4. Mai 2024
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Alfreds (W)Einsichten / L

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Lesedauer ca. 5 Minuten

Lagrein Dunkel – der eigenwillige Star aus Südtirol

Erst seit kürzerer Zeit – mit der Rückbesinnung auf heimische – autochtone – Sorten ist dem etwas schwierigen Lagrein  eine Renaissance beschieden. Die Sorte ist wirklich seit langem in unserem Stammland beheimatet. Michael Gaismair nannte schon 1525 diese Sorte namentlich. Also muss schon damals etwas dran gewesen sein…. „und die öden weingarten soll man zu glasuren machen, rot lagrein darynnen anlegen und wein machen wie im wälschland…. 

Allerdings ist bis ins 18. Jahrhundert der Lagrein weiß gewesen. Durch Mutationen und Rebveredelung ist die natürliche Kreuzung von Vernatsch und dem trentiner Teroldego zu seiner heutigen Form und der tiefen fast, schwarzen Farbe gekommen. Ein Wunder der Natur.

Die Sorte liebt die Wärme, ist mehltau- und oidiumempfindlich und braucht starke Ertrags-reduktion. Ansonsten gehen, wie beim Cabernet auch, die Erträge durch die Decke. In der Zeit, da noch Menge angestrebt wurde, kelterte man im beginnenden Tourismusland Tirol, also ab 1900, den dunklen Lagrein als Rose‘, nämlich den „Kretzer“, da mit tief färbigen Weinen kein Staat zu machen war. Auch in Verbindung mit dem ebenfalls einheimischen Vernatsch, galten diese Weine als süffiger, zugänglicher Jausen- und Tischwein. Der „Kretzer“ ist übrigens ein damals verwendeter Weidenkorb, mit dem man die Schalen vor der Gärung zurückhielt – und so einen etwas eigenwilligen Roséwein erhielt. Aber das ist fast vorbei.

Auf ca. 510 ha (ca. 9 %) wird in Südtirol der Lagrein angebaut und ist derzeit so hip wie noch nie.

Bei entsprechender Pflege – viel Blattarbeit – trockenen, Wärme speichernden Böden und niedrigen Erträgen um die 40 hl/ha erbringt die Sorte heute Ergebnisse und Preise, die sich sehen lassen können. Die besten Weine kommen ins neue Barriquefass, wo ihre Ungestümtheit gebändigt wird. Das (neue) Holz ist in der Lage, die robusten, etwas rustikalen Noten und Säuren zu binden. Die Spitzenweine sind tiefdunkel und extraktreich, heute die Voraussetzung für hohe Preise und Notationen. Es gibt allerdings nur wenige geeignete Spitzengebiete für Topweine am Westrand von Bozen, wo leider der Wohnbau die warmen Moränenböden schluckt.

Im klassischen Magdalener findet man – bei guten Exemplaren – auch einen Anteil von sagen wir 5 bis 8 % Lagrein, der sich wohltuend auf Struktur und Länge auswirkt. Die besten Weine finden wir nach wie vor bei Gries auf den warmen Porphyrböden. Berühmt ist der Klosterkellerwein von Muri, denen Kellermeister Christian Werth feine Eleganz abringt. Aber auch die Kellerei Bozen, die durch Fusion von St. Magdalena im Norden und der Kellerei Gries entstand, besitzt mit dem Taberhof einen flagship – wine dieser Art.

Von den privaten Kellereien bemühen sich viele um einen reichhaltigen Rotwein. Mein Favorit in dieser Liga ist eindeutig der „Lagrein Riserva“ vom Ansitz Waldgries bei Magdalena. Christian Plattner  – tolle Homepage – gilt als feinfühliger Könner. Im Burgweingut aus dem 12.Jh. reifen die Fässer im alten Keller, aber auch St.Magdalena und Vernatsch sind hier am  oberen Ende der Qualitätsleiter angesiedelt.

Auf jeden Fall genießt der Lagrein Dunkel mittlerweile viel Aufmerksamkeit auf allen Seiten. Er gilt als Beispiel dafür, dass eine eher kaprizierte Sorte bei entsprechender Pflege und Auslese zu einem echten Charakterwein werden kann, wie man es sich auch vielleicht vom vielfach gescholtenen Vernatsch wünscht. Aber das kann dauern.

© Homepage vom Ansitz Waldgries in Bozen

Appetit bekommen ?

Lagares antike Keltermethode auf neuen alten Wegen

Foto: Lagares Dirk Niepoort, Douro

Mit „lagares“ meint man die meist quadratischen Steintröge aus Granit, die im Douro-Gebiet Portugals seit jeher zur Weinbereitung verwendet wurden – und neuerdings wieder in Verwendung kommen. Diese alte Methode kann man noch in einigen antiken Weingegenden finden, allerdings kaum in Verwendung. Am Douro Superior werden diese ca. 60 cm hohen Steintröge, in denen die Trauben von Fuß getreten werden, immer noch angewendet, zum Teil in modernisierten Form von automatischen Maschinen, den sogenannten „robos“.

In den offenen Steintrögen, die so zwischen 5000 und 8000 kg Trauben fassen, wurden die Trauben zwei Tage lang in einem überlieferten Rhythmus mit den bloßen Füßen gestampft. 10 bis 16 Leute jeden Alters und Geschlechts, die aus den umliegenden Dörfern engagiert wurden, traten untergehakt in gleichmäßigem Takt die Trauben mitsamt den Stielen. Putz und Stingel, sozusagen. Die Trauben brachen auf, ohne die Kerne zu verletzen, das Fruchtfleisch war offen. Nach dieser monotonen Arbeit über 3 bis 4 Stunden –„corte“ – genannt, wurde in den Trögen zu Musik – meist zur „harmonica“ – gesungen und getanzt. Das nannte man die „libertade“ – die Freiheit oder die „Kür“ – wir beim Eislaufen… so manche spätere Liebe hat sich, wie man sagt, aus dieser gemütlichen Stampferei entwickelt. Weil natürlich – wie wir alle wissen, die Musik nicht nur die Herzen sondern auch andere Körperteile erwärmt. Dass dabei, also nach der Schufterei, auch etwas Wein konsumiert wurde, ist anzunehmen, nicht nur zu hoffen.

Foto: Lagares Dirk Niepoort, Douro

Aber auch in den Trauben tat sich was, nämlich die Gärung setzte durch die wilden Hefen ein.

Reinzuchthefen des modernen Zeitalters waren nicht bekannt und auch nicht notwendig. Wer nun glaubt, das sei ein Märchen von früher, als man noch keine modernen Pressen kannte, irrt gewaltig.

Auch heute noch wird die „lagares Methode“ am Douro praktiziert. Etliche qualitätsbegeisterte Winzer, ob sie nun die dann gespriteten Portweine oder die extrem spannenden „neuen“ Tafelweine herstellen, setzen weiterhin auf diese traditionellen Verfahren. Der Grund dafür ist, dass sie der Meinung sind, diese schonende Art der Pressung durch die Fußsohlen sei die beste von allen.

Im Prinzip sieht diese Fußarbeit heute genauso aus wie früher. Allerdings werden die Saisonarbeiter weitaus besser bezahlt. Gleichzeitig sind fast immer Helfer dabei, die kostenlos mitwirken. Weinfreaks – vor allem Weinjournalisten – ja das gibt‘s – aus aller Welt treffen sich zum geselligen Treten. Sprachprobleme gibt es wie damals natürlich nicht. In Zweierreihen steht man im violett-roten Saft und erzählt sich wahre und andere Geschichten. Mit der Zeit sehen die Beine aus wie mit roter Farbe überzogen. Die alten Rotweinsorten haben eine gewaltige Portion Farbstoff in den Schalen…

Das Treten mit den Füßen gibt dem Wein Struktur, ein subtileres Tanningerüst und bewirkt auch, dass die Weine (noch) länger halten. Bein Port eigentlich nicht notwendig, aber die Feinheit der gesamten Masse ist beeindruckend und die Farbtiefe unglaublich. Der Most für die Tafelweine gärt bis zu 4 Wochen in den kühlen lagares der „quintas“, also der Bauernhöfe – der für den Port – welche Qualität auch immer – nur meist 2 bis 3 Tage.

Manche größeren Betriebe wie Sogrape oder Symington haben sich in Ermangelung von guten tretfähigen Menschen die sogenannten „robos“ angeschafft, wobei der Tretmechanismus von stampfenden Niro-Füßen mit Lederschutz ausgeführt wird.

Man sieht, dass alte Methoden, sei es Baum- oder Korbpressen und auch die sentimentale Lagar-Methode den Winzern von heute wieder ins Gedächtnis kommt. Das Prinzip, der schonendsten Behandlung der Traube bis ins letzte Detail müssen wir als Rückbesinnung als auch als Innovation gelten lassen, das Ergebnis spricht eindeutig dafür!

In diesem Sinne – salut e a prossima!

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Alfred Walch

Jahrgang 1959, wohnhaft seit jeher in Inzing, verheiratet mit Veronika / Vroni – aus dem Hause Gastl. Zwei Kinder – Julia und Theresa – beide nun Therapeutinnen. Seit Jänner 2022 in Pension, langjähriger Leiter der Weinabteilung des Handelshauses Wedl. Interessen: Lesen, Kopfreisen und auch so, e-Radlfahren, etwas Bergsport, Kochen sowieso. Musik hören von Jazz bis Volxmusik, etwas Fotografieren, Europa kennenlernen. Leidenschaft: Wein und seine Geschichte(n) dazu. Seit ca. 35 Jahren mit der Sache beschäftigt. Wünsche: noch eine gute Zeit zu haben, politisch-sozialer Friede, Enkel aufwachsen sehen, ev. noch Französisch aufbessern, gute Literatur und das Geheimnis der Poesie finden…

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