensbesitzes der Österreicher bei rund € 100.000,-. Das bedeutet, dass die Hälfte der Österreicher weniger als hunderttausend Euro besitzt und die andere Hälfte mehr. Eine finanzielle Anerkennung von € 100,- für die hilfreichen Arbeiter beträgt also ein Tausendstel des Vermögens.
Das Tausendstel des Vermögens eines Milliardärs beträgt …. Richtig! 1 Million Euro!
Ich könnte mir vorstellen, dass selbst ein Millionstel des Vermögens – also eintausend Euro – so manchen Beamten dazu verleiten würde, einen Antrag eines Kunden wunschgemäß und rasch zu erledigen. Nun stellt sich ebenfalls die Frage: Wie sehr würde das Gewissen des Milliardärs damit belastet? Um ein Tausendstel weniger?
Und es stellt sich eine weitere Frage. Wie gefährlich sind derartige Super-Reiche für die Gesellschaft?
Man stelle sich vor: Die 50 Cent, die man der in der Kälte zitternden Frau bei den Einkaufswägen des Supermarktes schenkt, entsprechen einem Betrag von 5000 Euro eines Milliardärs. Ist derartiger Reichtum noch verantwortbar? Verantwortbar mit dem eigenen Gewissen? Gesellschaftlich und politisch verantwortbar? Der Schritt zu einem Ausmaß an Korruption, welche massive Auswirkungen für große Bevölkerungsteile hat, ist bei derartigen Dimensionen nur mehr ein sehr kleiner.