Rheinriesling
Für viele Weinfreunde (der Welt) ist nun Riesling schlechthin die allerbeste Rebsorte. Ich kann diese Einstellung natürlich nur teilweise teilen, allerdings gehören die besten Exemplare zu den spannendsten Weinen der Welt – und erbringen sowohl im Leichtwein als auch im reifen Mittelfeld und edelsüßen Sektor Weine von großer Art.
Nun – woher stammt die Sorte?
Es gibt einen 800 m2 großen Rieslingweinberg in Rüsselsheim am Main. In der Heimat von Opel wurde die Sorte am 13. März 1435 zum ersten Mal erwähnt – die Quelle ist eine Rechnung. Der Legende nach stammt die Sorte von einer Wildrebe aus den Rheinauen, aber das klingt wie eine Episode aus der Nibelungensage. Tatsächlich ist der Riesling eine natürliche Kreuzung, in deren Stammbaum der edle Traminer und der eher banale Heunisch vorkommt. Vom Traminer stammt die brilliante Duftigkeit, vom Heunisch die ausgeprägte Säurefrische, aber auch die Wüchsigkeit. Bei sehr hoher Traubenreife – siehe Klimaerwärmung- kann der Riesling wohl etwas Üppiges, Breites wie Traminer besitzen. Andererseits – bei wenig Reife ist er eher spitz und kurz.
Die Sorte ist ein Heliotrop(Sonnenwende), die sich nach der Sonne sehnt, nachts aber ordentlich frische Luft mag. Daraus resultiert das Spannungsfeld von intensiver, saftiger Frucht und sehr feinen Säurenoten, die auch bei Süßweinen im Wein gebunden dahersprudeln. An und für sich ist die Sorte ein “cool climate wine” mit langer Vegetationszeit. Die geschmackliche Spannung entsteht aus dem ausgeprägten Temperaturwechsel und seine aromatischen Reize entfalten sich durch die langsame Reifung der Traube am Stock. Aber den Wein prägen auch die kleinsten Unterschiede in der Bewirtschaftung der Weinberge, bei der Lese und Verarbeitung von Trauben, Most und Jungwein. Zusammen machen diese Faktoren die wahre Faszination der Rebsorte aus: Die Vielfalt des Rieslings ist unendlich. Und – noch besser – gute Rieslinge sind aufgrund ihrer Säurestruktur unendlich lange trinkbar. So wurden – auch zur Show- einige über 300-jährige Rieslinge einem staunenden Publikum von Fachleuten offeriert – Würzburger Stein und Co.
Die Rebsorte genießt bei den Winzern einen hohen Stellenwert, allerdings gelingen die wirklich guten Exemplare am besten auf Schiefer und in nördlichen Hemisphären. Nahe, Rheingau, Mosel, der unterschätzte Mittelrhein und gute Lagen in Rheinhessen haben die Nase vorn. Namen wie Künstler, Keller, Heymann-Löwenstein, Clemens Busch, von Buhl, Wittmann, Clüsserath, Herrmannshof, am Stein (Würzburg) – um nur einige zu nennen, sind schon legendär. Von hier kommen auch die historisch wertvollen Auslesen, Beerenauslesen, auch TbA’s gibts, teuer und rar. Man darf hier nicht vergessen, dass in Deutschland schon seit langer Zeit dem Riesling intensive Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde und man im Umgang mit ihm gelernt hat. In Österreich findet man die mächtigen Wachauer (da hat Spitz die besten) und sehr spezielle Tropfen im Kamptal (Gobelsburg/ Bründlmayer) und Wien. Am Heiligenstein bei Langenlois hat die Familie Retzl eine wohlfeine Rieslingvinothek – zurück bis zum Jahrgang 1905! In Südtirol bemüht sich das Gut Unterortl bei Juval um die Sorte, auch im Vintschgau versucht man’s.
In Frankreich keltern die Elsäßer Winzer tiefe Weine, auch mit Süßrest – sind eher nicht im Trend, aber doch wertvoll. Weiter südlich sind die Exemplare zumeist eher eindimensional, da die lange Reifung und wohl auch die Bodenstruktur fehlt. Winzer und Weinfans in Nordamerika, Tasmanien, Südafrika und Neuseeland keltern manchmal ansprechende Weine, eher doch für den Hausgebrauch.
Die Reblaus – die Weinplage des 19. Jahrhunderts
Wahrscheinlich hat ein jeder Weinfreund schon von ihr gehört – zum Teil über lustige Heurigenlieder mit und ohne Hans Moser. Allerdings konnte die 1,3 mm große Blattlaus zu Ende des 19. Jahrhunderts fast die gesamte europäische Rebfläche vernichten. Der Schaden war immens und über eine lange Zeit fand man kein probates Gegenmittel.
Vereinfacht dargestellt konnte der kleine Sauger – zuerst an den Blättern – dann in späterer Folge – und das war dramatisch – an den Wurzeln knabbern und dadurch die Nährstoffversorgung der Pflanze unterbrechen oder ganz zum Erliegen bringen.
Ausgehend von Südfrankreich breitete sich die Seuche über ganz Europa aus und vernichtete die Weingärten sowie die Lebensgrundlage von tausenden Winzern. Man erkannte erst um 1863 die Ursache, konnte aber dem Insekt nicht wirklich beikommen – und das Rebsterben ging ungebremst weiter. Professor Planchon in Bordeaux hatte die Reblaus entdeckt – aber noch nicht gebändigt. Die Phylloxera vastarix – die verwüstende Laus – verbreitete Schrecken und Ängste.
Erst als man d’raufkam, dass die Laus mittels amerikanischer Wildreben – auf den schnellen Dampfschiffen – von Amerika über London nach Frankreich eingereist war, entstand ein Plan, diese erfolgreich zu bekämpfen. Die Wildreben (vitis rupestris, Vitis berlandieri, etc) waren gegen die kleine Laus resistent, die europäischen Reben (vitis vinifera) allerdings nicht. So entwickelten die Rebschulen Wurzelteile (die sogenannten Unterlagen) mit amerikanischer Herkunft – die Rettung nahte. Aber es waren fast 20 Jahre vergangen und die Katastrophe schon passiert. Aber es sollte die Rettung sein. Gegen 1880 stellte man in größerem Rahmen amerikanische – resistente – Unterlagsreben her. Heute sind praktisch alle europäischen Weingärten mit amerikanischen Unterlagen ausgestattet. Wurzelechte Rebanlagen sind kaum mehr vorhanden und die Bestände sind gering. International gibt es in Chile und Zypern aufgrund ihrer durch Berge und Wasser isolierten Lage noch wurzelechte Weingärten. Ebenso in sehr sandigen Böden (les sables) fühlt sich die Laus recht unwohl.
Status Quo – ist die Reblaus gebannt?
Man muss die Reblaus auf jeden Fall im Auge behalten – so wurden in den 1980-er Jahren in Kalifornien ca. 25.000 Ha Rebfläche zerstört. Man hatte einen vermeintlich besseren Wurzeltyp eingesetzt, der allerdings keine ausreichende Reblausresistenz besaß. Circa 6 Mrd. Dollar mussten die Weinbaubetriebe dafür berappen.
Aber auch aktuell sollte man die Reblaus-Bedrohung nicht ad acta legen. Zum einen gilt es, die wurzelechten Lagen besonders zu schützen, zum anderen existieren immer noch Wurzeltypen, die nicht verlässlich resistent sind.
Die Rebe ist eine hochgezüchtete Kulturpflanze, die auch vorrangig in einer Art Monokultur steht und auch deshalb anfällig für diverse Krankheitserreger ist. Da ist die aktuelle Hinwendung zu biologischer und diversifizierter Weingartenarbeit als sehr positiv anzusehen. Mit gesunden – weil nicht auf Masse, sondern Qualität ausgerichteten Weingärten bietet man den versierten Schädlingen nicht zu viel Angriffsflächen und hofft dennoch auf gute Erträge.
Das wär’s – bis zum nächsten Mal – sagt Ihr Alfred Walch.