26. April 2024
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Orientierung: Erstaunliches & Hilfreiches

Am Lechweg zwischen Formarinsee und Lech am Arlberg
Lesedauer ca. 7 Minuten

Vor einiger Zeit schrieb ich übers Weitwandern. Nicht nur dabei sondern genau genommen bei jeder Fortbewegung ist ein mehr oder weniger großes Maß an Orientierung nötig. Wenn auch diese Notwendigkeit bei den vielen alltäglichen Tätigkeiten nicht auffällt, so automatisch läuft sie die Routine durch.

Je unbekannter aber die Umgebung ist umso mehr beginnt man zu registrieren was es bedeutet sich orientieren zu müssen. Ist es auf vielen Straßen noch einfach, man sieht Mengenweise Hinweistafeln und Schilder mit Straßennamen und man kann meist schnell einfach jemanden fragen, so hat man im freien Gelände ein ernsthaftes Problem, wenn man nicht weiß wo die Himmelsrichtungen liegen und wo man sich genau befindet, vielleicht auch noch ohne Landkarte. „Was soll‘s!“ sagt man jetzt möglicherweise. „Ich habe ja mein Smartphone dabei – und sogar noch mit GPS-Funktion. Einmal antippen, Standort ermitteln, Karte anzeigen, Zielort eingeben und schon wird man bequem geführt.“ Sehr gut, wenigstens hat man an eine gute Hilfe gedacht anstatt in Panik zu fallen und sich in wirkliche Gefahr zu bringen. Überall dort wo man einen relativ guten Internet-Zugang findet oder die nötige Karte aufs Gerät geladen hat und häufig genug den Akku laden kann wird das auch meistens ausreichen. Ist man aber darauf angewiesen so sollte unbedingt alles vermieden werden, was den Akku beansprucht, also Telefon ausschalten, keine Musik hören und noch weniger im Internet surfen oder Filme ansehen. Im Hinterland, fernab von Siedlungen oder auch im Gebirge oder in engen Tälern sieht die Sache anders aus. Hier findet das Allroundgerät oft nicht einmal mehr eine ausreichend gute Position. Die Wanderpfade sind oft nicht eingezeichnet und man kennt eventuelle Gefahren, die auch schon knapp neben dem Steig lauern können, nicht.

Aufstieg zur Paiderspitze, dem höchsten Berg Inzings, im mäßig dichten Morgennebel. Sichtweite etwa 100 Meter. Wäre der Nebel dichter oder wenn der Weg nicht bekannt ist müsste man eine Rast einlegen und auf bessere Sicht warten. Foto: Günter Pisch

Eine besondere Schwierigkeit bilden Nebel, Wolken und nächtliche Dunkelheit. In diesen Fällen wird es sogar in bekanntem Gelände öfters vorkommen, dass es am Vernünftigsten ist abzuwarten bis sich die Sicht wieder bessert. Bei gut erkennbaren Wegen oder Steigen und genügend Sicht um alle, auch unscheinbare, Abzweigungen beiderseits des Weges zu entdecken, kann man natürlich den Weg vorsichtig fortsetzen.

Man muss immer auch bedenken, dass weder GPS noch irgendeine andere Orientierungsmöglichkeit absolute Genauigkeit bieten kann. Wenn auch eine durchschnittliche Genauigkeit von 20 bis 50 Metern bei guter Sicht kein Problem ist, so können sie bei fehlender Sicht zur Todesfalle werden, falls man nicht damit rechnet und entsprechend aufmerksam bleibt.

Immer wieder wird GPS erwähnt. Was ist das eigentlich? Unter den vielen Satelliten, die die Erde umkreisen sind einige, die ständig ein Signal aussenden das ihre genaue Position und die Uhrzeit mitteilt. Das Empfangsgerät (Smartphone oder spezielles GPS-Gerät) kann so mit mindestens drei empfangenen Signalen den Standort berechnen, ab vier Signalen auch noch die ungefähre Seehöhe. Je idealer die Satelliten verteilt sind und je mehr von ihnen empfangen werden umso genauer die Berechnung. Das spezialisierte Gerät hat dafür meist einen deutlich besseren Empfänger als das Smartphone, ist wasserfester und im Allgemeinen halten die Akkus länger. Zusätzlich hat es oft unterschiedliche Programmierungen für die Anwendungszwecke wie Bootfahren, Hochseeschiffahrt, Wandern, Radfahren, Autofahrten, Stadturlaub, etc.

Grundsätzlich können also beide (Smartphone und GPS-Gerät) dasselbe, nur dass das eine sehr spezialisiert und in diesem Bereich besser ist, das Andere dafür mehr verschiedenes gleichzeitig bietet. Was beide gemeinsam haben – es sind hochtechnisierte Geräte, die eben auch Störungen haben können und immer auf Stromzufuhr angewiesen sind. Zudem brauchen sie Satellitenempfang, der aus militärischen Gründen künstlich verfälscht werden kann, was zu falschen Berechnungen führt, oder einfach nicht vorhanden ist, weil man sich in einer engen Schlucht/Häuserschlucht oder in dichtem Wald befindet.

Waldviertel, zwischen Gmünd und Heidenreichstein. Diese schöne Landschaft bietet wenige Markante Punkte die als Hilfe zur Orientierung dienen könnten. Wer in so einer Landschaft, die nicht so dicht besiedelt ist, den Weg verliert hat ein Problem seinen Standort zu ermitteln.

Im Gegensatz dazu funktioniert der altertümlich erscheinende Kompass immer. (Mit ganz wenigen Ausnahmen eines möglichen Defekts). Man muss nur wissen wie man damit umgehen soll und ein für die eigenen Anforderungen geeignetes Modell wählen. Besser nicht eines um 10 oder 20 Euro, die eher für erste Antastversuche von Kindern geeignet sind sondern schon einen der vielen besseren. Auf die einzelnen Arten von Kompassen gehe ich hier nicht weiter ein sondern stelle sie lieber einmal getrennt genauer dar.

Beschäftigt man sich mit dem Kompass so entdeckt man sehr bald etwas sehr seltsames und überraschendes. Es gibt drei, meist mehr oder weniger unterschiedliche, Nordrichtungen. Ja wie denn das? Norden ist auf unseren Karten oben (in Australien aber unten), Norden ist dort wo der rote Kompasszeiger hinzeigt, Norden ist dort wo der nördliche Polarstern steht, oder etwa nicht? All das ist richtig. Der Polarstern steht weniger als 1 Grad neben dem Nordpol, also dem Punkt, an dem die gedachte Erdachse im Norden austritt und somit praktisch genau im Norden, egal wo man steht wenn man ihn nur sehen kann (auf der nördlichen Halbkugel etwas nördlich des Äquators). Die Kompassnadel zeigt entlang der magnetischen Feldlinien in Richtung magnetisch Nord. Der magnetische Nordpol liegt aber etwas neben dem geografischen Nordpol und die magnetischen Feldlinien verlaufen nicht gerade um die Erde sondern in unregelmäßigen Kurven, die sich noch dazu langsam ändern. Bei uns liegen sie zur Zeit etwa 4 Grad neben geografisch Nord. In großen Teilen Spaniens nur 1 Grad und in anderen Gebieten, etwa Alaskas, können es mehr als 30 Grad sein.

So, zwei Nordpunkte haben wir, aber wie kommt man zu noch einem? Das ist bedingt durch das Zeichnen der Landkarten. Wünschenswert wäre eine Landkarte bei der alle Winkel, alle Längen und alle Flächen mit der Natur übereinstimmen und nur alles verkleinert ist und in der Ebene dargestellt wird. Das geht leider nicht. Man kann die Oberfläche einer ungefähren Kugel nicht in jeder Hinsicht korrekt auf einer Fläche darstellen. Bei Wanderkarten wird nur darauf geachtet, dass Winkel und Längen möglichst gut stimmen. Im Laufe der Jahrhunderte hat man sich nun endlich beinahe weltweit geeinigt alle neuen Karten im selben System zu zeichnen, nämlich UTM mit WGS84. Dabei wird die Erde vom 0-Meridian durch Greenwich aus, in 6° breite Streifen geteilt und von Süd nach Nord in großteils 8° breite Felder (hier gibt es eine Ausnahme beim nördlichsten Feld und um die Pole). Der jeweilige Mittelmeridian, also 3°, 9°, 15°, … West oder Ost, zeigt auf diesen Streifen, und den so gezeichneten Landkarten genau nach geografisch Nord, alle anderen Nordlinien werden im selben Feld parallel zu diesem gezeichnet. Das bedeutet aber, dass sie an den Rändern, also bei 9° und bei 15° in unserem Bereich, deutlich von der Richtung zum geografischen Nordpol abweichen. Es kann natürlich sein, dass in manchen Gebieten, an wenigen Stellen der Landkarten, alle drei Nordrichtungen gleich sind, meistens ist es nicht so. (Der Kartenrand entspricht bei uns dagegen wieder einem genauen Meridian = N-S-Linie).

Wir sprechen daher von geografisch Nord (Nordpol), magnetisch Nord (magnetischer Nordpol) und Kartennord (Nordlinien auf dem verwendeten Kartenteil). Ein guter Kompass hat daher auch immer eine Möglichkeit zum Deklinationsausgleich, also um diese Unterschiede ausgleichen zu können ohne sich weiter Gedanken darüber machen zu müssen.

Waldviertel, Nähe Raabs an der Thaya. Diese auffallende und große Felswand ist durch ihre Steilheit auf der Karte kaum zu finden.

Auch irgendwie interessant und für mich gänzlich neu war, dass die Tageslänge nicht genau 24 Stunden beträgt. Das ist nur ein guter Durchschnittswert übers Jahr gesehen. Die tatsächliche Tageslänge schwankt aber zwischen ungefähr 23,75 (Mitte Februar) und 24,25 (Anfang November) Stunden von Sonnenhöchststand zu Sonnenhöchststand.

Das ist zwar für die normale Orientierung nicht wichtig aber doch eine erstaunliche Überraschung.

Als ich in Südamerika war, und zwar südlich des Äquators zwischen den Wendekreisen, kam es irgendwann, dass mir der Lauf der Sonne seltsam vorkam. Ich konnte nicht sagen was es war, aber etwas fühlte sich fremd an. Erst später entdeckte ich was es war. Bei uns wandert die Sonne immer von links nach rechts. Links im Osten geht sie auf, wir verfolgen ihren Lauf nach rechts bis sie mittags im Süden steht und rechts, im Westen geht sie unter. Steht man aber südlich der Sonne so wandert sie von rechts nach links. So wie im Atlas ist Osten rechts, Norden oben also vorne und Westen links.

Dasselbe gilt für die Mondphasen. Zunehmend geht der Bogen der Sichel bei uns nach rechts, auf der Südhalbkugel aber nach links. Ja, auch das Beachten von solchen Kleinigkeiten kann manchmal hilfreich sein. Etwa auch, dass zwei der drei Gürtelsterne von Orion fast genau am Himmelsäquator liegen und somit ziemlich genau im Osten aufgehen und im Westen untergehen.

Weinviertel. Schöne Landschaft mit wenigen Gefahren im Gelände und dichter Besiedelung aber teilweise sehr mangelhafter Kennzeichnung der vielen Wanderwege. Wäre die Besiedelung lockerer, so könnte man sich hier leicht verirren und weit vom Weg abkommen.

Jetzt aber noch zu einfachen, überlieferten Orientierungshilfen und deren wirklichem Wert. Die Orientierung mit Hilfe der Uhr. Stundenzeiger zur Sonne in der Hälfte zwischen Stundenzeiger und 12 (vormittags linke Hälfte, also hohe Zahlen, nachmittags rechte Hälfte) liegt Süden. Diese Methode kann erstaunlich genau sein, wenn folgendes beachtet wird. Erstens funktioniert sie nur dort, wo die Sonne im Süden steht, also nördlich des nördlichen Wendekreises (23,5°). Zweitens, je genauer die Uhr die wahre Ortszeit anzeigt umso genauer auch der Südpunkt. Jetzt haben wir aber, sinnvollerweise, Zeitzonen. Wir liegen in der MEZ (Mitteleuropäische Zeit), die der Ortszeit für 15° Ost entspricht. Genau genommen geht die Uhr bei uns also um etwa 10 Minuten vor. Dann haben wir auch noch Sommerzeit, also die Osteuropäische Zeit von 30° Ost. Bei Sommerzeit müssen wir also nicht die Hälfte zwischen Zeiger und 12 wählen sondern zwischen Zeiger und 1 Uhr. Auf der Südhalbkugel, südlich des Wendekreises, funktioniert es ebenso, allerdings zeigt es uns den Norden an. Zwischen den Wendekreisen kann es manchmal gehen, manchmal auch nicht, weil es senkrecht in die Luft zeigen würde.
Sterne sind natürlich hervorragende Hilfen, wenn man sich genügend auskennt, was bei mir nicht wirklich der Fall ist (bis auf die zwei erwähnten, den Polarstern und Orion). Auch mit Hilfe des Mondes kann der Sonnenstand abgeschätzt werden, aber hier würde ich eher den Tipp geben zu warten und schlafen, bis die Sonne selbst wieder hier ist.
Weitere Orientierungshilfen wie jene, dass Moos immer eher im Norden oder Westen auf Bäumen wächst oder Ameisen ihre Hügel immer südlich von Bäumen errichten sind viel zu abhängig von einer Menge anderer Faktoren und taugen nicht für eine verlässliche Orientierung.
Eine sehr gute Orientierungshilfe sind auch Bach- und Flussverläufe, freistehende Objekte die in der Karte eingezeichnet sind wie Ruinen, Brücken oder ähnliches oder die Richtung von Bergrücken und -graten, ja sogar der Verlauf von Waldrändern. Das alles natürlich nur, wenn man auch eine gute Karte zur Hand hat.
Ach, noch was, bitte nie blind auf Wegmarkierungen verlassen sondern immer mitdenken. Immer wieder kommt es vor, dass Scherzbolde diese verdrehen. Woher ich komme weiß ich, also kann ich den Wegweiser häufig auch wieder in die richtige Position bringen – eventuell auch nur gedanklich.

Beispielhafte Links zum Thema:

https://www.bergzeit.de/magazin/irrtuemer-orientierung-gelaende

https://www.meiker65.com/orientierung-in-der-naturAuf (Ab-)Wegen: Orientierung beim Wandern

https://fraeulein-draussen.de/orientierung-beim-wandern-tipps/embedOrientierung im Gelände mit Karte und Kompass

https://blog.tatonka.com/orientierung-karte-kompass/embed/#?secret=biGIJjk8aP

https://www.bergwelten.com/a/orientierung-im-gelaende-wo-bin-ich

https://bushcraftmagazin.de/beim-wandern-orientieren/embed/#?secret=fkCU76xZlX

https://de.wikipedia.org/wiki/Polarstern

Alle nicht benannten Fotos: Robert Pisch

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Robert Pisch

Robert ist grafischer Facharbeiter in der Druckvorstufe und seit kurzem in Pension. Er hat zuletzt seit mehreren Jahren die grafischen Vorarbeiten für die Druckversion der DZ-Inzing erledigt. Als Mitglied von JUF, seit der Gründung dieser Fraktion, sitzt er die letzten Gemeinderatsperioden auch im Landwirtschaftsausschuss. Sein größtes Interessensgebiet ist die Natur und der Umgang mit ihr. Zusätzlich liebt er es, rein hobbymäßig, zu fotografieren und ist passionierter Fußgänger. In den letzten Jahren ist er auch auf den Geschmack und den Reiz von “Weitwanderungen” gekommen. In den sporadischen Beiträgen möchte er diese Interessensgebiete und daraus gewonnene Erfahrungen näher bringen und hofft dabei auch, die eine oder andere Diskussion “anzuzetteln”.

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